Kleine Wortfelduntersuchung (gelöscht)

Udogi-Sela

Mitglied
Was mich an (deutscher) Sprache fasziniert, ist, dass man in einen Satz mit einem bestimmten Sinn die unterschiedlichsten Bedeutungen legen kann. Wenn verschiedene Menschen das gleiche sagen wollen, drücken sie sich doch unterschiedlich aus.
Das wird es auch sein was Du versuchst hier darzulegen, aber um ehrlich zu sein, ich verstehe Dein Gedicht nicht. Ich bin sicher, anderen Lesern geht es ebenso.
Die Reduzierung (welche denn?) kommt nicht „rüber“. Zumindest bei mir nicht. Bleibt alles im vagen. (Nicht im Wagen oder GEFÄHRT)
Ich könnte Deine Zeilen nicht in einen für mich verständlichen Sinn übersetzen, weil ich nicht weiß, was Du in den jeweiligen Strophen gemeint hast.

Herzlichst
Udo
 

Herr Müller

Mitglied
Lieber Udo

ich bin mir sicher presque_rien lacht sich ins Fäustchen. Ich habe gegoogelt und diese verdammte Wort "Wortfelduntersuchung" nicht in ein mir verständliches Wort übersetzen können. Vielleicht kann uns presque_rien ja ein wenig helfen?

Herr Müller
 

presque_rien

Mitglied
Hallo Udo, hallo Herr Müller,

ins Fäustchen lache ich mir nicht - bin eher ziemlich verwirrt, weil ich selbst mein Gedicht für total klar hielt ;-). Gut, dass ihr mir die Augen öffnet - vielleicht könnt ihr mir ja helfen, auszudrücken, was ich wollte?

Also, ein (semantisches) Wortfeld ist ein "thematisches Gebiet" einer Sprache, und diese Felder zu untersuchen ist eine der unterschiedlichen Arten, linguistisch an eine Sprache heranzutreten. Ich habe hier das Wortfeld "Bezeichnungen für Leute, zu denen man in einer (mehr oder minder) nahen Beziehung steht" gewählt. Zu diesem Wortfeld gehören Begriffe wie Kollege, Freund, Mann/Frau, Geliebte(r) und Lebensabschnittsgefährte. Und ich wollte eben zeigen, dass rein sprachlich Beziehungen - meiner Ansicht nach - im Deutschen heruntergesetzt werden.

Z.B. Mein Bruder: In seinem (Schul-)Alter kann er noch keine "Kollegen" haben. Im Schulalter sollte man "Freunde" haben. Ein Freund bezeichnet einen Menschen, der einem näher steht, als ein Kollege. Dieses letztere Wort hat sich aber durchgesetzt - um die Distanz bloß zu wahren (was ich furchtbar finde)! Die Geschichte ist sogar wirklich wahr - mein Bruder hat früher z.B. "mein Freund" gesagt - und wurde dann (mit 11-12!) gefragt, ob er schwul sei. Seit dem gibt es nur noch "Kollegen".

Genauso absurd ist der Begriff "Freund" für den Geliebten. Der Geliebte sollte natürlich auch ein Freund sein - aber noch eine Ecke mehr! Der Aspekt der Liebe und Sexualität wird sprachlich untern Tisch gekehrt - so bleibt alles schön ordentlich sauber und unanstößig. Statt dessen dieses furchtbare durcheinander mit "bester Freund", "fester Freund", "guter Freund". Man kann nicht unbefangen "Freund" sagen, weil dann natürlich der "feste" vom Gesprächspartner ergänzt wird - spricht man nicht vom Geliebten, so muss man auf Hilfsbegriffe wie "guter Freund" oder "ein Freund von mir" ausweichen - als ob ein Freund nicht grundsätzlich gut wäre! So wird nicht nur die Liebe, sondern auch die Freundschaft reduziert!

