ich schiebe eine ruhige kugel
in den gedrehten lauf der zeit
ich drücke ab und spüre
einen schuss – vergangenheit:
interessant. du setzt die auseinandersetzung mit der vergangenheit beinahe mit dem selbstmord gleich. wie beim suizid, richtet das lyri ich den lauf der zeit auf sich und statt des todes, spürt es die vergangenheit, statt dem körperlichem schmerz den geistigen, unangenehmsten schmerz, der von verlusten ausgeht, wie der weitere verlauf des textes zeigen wird. all das scheint ruhig, gewollt, gelassen zu geschehen, eben das deutet die starke metapher der ruhigen kugel an. die ersten beiden zeilen sind dabei stark formuliert, gut durchdacht, ästhetisch ansprechend.
auf dem küchentisch
ein angebissenes brötchen
mit honig dick beschmiert
zeigt mir nun ohne worte
deine zähne
offenbar geht es um eine, wie sagt man, liebschaft? um ein rendezvous, das dem lyri. mehr zu bedeuten schien, als der angehimmelten, vielleicht noch nagender, dunkler gedacht - will sagen, sie kennen sich, sind sich vertraut. Ist sie so wortlos gegangen, dass die zeichen, die sie hinterlassen hat so wichtig sind? großartig das bild des angebissenen brötchens, das nun ihre, die bisher ungezeigten, zähne zeigt.
und hier am duschvorhang
und kaum zu fassen
ein rest von deiner dna
und dort das bett, die kissen
und hier und dort und da
sind meine hände fest
im besitz von einer leere
die ich gestern noch begriff
unmöglich die dna von ihr zu bemerken, selbst am duschvorhang. wie sehr muss sich das lyri. in die begegnung hineingesteigert haben um ihre „dna“ zu bemerken, aber vielleicht ja doch – ein haar, ein fingernagel, wer weiß.
die kissen deuten auf eine liebesnacht, ja – wer hätte das nicht schon vermutet. Überall ist ihre präsenz noch spürbar, ein aura die den raum einhüllt, ihn füllt mit den bildern vergangener nächte, oder bloß dieser einen, tiefen nacht, die erinnert wird wie eine kostbarkeit, wie seide oder gold.
und dann der schlenker, unerwartet, rabiat. die lehre wird zur leere, plötzlich scheint alles unausgefüllt gewesen zu sein. das lyri. Ich scheint unentschieden über die nacht, bleibt verkopft und melancholisch zurück, wie der leser, der die drehung mitgemacht hat, der unerwartet ins kalte wasser gestoßen wurde. aber ich friere nicht, gute texte wärmen, auch wenn sie dich eiskalt erwischen.
Lg
patrick