Hallo lb. Julia,
Du weißt, wie sehr ich Deine Meinung schätze. Daher habe ich mir etwas Zeit genommen, darauf zu antworten.
(1) Andre groß oder klein
Das mache ich immer wieder falsch, weil es aus der Systematik, der Logik, fällt. Ich habe es oben "gefixt", wie der Computerer in mir das so gerne neudeutsch nennt.
(2) (Un-)regelmäßige Zäsur
Das sollte ein reiner fünfhebiger Jambus werden, mit männlichen und weiblichen Kadenzen. Also genau nach Rezept bzw. Formvorgabe. Ich habe wirklich in der ersten Strophe falsch gezählt. Asche auf mein Haupt.
Hier mein Silbenbild mit der Korrektur:
Man braucht zumeist ein ganzes Leben lang,
xXxXxXxXxX
Um sich und andre endlich zu durchschauen.
xXxXxXxXxXx
Man hat sich schnell die Nase angehauen.
xXxXxXxXxXx
Das Wort „Enttäuschung“ hat dann guten Klang.
xXxXxXxXxX
Man könnte früher auf Erkenntnis bauen:
xXxXxXxXxXx
Erfahrung kommt frei Haus und ohne Zwang.
xXxXxXxXxX
Wer jung ist, handelt oft im Überschwang:
xXxXxXxXxX
Die Dummen üben selbst. Jedoch die Schlauen,
xXxXxXxXxXx
Sie hören früh schon zu, wenn man erzählt.
xXxXxXxXxX
Gelegentlich ist’s klug, still zuzuhören,
xXxXxXxXxXx
Auch wenn das langweilt, ärgert, pfupfert, quält.
xXxXxXxXxX
Wer vorschnell ist, kann sich soviel zerstören:
xXxXxXxXxXx
Auch wenn der harte Kampf den Sieger stählt,
xXxXxXxXxX
Den Klugen würde die Vernunft betören.
xXxXxXxXxXx
Die beiden Silbenpaare habe ich entfernt. Danke für diesen Hinweis. Es ist eben doch wichtig, seine Gedichte aufmerksamen Lesern "vorzuwerfen". Mancher Schnitzer wird so aufgedeckt und läßt sich häufig rasche beheben.
(3) Inhalt
In der Tat kann der Titel mit einem Fragezeichen gelesen werden, soll er auch, ehrlich gesagt. Allerdings war ich der Ansicht, man müsse sich dieses Fragezeichen sparen können, da der Text selbst selten behauptet, meistens eher nahelegt.
Das LyrIch ist selbst Leidtragender abweichenden Handelns gewesen; es weiß im Grunde, daß das Rezept des Zuhörens meist etwas für den zweiten Versuch ist. Erst macht man es selbst so, wie man sich das in seinem oft dummen Kopf dachte; wenn man nicht auf den Kopf gefallen ist, zieht man beim zweiten Versuch die Empfehlungen zurate, die einem gegeben wurden.
Dennoch ist es nicht weniger wahr, daß manches in der Rückschau vermeidbar gewesen wäre, hätte man die Hörrohre offen gehabt (und nicht auf Durchzug gestellt). Es gibt das eine oder andere, das unwiederbringlich daneben geht. Wenn man ein paar Lebensjahrzehnte hinter sich hat, weiß man das. Daher ist der Kluge auch meist selbst erst hinterher klug, und das ist eindeutig der einfachere Teil der Klugheit.
Das Sonett ist ein Lehrgedicht, das gerne zur Vermittlung unangenehmer Wahrheiten verwandt wird. Vielleicht seien wir einen Augenblick einmal so gnädig und nehmen die Aussage als das hin, was sie ist: Eine Erkenntnis, die richtig ist und dennoch wenig nützt, weil man sie wohl doch häufig selbst machen muß.
Und so gesehen paßt dann auch der Titel: Klugheit langweilt, vor allem wenn sie Altklugheit heißt. Womit ich sagen will: Man sollte dem W. mehr (Selbst-)Ironie zutrauen. Es würde nicht schaden.
Lieber Gruß W.