Krümel
Und wieder war mir ein Kind geboren! Das dritte. Aber so was von einem süßen kleinen Bengel! Ich konnte mich kaum satt sehen. Er war perfekt, absolut. Nach einer fast schmerzfreien Geburt mit wenigen, aber kräftigen Wehen hielt ich ein Knäblein im Arm, das entzückendste, was ich je sah. Gegen ihn waren alle anderen . . . na ja, nicht unbedingt hässlich, aber so gut wie.
Wie sollte ich nur seinen Geschwistern gegenüber verheimlichen, wie verknallt ich in das neue Baby war? Ich durfte ihn in keinster Weise bevorzugen, das würde die zwei anderen neidisch machen. Neid ist eine Todsünde, das will ich in meiner Familie nicht haben. Ich hielt mich also stark zurück und stellte mich gleichgültig, wenn wir alle zusammen waren.
Aber das Söhnlein machte mir das gleichgültig sein sehr schwer. Er wurde nahezu von Tag zu Tag hübscher, war das artigste, vernünftigste und ruhigste Kind, das man sich denken konnte. Er besah sich zum Beispiel stundenlang seine Hand, die er in der Luft hin und herdrehte und wendete. Ich glaubte schon, der Bengel sei blöd.
In allen Kindereinrichtungen war er der Liebling des Personals. Eine Krippenerzieherin sagte sogar: „Wenn alle so wären, würde ich ohne Bezahlung arbeiten.“ Als ich einmal mit ihm zum Arzt musste, platzte die Sprechstundenhilfe heraus: „Das ist aber mal ein hübsches Kind!“
Ich gewöhnte mir an, den nur um siebzehn Monate älteren Sohn in der Obhut der großen Schwester zu lassen, wenn ich mit dem Lütten irgendwohin musste, damit er nicht zu hören bekam, wie sein Bruder gelobt wird für das, was ihm von Gott gegeben ward.
Für die älteren Geschwister hatte ich natürlich längst liebevolle Koseworte ausgewählt. Da der Jüngste schon so viele Vorzüge besaß, durfte das Kosewort für ihn nicht auch noch großartig sein. So kam er zu der eigentlich abwertenden Bezeichnung „Krümel“. Seine große Schwester nennt ihn manchmal heute noch so.
Mai 2003
Und wieder war mir ein Kind geboren! Das dritte. Aber so was von einem süßen kleinen Bengel! Ich konnte mich kaum satt sehen. Er war perfekt, absolut. Nach einer fast schmerzfreien Geburt mit wenigen, aber kräftigen Wehen hielt ich ein Knäblein im Arm, das entzückendste, was ich je sah. Gegen ihn waren alle anderen . . . na ja, nicht unbedingt hässlich, aber so gut wie.
Wie sollte ich nur seinen Geschwistern gegenüber verheimlichen, wie verknallt ich in das neue Baby war? Ich durfte ihn in keinster Weise bevorzugen, das würde die zwei anderen neidisch machen. Neid ist eine Todsünde, das will ich in meiner Familie nicht haben. Ich hielt mich also stark zurück und stellte mich gleichgültig, wenn wir alle zusammen waren.
Aber das Söhnlein machte mir das gleichgültig sein sehr schwer. Er wurde nahezu von Tag zu Tag hübscher, war das artigste, vernünftigste und ruhigste Kind, das man sich denken konnte. Er besah sich zum Beispiel stundenlang seine Hand, die er in der Luft hin und herdrehte und wendete. Ich glaubte schon, der Bengel sei blöd.
In allen Kindereinrichtungen war er der Liebling des Personals. Eine Krippenerzieherin sagte sogar: „Wenn alle so wären, würde ich ohne Bezahlung arbeiten.“ Als ich einmal mit ihm zum Arzt musste, platzte die Sprechstundenhilfe heraus: „Das ist aber mal ein hübsches Kind!“
Ich gewöhnte mir an, den nur um siebzehn Monate älteren Sohn in der Obhut der großen Schwester zu lassen, wenn ich mit dem Lütten irgendwohin musste, damit er nicht zu hören bekam, wie sein Bruder gelobt wird für das, was ihm von Gott gegeben ward.
Für die älteren Geschwister hatte ich natürlich längst liebevolle Koseworte ausgewählt. Da der Jüngste schon so viele Vorzüge besaß, durfte das Kosewort für ihn nicht auch noch großartig sein. So kam er zu der eigentlich abwertenden Bezeichnung „Krümel“. Seine große Schwester nennt ihn manchmal heute noch so.
Mai 2003