Liebe Birgit,
du schreibst – und ich lese, in Teilbereichen – mich.
Noch bis vor einigen Jahren habe ich mir nie Gedanken über den Begriff „Perfektion“ gemacht. Dann habe ich sie – fast bis zur „Selbstaufgabe“ – gelebt.
Leider fällt einem meist selbst kaum auf, wie man so ist. Was einem auffällt, man ist sich irgendwie fremd, wenn man sich einmal die Zeit nimmt, sich zu beobachten, was man so „treibt“ im Alltag (nämlich nichts Wesentliches, außer auf der Stelle zu treten und Perfektion zu üben!), dann merkt man, wie fremd einem Diejenige vorkommt, die man da beobachtet.
Knackpunkt war dann der Lebensgefährte einer Freundin, der mich zum ersten Mal kennen gelernt hatte. Meine Freundin (eine ehemalige Kollegin) sagte mir, dass er verstehen könne, was sie an mich bindet – Ausstrahlung eines Herzmenschen. Allerdings – so die Erweiterung, die mich im Gleichzug rührte wie erschreckte – war die Aussage, ich wirke so „perfekt“, dass es ihm als Mann fast angst und bange würde, ob ich keine Fehler hätte. Spätestens nach diesem Gespräch bin ich mal in mich gegangen und habe entdeckt, wie krampfhaft ich bemüht war, alles vor der Außenwelt zu verbergen – außer dem zwischenmenschlichen Gefühl, dass ich noch nie habe blockieren können oder wollen. Alles andere mußte stimmen – von Sauberkeit bis zum ersten/zweiten/dritten Eindruck im Ambiente, dem Beruf, den Nebeninteressen, mir selbst – das Innere habe ich damit übertüncht, scheinbar aber mit Patina, denn langsam kam mein Ich wieder vor.
Etwas dauerte es noch. Dann kam eine ganz bestimmte Situation, die ALLES Bisherige in Frage stellen sollte und ich stellte mir „entscheidende“ Fragen. Entsprechend ungeübt bin ich damit auch umgegangen – blieb mir aber selbst treu, hab mich nicht belogen, was wohl im Nachhinein gesehen das Wichtigste ist. So will ich diesen Weg auch weiter gehen, der Konsequenzen hat. Ehrlichkeit oder Lügen haben immer Konsequenzen, und mir ist der „gerade Weg“ der liebste, es ist meiner!
Was du über das „Kunstverständnis“ und den „Italiener“ schreibst, kann ich gut nachvollziehen. Manches ist so abgedreht, dass man sich im Gleichzug fragt, in welchem Film man eigentlich gelandet ist. Interessant ist alles und auch ich mag diese Ausflüge in bestimmte Bereiche, selbst, einmal zu sehen, was sich die selbst zum „geschätzten Kreis“ erhobene Gesellschaft so zu sagen hat. Innerlich augenzwinkernd mische ich mich dann unter das Volk und bin – zuhause angekommen – immer froh, festzustellen, dass der ganze Schein nur Schein ist und man im Sein – in sich und seiner Welt – zufrieden ist und bleiben will, so wie man ist. Pur!
Ganz liebe Grüße,
deine Feder