Die neueste Version steht weiter hinten im Thread - und zwar hier.
Kartoffelernte
Es war simpel: Alfons Bärbecker hatte nichts weiter zu tun, als den Weganenern zu zeigen, wie man Kartoffeln anbaut. Das Klima auf dem mittleren Kontinent war hervorragend dafür geeignet – es war gleichmäßig warm, weder zu nass noch zu trocken und der Boden war unglaublich fruchtbar.
Vor fünf Monaten hatte Bärbecker auf einem kleinen Stück Acker, den die Dorfbewohner ihm überlassen hatten, nach allen Regeln der Kunst – Bärbecker war vernarrt in die ursprünglichen Methoden der Nahrungserzeugung – die kleinen rötlichen Knollen in den Boden gelegt. Er hatte Unkraut gezupft und als die Pflanzen zu sprießen begannen, nach und nach die Dämme angehäufelt…
Die Feldarbeit beschäftigte ihn täglich zwei bis drei Stunden. Dann widtmete er sich regelmäßig der kulinarischen Seite seiner Mission und führte den Weganenern vor, wie sie auf ihren Herden die Vielfalt der Erdäpfel nutzen konnten. Mit Freude hatte er feststellen können, dass die um die zwei Meter großen hageren Geschöpfe mit der bleichen Haut und dem flaumdünnen Haar wahre Genießer waren: Was immer er aus den von der Erde mitgebrachten Kartoffeln zauberte – die dürren Riesen verputzten es. Sie waren so versessen auf Kartoffelspeisen, dass sie Bärbecker jeden Morgen von seiner Unterkunft am Schiff abholten und ihm die schweren Kartoffelstiegen ins Dorf trugen. Sechszehn, manchmal auch zwanzig Kilo Kartoffeln pro Mahlzeit verdrückte die knapp fünfzigköpfige Dorfgemeinschaft – als Beilage zu Fleisch, Fisch und Gemüse. Und was immer Bärbecker zubereitete, aßen die Weganener mit einem Ausdruck von Entzücken auf ihren bleichen Gesichtern restlos auf.
Das Einzige, woran sich Bärbecker nur mühsam gewöhnen konnte, war die Stille an der Tafel. Kein Ah! oder Oh! kam über die Lippen der Weganener, zumindest keines, das der Mensch hätte hören können. Natürlich gab es Übersetzungsgeräte, die die Ultraschalltöne der weganenischen Sprache erfassen, analysieren und ins Englische übersetzen konnten. Sie machten es allerdings so unzuverlässig, dass sie mehr Missverständnisse produzierten als vermieden. Ohnehin verfügten die Weganener über eine so sensible Wahrnehmungsfähigkeit, dass sie aus winzigen Gesten, der Mimik und dem wenigen, was sie von der menschlichen Sprache hörten, die offenbar immer richtigen Schlüsse zogen. Und irgendwie hatten sie auch geschafft, den ersten Menschen auf ihrem Planeten eines deutlich zu machen: Wir wollen Kartoffeln!
Alfons Bärbecker verstand dieses Ansinnen. Aus den vielen Kartoffelsorten, die er mitgebracht hatte, war eine lukullische Vielfalt erschaffbar, die jeden entzücken musste. Und da die Weganener an einer Laune der Natur leidend kein Getreide – weder roh noch gekocht noch gebacken – vertragen konnten, kam ihnen die Energie-Knolle gerade recht. Fast sah es so aus, als hätten die dürren Riesen während Bärbeckers Pommes-Marathon schon ein paar Gramm zugelegt, auf jeden Fall waren sie deutlich lebendiger geworden. Die Entdecker Weganens hatten seine Bewohner noch als phlegmatische und auf äußerste Energierationierung bedachte Wesen beschrieben, Bärbecker dagegen hatte seine Weganener, wie er sie gern nannte, in wilden Tänzen wirbeln sehen.
