Ja, Melusine, wie recht du hast. Altvatrisches (bitte richtiges Deutsch: altväterisches) Pathos und im übrigen eine "Kommunistin und Marxistin" (Originalzitat), von der kommt sowieso nichts Gescheites. Erstens habe ich überhaupt nichts gegen das Altväterische, die großen Dichter der Vergangenheit haben mich an die Literatur herangeführt, und sie haben mich geprägt, und ich bin stolz darauf, dass sie es waren und nicht irgendein Hinz und Kunz der tristen Gegenwart, sonst würde ich nämlich so verkrumpt schreiben wie so manch einer hier und anderswo.
Zum Inhalt:
Dieses Gedicht ist verschlüsselt, das ist wahr, vielleicht zu sehr, als dass einfacher gestrickte Leute hinter den Sinn kommen können. Das habe ich bedacht (aber ich habe mir gesagt, ich bin unter der schreibenden Zunft). Aber ich denke, auch dem harthörigsten Nichtleser, zumal dann, wenn er selbst schreibt, müsste beim Lesen eine Erinnerung kommen: nämlich die an die Bücherverbrennung 1933. Und es gab eine zweite Bücherverbrennung, nämlich 1990, als die Verlage ihre Lager in die Müllcontainer entsorgten, beinahe noch schlimmer als das Original, denn wir im Osten wussten es besser, wir haben mit der Literatur gelebt, und von den Nazis konnte man sowieso nichts anderes erwarten. Und das in einem Land, das sich demokratisch nennt. Ich habe vergeblich auf den Aufschrei gewartet. Beides war barbarisch. Und was, das frage ich, haben wir dafür erhalten? Weitgehend mit Schund vollgestopfte Buchhandlungen, das ist die Antwort.
Ich halte nichts von plakativen Gedichten, in denen zum Beispiel das Wort Bücherverbrennung als Wort auftauchen würde oder gar die Jahreszahl, damit auch Lieschen Müller begreift, was gemeint ist. Ich zeige den Hergang in einer Metapher, denn egal, wann der Barbarismus geschieht, er bleibt barbarisch.
Und in Reminiszenz an beide Bücherverbrennungen habe ich dieses Gedicht geschrieben, und ich glaube auch nicht, dass es so unkünstlerisch ist, dass dir merkwürdige Gefühle kommen (ich spare mit das Lichtenbergsche Bonmot von dem Buch und dem Kopf), dazu bin ich einfach viel zu sehr mit der Lyrik in Kontakt. Das Gedicht ist ein Gleichnis, das ist wahr, und es fällt nicht jedem leicht, Gleichnisse auf Anhieb zu verstehen, zumal dann, wenn sie Bezug auf ein Ereignis der Vergangenheit nehmen, das man selbst, bewusst oder unbewusst, ausblendet. Womit ich die künstlerische Seite keinesfalls verteidigt haben will, das ist vielfach Geschmackssache - einer liebt Domin, ein anderer Schiller, verlangt aber, alle sollten so schreiben wie er selbst. Inhaltlich aber verlangt dieser Text geradezu eine Verteidigung gegen so viel Ignoranz. Es tut mir sehr leid, dass ich das dir (und auch Bonanza) sagen muss, ich setze bei Leuten, die selbst schreiben, einiges voraus, auch an politischer Bildung, das gehört zum Handwerk des Schreibens. Vielleicht zuviel, das ist wahr, denn so manch ein Blick in die Leselupe hat mich eines Besseren belehrt. Leider.
Hanna