Knüppel aus dem Sack

Knüppel aus dem Sack

Als die Brüder Grimm in den Himmel kamen, freuten sich die Engel, denn sie ließen sich gern Märchen erzählen. Aber die Brüder brachten nicht nur Märchen mit. Auch ein paar Utensilien, z.B. das ’Tischlein-deck-dich’ und den ’Knüppel im Sack’, führten sie im Gepäck. Doch dafür fand man im Himmel keine Verwendung. So verstaubten sie in Petrus’ Rumpelkammer. Der ’Goldesel’, der den Brüdern heimlich gefolgt war, langweilte sich auf der Himmelswiese, denn im Himmel spielte Gold keine Rolle.

Der liebe Gott hatte schlecht geschlafen: Er musste sich wieder mal über die Menschen auf der Erde ärgern, die mit ihrem Hauptproblem, der Ungerechtigkeit, nicht fertig wurden.
Es war wohl wieder mal Zeit zum Eingreifen.
Er erinnerte sich kaum noch an sein letztes Strafgericht. Den Ägyptern schickte er einst die 10 Plagen, weil sie das Volk der Israeliten geknechtet und unterdrückt hatten.
Inzwischen waren die Menschen zwar viel klüger geworden, und sie hatten ihm, dem lieben Gott, ein Geheimnis nach dem andern entlockt, nur besser geworden waren die Erdenbürger nicht. Es gab noch viel mehr Ausbeuter und Menschenschinder als früher. Ein gewisser Karl Marx, der es sicher gut meinte, hatte durchaus Erfolg versprechende Ideen zur Unrechtsbeseitigung, aber Fanatiker spannten den guten Karl vor ihren Karren und missbrauchten ihn für ihre Zwecke.
Dann war der Sozialismus gescheitert, und die Kapitalisten bekamen überall wieder Oberwasser. Die Staatenlenker bemühten sich zwar, Gerechtigkeitslücken durch Gesetze zu beheben, doch erzeugten sie nur immer mehr Bürokratie, ohne den Armen wirklich zu helfen. .

Im Grunde war dem lieben Gott Gewalt höchst zuwider, aber ohne Gewalt war dem Problem wohl nicht mehr beizukommen.
Freilich musste er mit Augenmaß vorgehen, denn nicht alle Manager waren Lumpen. Besonders erbittert war der liebe Gott über korrupte Politiker und Gewerkschaftsfunktionäre, die mit den Ausbeutern gemeinsame Sache machten. Fast noch verwerflicher waren die Vorstände von Hilfsorganisationen, die Spendengelder für Bedürftige unterschlugen.
Dem konnte der liebe Gott nicht länger zusehen, jetzt galt es zu handeln. Aber wie? Er erinnerte sich an die Schätze in Petrus’ Rumpelkammer.
Knüppel aus dem Sack! - das war die Lösung. So fuhr der liebe Gott eines Nachts auf die Erde hinab, ließ den Knüppel tanzen und prügelte die raffgierigen Verbrecher samt ihren Weibern aus den Betten. Es war ein einziges Heulen und Zähneklappern. Auch der Goldesel blieb nicht untätig. Er vergaß seine guten Manieren und setzte den durchgebläuten Herrschaften höchst Anrüchiges in die gute Stube.

Aber wo der Knüppel war, war das Tischlein-deck-dich nicht weit.
Als die Armen und Geknechteten am folgenden Morgen erwachten, staunten sie mächtig, als sie einen reich gedeckten Frühstückstisch vorfanden, der sich auf Bestellung wieder neu eindeckte. So konnte sich jeder richtig satt essen. Und der Goldesel machte seinem Namen wieder Ehre und bescherte jedem Bedürftigen einen Batzen Gold.
Auch so mancher Unternehmer, der sich mutig gegen gewissenlose Klassengenossen gestellt hatte, erhielt eine Belohnung. Denen hinterließ der Esel eine anständige Investitionshilfe, damit sie sich besser gegen die unersättlichen Konzernherren behaupten konnten.

Und der liebe Gott schwor sich, dass er nicht wieder Tausende von Jahren vergehen lassen würde, um auf der Erde nach dem Rechten zu sehen. Und er würde immer einen Knüppel bei sich tragen.
 



 
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