Morgen würde nun endlich der große Tag sein! Gerade zur rechten Zeit – die Kartoffelvorräte an Bord des Frachters schrumpften merklich – würde Bärbecker die ersten weganenischen Knollen ernten. Mit großen Gesten lud er seine Weganener an den kleinen Kartoffelacker ein. Das Laub der Pflanzen war welk zusammengesunken, die Knollen jedoch – Bärbecker hatte am Abend vorher heimlich eine Probe gemacht – waren groß, rund und prall.
Als sich alle achtundvierzig Dorfbewohner in einem dreireihigen Halbkreis um Bärbecker aufgebaut hatten, schritt dieser zur Tat: Er griff die nächstbeste Pflanze, zog ein wenig an ihr, rüttelte ein wenig an ihr und zog wieder und schaffte es tatsächlich, dass nichts abriss – jede einzelne Knolle dieser Kartoffelpflanze erblickte das Licht der Welt. Bärbecker schüttelte die Pflanze ein bisschen und locker krümelnd fiel die Erde von den Wurzeln, so dass man das Rot der jungen Kartoffeln vielfach hervorblitzen sah. Es war ein wunderbarer Anblick! Im Bewusstsein der Erhabenheit dieses Momentes drehte sich Alfons Bärbecker zu den Weganenern um und …
…erstarrte: Blankes Nichtverstehen schlug ihm entgegen. Nicht einmal das sonst übliche unverbindliche Lächeln war auf ihren Gesichtern. Vielleicht erkannten die Wegananer ja auch die Kartoffeln nicht richtig, also machte Bärbecker eine davon ab und befreite sie von der anhaftenden Erde. An einer Ecke der Zuschauerrunde kam Bewegung auf. Doch es war keine Freude, eher Besorgnis, die Bärbecker in den Gesten seiner Freunde sah.
Er musste wohl deutlicher werden: Er löste alle Kartoffeln von der Pflanze, sammelt sie in seinem Shirt, dass er vor den Bauch zum Beutel hochhielt, und ging damit zum Brunnen. Dort wusch er die Knollen, bis sie blank und appettitlich aussahen. Mit jeder Kartoffel, die er dieser Prozedur unterzog, stieg die Aufregung unter den Dorfbewohnern. Im Aufschauen glaubte Bärbecker sogar, wütende Gesichter zu erkennen, doch er ließ sich nicht beirren: Wenn er aus dieser Ernte erst einmal leckere Dämpfkartoffeln gezaubert hatte, würde er der Held des Dorfes sein. Ach was: Der Held des ganzen Planeten! Er würde…
Zu mehr kam Alfons Bärbecker nicht mehr: Ein Stein traf ihn am Kopf, Bärbecker verlor das Bewusstsein. Die Dorfbewohner schlugen – nur um sicherzugehen – noch einmal mit einem Holzscheit zu. Dann zerrten sie den Menschen vom Brunnen weg, vom Dorf weg, hin zu dem großen Kasten, mit der gekommen war, trugen ihn hinein. Dort ließen sie ihn einfach liegen, schlossen die Tür und verramelten sie mit einem Knüppel.
Dann gingen sie in ihr Dorf, sammelten alle Kochutensilien ein, die der Fremde benutzt hatte, und warfen sie in die Abfallgrube hinten am Waldrand. Als die grüne Sonne sich rot färbte, entzündeten sie ein Feuer, um das sie zu tanzen begannen. Sie sangen ein Vergebungsgebet an die Götter der Erde, sangen es wieder und wieder und hofften, die alles nährende Mutter würden ihnen irgendwann verzeihen, dass sie ihren Schoß entweiht und eine Frucht gegessen hatten, die die Erde noch nicht herzugeben bereit gewesen war.
Mal schnell – in knapp 90 Minuten – runtergeschrieben: Sozusagen als Beweis, dass die Schreibaufgabe lösbar ist…
28.4.: Die überarbeitete Version steht hier im Thread.
