23.03.2005
Kindheitsträume
So oft es ging, fuhren wir in den 50-ziger Jahren mit dem Omnibus zu meiner Tante Ruth und Onkel Heinz auf`s Dorf. Wir wohnten damals in einer schlichten Stadtwohnung, wenige km entfernt.
Immer lag so eine gewisse Spannung in und um dieses Haus.
Onkel Heinz war Zahnarzt und seine Praxis war im gesamten Erdgeschoß des Hauses eingerichtet. Es roch immer nach Arzt und Äther, so geheimnisvoll. Ein wenig lieblichere Düfte kamen aus dem Labor, es war wohl das geschmolzene Wachs. Und man konnte es sich so gut vorstellen, wie Herr Albrecht dieses in der züngelnden Flamme seines Bunsenbrenners formte.
Ganz oben unter dem Dach wohnten unsere Großeltern. Das war für mich jedoch weniger spannend.
Wenn meine Tante und mein Onkel sich des Morgens die weißen Kittel überstreiften, wusste ich, jetzt wird es wieder spannend im Haus. Jetzt werden aus Privatpersonen Geschäftsleute, und dies alles, ohne das Haus zu verlassen und sich Brote mit nehmen zu müssen !
Also versuchten wir Kinder auszuhandeln, dass wir den Vormittag im Garten hinter dem Haus verbringen durften.
Wir schlichen also vom Dachgeschoß ins Erdgeschoß, damit niemand gestört wurde. Das war ja schon ein Erlebnis ! Und wenn dann im Parterre etwa noch die Türe vom Sprechzimmer einen Spalt offen stand, war ich ganz glücklich. Ich konnte einen Blick dort rein, in die heiligen Hallen, erhaschen, eventuell klirrende Werkzeuge sehen oder gar einen Patienten auf dem Stuhl erblicken, oder gar den freundlichen Blick meiner Tante erhaschen.
Am Wartezimmer ging ich dann schneller vorbei, denn kam zufällig ein Patient heraus, musste ich höflich grüßen und einen Knicks machen. Das fand ich gar nicht so toll. Was hatte ich denn mit denen zu tun?
Endlich im Garten angelangt, war erst einmal alles Aufregende um die Praxis vergessen.
Hier wurden die Kirschbäume geplündert und die Kerne hinter die Sträucher gespukt. Die Erwachsenen sagten uns nämlich immer, dann wachsen dort neue Kirschbäume.
Ich habe in späteren Jahren nie einen Kirschbaum oder einen Sprössling dort entdecken können. Hatten wir nicht gut genug gespuckt ?
Als ich dann später in der Hängematte lag und sachte hin und her schaukelte, die Wolken vorbei fliegen sah, dachte ich immer, wenn ich einmal groß bin, möchte ich auch einen Zahnarzt heiraten und Beruf und Privatleben so ganz eng verbunden haben, alles unter einem Dach.
Einen Zahnarzt habe ich nicht geheiratet. Einen Mann habe ich gefunden, mit dem ich Privates und Geschäftliches ganz eng miteinander verbunden habe. Dieser Traum war in Erfüllung gegangen.
Doch eines Tages war das Privatleben kaputt. Das Geschäftsleben hatte die Macht übernommen und das Privatleben aufgefressen.
Nun war auch dieser Traum kein erstrebenswertes Ziel mehr für mich. Die Realität hatte diese Träume und Wünsche besiegt.
Kirschkerne wollte ich auch nicht mehr spucken. Jetzt war ich wieder ein Stückchen mehr erwachsen geworden.
Brigitte R.
Kindheitsträume
So oft es ging, fuhren wir in den 50-ziger Jahren mit dem Omnibus zu meiner Tante Ruth und Onkel Heinz auf`s Dorf. Wir wohnten damals in einer schlichten Stadtwohnung, wenige km entfernt.
Immer lag so eine gewisse Spannung in und um dieses Haus.
Onkel Heinz war Zahnarzt und seine Praxis war im gesamten Erdgeschoß des Hauses eingerichtet. Es roch immer nach Arzt und Äther, so geheimnisvoll. Ein wenig lieblichere Düfte kamen aus dem Labor, es war wohl das geschmolzene Wachs. Und man konnte es sich so gut vorstellen, wie Herr Albrecht dieses in der züngelnden Flamme seines Bunsenbrenners formte.
Ganz oben unter dem Dach wohnten unsere Großeltern. Das war für mich jedoch weniger spannend.
Wenn meine Tante und mein Onkel sich des Morgens die weißen Kittel überstreiften, wusste ich, jetzt wird es wieder spannend im Haus. Jetzt werden aus Privatpersonen Geschäftsleute, und dies alles, ohne das Haus zu verlassen und sich Brote mit nehmen zu müssen !
Also versuchten wir Kinder auszuhandeln, dass wir den Vormittag im Garten hinter dem Haus verbringen durften.
Wir schlichen also vom Dachgeschoß ins Erdgeschoß, damit niemand gestört wurde. Das war ja schon ein Erlebnis ! Und wenn dann im Parterre etwa noch die Türe vom Sprechzimmer einen Spalt offen stand, war ich ganz glücklich. Ich konnte einen Blick dort rein, in die heiligen Hallen, erhaschen, eventuell klirrende Werkzeuge sehen oder gar einen Patienten auf dem Stuhl erblicken, oder gar den freundlichen Blick meiner Tante erhaschen.
Am Wartezimmer ging ich dann schneller vorbei, denn kam zufällig ein Patient heraus, musste ich höflich grüßen und einen Knicks machen. Das fand ich gar nicht so toll. Was hatte ich denn mit denen zu tun?
Endlich im Garten angelangt, war erst einmal alles Aufregende um die Praxis vergessen.
Hier wurden die Kirschbäume geplündert und die Kerne hinter die Sträucher gespukt. Die Erwachsenen sagten uns nämlich immer, dann wachsen dort neue Kirschbäume.
Ich habe in späteren Jahren nie einen Kirschbaum oder einen Sprössling dort entdecken können. Hatten wir nicht gut genug gespuckt ?
Als ich dann später in der Hängematte lag und sachte hin und her schaukelte, die Wolken vorbei fliegen sah, dachte ich immer, wenn ich einmal groß bin, möchte ich auch einen Zahnarzt heiraten und Beruf und Privatleben so ganz eng verbunden haben, alles unter einem Dach.
Einen Zahnarzt habe ich nicht geheiratet. Einen Mann habe ich gefunden, mit dem ich Privates und Geschäftliches ganz eng miteinander verbunden habe. Dieser Traum war in Erfüllung gegangen.
Doch eines Tages war das Privatleben kaputt. Das Geschäftsleben hatte die Macht übernommen und das Privatleben aufgefressen.
Nun war auch dieser Traum kein erstrebenswertes Ziel mehr für mich. Die Realität hatte diese Träume und Wünsche besiegt.
Kirschkerne wollte ich auch nicht mehr spucken. Jetzt war ich wieder ein Stückchen mehr erwachsen geworden.
Brigitte R.