Noch absurder ist, dass einer der wenigen Beziehungsbegriffe, der wirklich das Wort "Liebe" in sich trägt, "Geliebte(r)" (oder auch "Liebhaber(in)"), die Implikation von Affäre und Betrug am Ehegatten in sich trägt. Die Begriffe für die Ehepartner sind dagegen blass und nichtssagend - weil sie (d.h., die Wörter "Mann" und "Frau"), ebenso wie "Freund", schon durch eine viel allgemeinere Bedeutung besetzt sind. Natürlich kann man den Mann zur klarheit zum "Ehemann" ergänzen - aber das ist eine unbefriedigende Lösung, ähnlich wie der "gute Freund".

Und das Wort, was mich wirklich vom Hocker haut - der "Lebensabschnittsgefährte" - nun ja, da fehlen mir eigentlich die Worte ;-). Aber ein Liebesgedicht ist damit eindeutig nicht zu bewerkstelligenn!

So, das war es so ungefähr, was ich zeigen wollte. Was könnte ich denn ändern, damit es rüberkommt? (Ich glaube, die erste Strophe ist ziemlich mies, oder?)

Liebe Grüße,
presque_rien
 

Udogi-Sela

Mitglied
Zu verwirrend

Hallo presque_rien, ich fang mal mit dem Schluss Deines Kommentars an :
(Ich glaube, die erste Strophe ist ziemlich mies, oder?)

Mit diesem Satz putzt Du Dich selbst runter. Nein, die erste und alle folgenden Strophen sind nicht mies, mir gefallen Anordnung der Reimpaare und Rhythmus.

Das Problem ist , dass der Sinn, den Du in Prosa gut und verständlich erklärt hast, in gereimter Form, auch nach Deiner Erklärung, einfach nicht verständlich ist. Das Gedicht müsste meiner Meinung nach komplett neu geschrieben werden.
Denn die Idee, diese „Begriffsabstufungen oder –reduzierungen“ mal ironisch in gereimter Form darzustellen, finde ich gut.

Aber vielleicht habe ich ja ein Brett vorm Kopf, und andere, mal von Herrn Müller abgesehn, verstehen das alles so, wie Du es gemeint hast.

Als Beispiel:

Dann, schließlich, scheint das Monopol verjährt
der blinden Oma über ihre Schere.
Durch was humanes Lyrikmetrum wäre
kriecht fieser LEBENSABSCHNITTS(Wurm!)GEFÄHRT’,
der uns, unfehlbar machend, einverleibt.
Was bedeutet „Das Monopol (?) der blinden (?) Oma über ihre Schere (?) scheint (?) verjährt (?)“
Und „kriecht ein Lebensabschnittsgefährt durch das hindurch, was humanes (?) Lyrikmetrum wäre (?), wobei sich dieses Lebensabschnittsgefährt uns einverleibt?“

Zu verwirrend

findet
Udo
 

Dorothea

Mitglied
Gegen das Verderben der Wörter!

Hallo presque_rien,

auch ich habe enorme Probleme mit Deinem Text, aber nach dem Lesen Deiner Erläuterungen finde ich das Anliegen als enorm wichtig! Gib ihn also bitte nicht auf, Deinen Text!
Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie teilweise "verlogen" unser Sprachgebrauch ist. Auf einer Pfarrwallfahrt musste ich z.B. einmal öffentlich einfordern, dass einige anwesende Frauen "Geliebte" sagen, wenn sie Geliebte meinen, und nicht scheinheilig beständig von der "Freundin" des Herrn X reden!

Liebe Grüße.
 

presque_rien

Mitglied
Lieber Udo, lieber Dorothea,

ich hoffe, ich finde bald die Zeit, mich an den Text nochmal dranzusetzen :) - da muss echt noch einiges gemacht werden, das sehe ich jetzt... ich hoffe nur es klappt - klar zu schreiben war noch nie meine Stärke ;-).

Danke für eure Kommentare!
LG,

presque_rien
 



 
Oben Unten