Kartoffelernte
Es war simpel: Alfons Bärbecker hatte nichts weiter zu tun, als den Weganenern zu zeigen, wie man Kartoffeln anbaut. Das Klima auf dem mittleren Kontinent war hervorragend dafür geeignet – es war gleichmäßig warm, weder zu nass noch zu trocken und der Boden war unglaublich fruchtbar.
Vor fünf Monaten hatte Bärbecker auf einem kleinen Stück Acker, den die Dorfbewohner ihm überlassen hatten, nach allen Regeln der Kunst – Bärbecker war vernarrt in die ursprünglichen Methoden der Nahrungserzeugung – die kleinen rötlichen Knollen in den Boden gelegt. Er hatte Unkraut gezupft und als die Pflanzen zu sprießen begannen, nach und nach die Dämme angehäufelt…
Die Feldarbeit beschäftigte ihn täglich zwei bis drei Stunden. Dann widtmete er sich regelmäßig der kulinarischen Seite seiner Mission und führte den Weganenern vor, wie sie auf ihren Herden die Vielfalt der Erdäpfel nutzen konnten. Mit Freude hatte er feststellen können, dass die um die zwei Meter großen hageren Geschöpfe mit der bleichen Haut und dem flaumdünnen Haar wahre Genießer waren: Was immer er aus den von der Erde mitgebrachten Kartoffeln zauberte – die dürren Riesen verputzten es. Sie waren so versessen auf Kartoffelspeisen, dass sie Bärbecker jeden Morgen von seiner Unterkunft am Schiff abholten und ihm die schweren Kartoffelstiegen ins Dorf trugen. Sechszehn, manchmal auch zwanzig Kilo Kartoffeln pro Mahlzeit verdrückte die knapp fünfzigköpfige Dorfgemeinschaft – als Beilage zu Fleisch, Fisch und Gemüse. Und was immer Bärbecker zubereitete, aßen die Weganener mit einem Ausdruck von Entzücken auf ihren bleichen Gesichtern restlos auf.
Das Einzige, woran sich Bärbecker nur mühsam gewöhnen konnte, war die Stille an der Tafel. Kein Ah! oder Oh! kam über die Lippen der Weganener, zumindest keines, das der Mensch hätte hören können. Natürlich gab es Übersetzungsgeräte, die die Ultraschalltöne der weganenischen Sprache erfassen, analysieren und ins Englische übersetzen konnten. Sie machten es allerdings so unzuverlässig, dass sie mehr Missverständnisse produzierten als vermieden. Ohnehin verfügten die Weganener über eine so sensible Wahrnehmungsfähigkeit, dass sie aus winzigen Gesten, der Mimik und dem wenigen, was sie von der menschlichen Sprache hörten, die offenbar immer richtigen Schlüsse zogen. Und irgendwie hatten sie auch geschafft, den ersten Menschen auf ihrem Planeten eines deutlich zu machen: Wir wollen Kartoffeln!
Alfons Bärbecker verstand dieses Ansinnen. Aus den vielen Kartoffelsorten, die er mitgebracht hatte, war eine lukullische Vielfalt erschaffbar, die jeden entzücken musste. Und da die Weganener an einer Laune der Natur leidend kein Getreide – weder roh noch gekocht noch gebacken – vertragen konnten, kam ihnen die Energie-Knolle gerade recht. Fast sah es so aus, als hätten die dürren Riesen während Bärbeckers Pommes-Marathon schon ein paar Gramm zugelegt, auf jeden Fall waren sie deutlich lebendiger geworden. Die Entdecker Weganens hatten seine Bewohner noch als phlegmatische und auf äußerste Energierationierung bedachte Wesen beschrieben, Bärbecker dagegen hatte seine Weganener, wie er sie gern nannte, in wilden Tänzen wirbeln sehen.
