Kai Nelust aufs pürieren

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Wic

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Kai Nelust aufs pürieren?

Leise höre ich Ihre Stimme aus dem Bad: „Kai, pürierst Du noch die Walnüsse?“
Ich nicke leicht genervt.
„Kai?“
„Ja, ja, natürlich“, antworte ich, während sie ihren Mantel überwirft und das Haus verlässt. Ich schaue zu, wie hinter ihr die Wohnungstür ins Schloss fällt. Klar. Pürieren.
Lustlos mache ich mich auf den Weg in die Küche. Nun doch etwas ratlos schaue ich mich um. Womit püriert sie denn sonst immer die Walnüsse? In der Schublade ist ein kleiner Pürierstab mit einem Federdraht an der Spitze. „Hm“, mache ich. ‚Glaub, den nimmt sie eher zum Milch aufschäumen.‘ Im Schrank finde ich die Küchenmaschine. Diese aber schmutzig zu machen und hinterher abzuwaschen mündet womöglich in einer größeren Aktion. Ich krame weiter und finde an dritter Stelle in der Küche, nämlich ganz oben im dunklen Bereich des Küchenregals einen kleinen Becher mit einem Plastikstab. Dieser weist an der unteren Seite zwei leidlich scharfe Klingen auf. Kurz beäuge ich das Instrument, dann prüfe ich die Klinge, ob diese es vermag eine Karotte zu pürieren. „Autsch!“
Als ich den Finger wegziehe, wird der Schnitt nur größer. Ich eile, meine Bluttropfen hinterlassend ins Bad und sprühe mir ein Pflaster auf die Wunde. Es vermengt sich mit dem Blut. „Wo hast du denn die richtigen Pflaster hingetan“, rufe ich verblutend. Natürlich bin ich mir bewusst hierauf keine Antwort zu erhalten. Bea ist nicht da. Ich sprühe erneut auf das rote Gut. Dann tupfe ich vorsichtigst mit einem Taschentuch, das an dem sich verklebenden Blut mit jedem Tupfer stärker zerfleddert. Fasern des Tuches kleben an meinem Finger. Eine hypochondrische Synapse meldet sich: „Wenn Du so weitermachst, läufst Du Gefahr Dir eine Blutvergiftung zu holen!“ Unter kaltem Wasser tupfe ich das Gemenge an Blut, Taschentuch und Pflaster ab. Nichts mehr zu sehen! Wunderbar. Zeit mir einen Lappen zu nehmen und den Fußboden aufzuwischen. Zumindest an den Stellen, an denen ich mein knappes Blut verlor. 5 Liter enthält ein Mensch. Das ist nicht viel, da zählt jeder Tropfen, wenngleich: Ich bekomme es ja nicht zurück in meinen Körper!
Die Tür geht auf! Sie kommt zurück!
„Fertig?“
„Womit?“
„Na mit dem pürieren!“
„Oh, sorry, hab‘ ich vergessen!“, lüge ich. „Soll ich noch?“
„Nee, lass mal, nachher tust du Dir noch weh“, lästert sie und hängt ihren Mantel in der Garderobe auf, während ich, so leise wie möglich die Utensilien wieder in den Schränken verstaue.

Diese Geschichte stammt aus der Reihe „Kai Nelust“ von Stefan Wichmann, die unter anderem hier veröffentlicht werden.
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Die Personen dieser Geschichte:
Kai:
ungeschickter Hypochonder, der sich schnell in schier ausweglose Situationen katapultiert. Ein guter Vater, aber leider oft arbeitslos.

Bea:
herzensguter Mensch und liebevolle Mutter.
 

IDee

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Pürieren

Hallo,
dieser kurze Text hat mir sehr gut gefallen. Er ist so aus dem Leben gegriffen. Wunderbar.
Beste Grüße
IDee
 

Wic

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Danke schön, ich werde die Reihe fortsetzen, bin momentan aber mit einem Buchprojekt beschäftigt.
Freue mich über jeden Kommentar!

Gruß
Wic
 

Wic

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Rainer Unsinn ist Kai's Freund und: "Das erste Buch ist erschienen"

Hallo,
Das erste Buch zu Rainer Unsinn ist bereits erschienen. aufgrund der Resonanz arbeite ich bereits am Folgetitel!
 



 
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