Ein Interview, ein Boot, eine Möbius-Schleife.
Ein Stück Vergangenheit, auf Band genommen: lass es ein Tonband sein, oder eine Kassette; etwas, dass sich, falls es reißt, (selbst seitenverdreht) wieder zusammenkleben lässt. Schön plastisch, wie anhand dieses Details die Vergangenheit sofort ein Gesicht, einen die Zeit eingrenzenden Rahmen bekommt.
Das Boot dreht
noch eine Runde
ich wende
das Band
deine Stimme
eine letzte halbe Stunde
Schon die erste Strophe vollzieht die gegengleiche Verbindung zweier Seiten (Möbius-Schleife) sprachinhaltlich nach, indem während einer weiteren Runde (die das lyrische Boot dreht), die Wende des Bandes die Stimme des Gegenüber auf die Hälfte einer letzten Stunde reduziert. Positiv betrachtet, veredelt die Wende die Verbindung der Seiten mit einer intakten Schnittstelle.
Ähnlich einer Gedankenpause, die einem Prozess den entscheidend kreativen Schub zu geben vermag.
So wandert das Gesagte, das Aufgezeichnete, die Stimme samt aller ausgelösten Erinnerung - so lange der lyrische Zuhörer will - durch die Gegenwart. Das ist das Herz des Poems.
Die Schnittstelle ist jetzt der Zeitsprung vom Damals ins Jetzt, als sei dazwischen nichts gewesen.
du redest für mich
eine Möbius-Schleife
egal
wo du heut pennst
ich tippe Worte
prüfe die Zitate
und hoffe
In diesem Versdoppel steckt eine weitere Wendung: die zwischen konzentrierter Geschäftigkeit und zugeneigter Zerstreuung.
Sehr schön, die "offenen Enden" und der fantastische, mit einer letzten Wendung aufwartende Schluss:
was man sich so merkt
das Partyschiff
die reiche Jugend
doch nicht
was nach dem Klick
noch kommt
offene Enden
lass es ein See sein
auf dessen Grund
ein alter Wels
die Zeit wegdreht
Mir gefällt an diesem Gedicht außerordentlich gut: die differenziert verspielte Art, das Phänomen der Möbius-Schleife (dessen Bedeutung mir nicht präsent war) konkret zu inszenieren.
Das ist hier in visuell sehr fassbarer und situativ-emotional stark nachempfindbarer Weise gelungen. Es hinterlässt mich, mit wohligem Staunen einem guten Stück Lyrik auf der Spur zu bleiben.
LG
Elke