Morgen würde nun endlich der große Tag sein! Gerade zur rechten Zeit – die Kartoffelvorräte an Bord des Frachters schrumpften merklich – würde Bärbecker die ersten weganenischen Knollen ernten. Mit großen Gesten lud er seine Weganener an den kleinen Kartoffelacker ein. Das Laub der Pflanzen war welk zusammengesunken, die Knollen jedoch – Bärbecker hatte am Abend vorher heimlich eine Probe gemacht – waren groß, rund und prall.
Als sich alle achtundvierzig Dorfbewohner in einem dreireihigen Halbkreis um Bärbecker aufgebaut hatten, schritt dieser zur Tat: Er griff die nächstbeste Pflanze, zog ein wenig an ihr, rüttelte ein wenig an ihr und zog wieder und schaffte es tatsächlich, dass nichts abriss – jede einzelne Knolle dieser Kartoffelpflanze erblickte das Licht der Welt. Bärbecker schüttelte die Pflanze ein bisschen und locker krümelnd fiel die Erde von den Wurzeln, so dass man das Rot der jungen Kartoffeln vielfach hervorblitzen sah. Es war ein wunderbarer Anblick! Im Bewusstsein der Erhabenheit dieses Momentes drehte sich Alfons Bärbecker zu den Weganenern um und …
…erstarrte: Blankes Nichtverstehen schlug ihm entgegen. Nicht einmal das sonst übliche unverbindliche Lächeln war auf ihren Gesichtern. Vielleicht erkannten die Wegananer ja auch die Kartoffeln nicht richtig, also machte Bärbecker eine davon ab und befreite sie von der anhaftenden Erde. An einer Ecke der Zuschauerrunde kam Bewegung auf. Doch es war keine Freude, eher Besorgnis, die Bärbecker in den Gesten seiner Freunde sah.
Er musste wohl deutlicher werden: Er löste alle Kartoffeln von der Pflanze, sammelt sie in seinem Shirt, dass er vor den Bauch zum Beutel hochhielt, und ging damit zum Brunnen. Dort wusch er die Knollen, bis sie blank und appettitlich aussahen. Mit jeder Kartoffel, die er dieser Prozedur unterzog, stieg die Aufregung unter den Dorfbewohnern. Im Aufschauen glaubte Bärbecker sogar, wütende Gesichter zu erkennen, doch er ließ sich nicht beirren: Wenn er aus dieser Ernte erst einmal leckere Dämpfkartoffeln gezaubert hatte, würde er der Held des Dorfes sein. Ach was: Der Held des ganzen Planeten! Er würde…
Zu mehr kam Alfons Bärbecker nicht mehr: Ein Stein traf ihn am Kopf, Bärbecker verlor das Bewusstsein. Die Dorfbewohner schlugen – nur um sicherzugehen – noch einmal mit einem Holzscheit zu. Dann zerrten sie den Menschen vom Brunnen weg, vom Dorf weg, hin zu dem großen Kasten, mit der gekommen war, trugen ihn hinein. Dort ließen sie ihn einfach liegen, schlossen die Tür und verramelten sie mit einem Knüppel.
Dann gingen sie in ihr Dorf, sammelten alle Kochutensilien ein, die der Fremde benutzt hatte, und warfen sie in die Abfallgrube hinten am Waldrand. Als die grüne Sonne sich rot färbte, entzündeten sie ein Feuer, um das sie zu tanzen begannen. Sie sangen ein Vergebungsgebet an die Götter der Erde, sangen es wieder und wieder und hofften, die alles nährende Mutter würden ihnen irgendwann verzeihen, dass sie ihren Schoß entweiht und eine Frucht gegessen hatten, die die Erde noch nicht herzugeben bereit gewesen war.
Mal schnell – in knapp 90 Minuten – runtergeschrieben: Sozusagen als Beweis, dass die Schreibaufgabe lösbar ist…
28.4.: Die überarbeitete Version steht hier im Thread.
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