Lasst de Hosen runter

Lasst die Hosen runter
oder
Lessing wird aufgeklärt​

Schwank in 3 Akten (eine Produktion für das Nachtprogramm bei SAT1)

Personen: G.E.Lessing (bezopft und geflügelt), Elvira (brünettes Rasseweib, ein Multitalent), 3 Skatbrüder (A,B,C); J.W.v.Goethe und ein gewisser Kurt bleiben im Hintergrund.


(Vor geschlossenem Vorhang):​

Aus dem Theaterhimmel gleitet eine schmucke Gondel, mit Lessing an Bord, herab und landet direkt neben einer am rechten Bühnenrand befindlichen kleinen Bank. Nachdem Lessing dort Platz genommen hat, entschwebt die Gondel auf Nimmerwiedersehen.

1.Akt

Lessing: Habe nun ach, wie mein Mitengel Johann Wolfgang, alles Mögliche studiert. Aber wie es heutzutage auf deutschen Bühnen zugeht, habe ich nur den Berichten von Neuankömmlingen entnommen, die täglich bei Petrus Einlass begehren.
Man hört ja entsetzliche Dinge. Ich glaub’s nicht, ich glaube es einfach nicht. Jetzt will ich alles wissen.

(Der Vorhang öffnet sich kurz und gibt den Blick frei auf den Ort der Handlung – das „Örtchen“, wo Elvira Platz genommen hat. Lessing schlägt sich voller Abscheu die Hand vor die Stirn. Elvira erhebt sich nach knapp angedeuteter Reinigungsprozedur und versucht vergeblich, den Spülkasten zu betätigen).

Elvira: Verdammte Sch ….!

(Vorhang fällt.)​

Lessing (vor dem Vorhang, außer sich vor Erregung): Das Theater ist eine moralische Anstalt und keinesfalls eine Bedürfnisanstalt! Der auf seine funktionalen Lebensäußerungen reduzierte Mensch gehört nicht auf die Bühne, sintemalen (Lessing schnappt nach Luft), sintemalen man daraus nichts, aber auch rein gar nichts lernen kann).

(Der Vorhang öffnet sich; Elvira mit einem riesigen „Klempnerladen“ bewaffnet, bemüht sich, den Spülkasten wieder betriebsfähig zu machen).

Lessing (zum Publikum): Weibsleut‘ und Technik! Wo gab’s denn sowas zu meiner Zeit!

(Lessing zeigt dennoch offensichtliches Interesse am Reparaturverlauf, schüttelt aber zwischendurch heftig den Kopf. Nach diversen und im Freistil vorgetragenen Schimpftiraden kann Elvira ihre Bemühungen abschließen. Sie betätigt ein x-tes Mal den Hebel, es rauscht, und nun noch ein Griff zur Bürste ….)

Elvira: Geschafft!!

- Reklame-Einlage -​

2.Akt

(In einer heruntergekommenen Vorstadtkneipe sind die Skatbrüder versammelt; Zwei Tische sind unbesetzt; Lessing sitzt wieder auf seiner abseitigen Bank und harrt der Dinge, die da kommen sollen.)

A: Scheißblatt!
B: 18
C: 20
A: 22
B: 24

(Lessing macht aus lauter Neugierde „einen langen Hals“.
C (nach längerem Überlegen): passe
A: Grand Hand! Wer bietet mehr?

(A wirft Lessing einen provozierenden Blick zu, der daraufhin wegsieht).

B(zu A): Deine Scheißblätter kennen wir zur Genüge, alter Gauner!
A (spielt aus): Die Karo-Zehn gönne ich euch!

(Sie wird von den Mitspielern kassiert, und dann bestimmt A endgültig das Geschehen.)

A (brüllt): So, nun lasst mal die Hosen runter!
Lessing (entsetzt zum Publikum); Nein, doch nicht schon wieder!

(Das Schicksal nimmt seinen Lauf; A kassiert einen Stich nach dem anderen)

A: So, nun seid ihr blank, nackt, und bloß wie eine entblätterte Jungfrau!
Lessing(dümmlich): Ach so, so war das gemeint. Da hab ich ja doch was dazu gelernt. Trotzdem – mir ist das hier alles sehr zuwider.

Elvira erscheint mit Bierkrügen und setzt sie bei den Skatbrüdern ab.

Elvira (mit Blick zu Lessings Bank): Sagt mal, ihr Strategen, wo habt ihr denn den aufgelesen?

B.: Ach, das ist irgend so ein armer Irrer!

Elvira: Na, den seh‘ ich mir bald genauer an! (und nach einer Gedankenpause zu B.): Bernhard, du bist doch nicht etwa eifersüchtig auf diese Figur? Du hast wirklich keinen Grund!
(Elvira setzt sich zu B auf den Schoß; B fasst ihr unter den Rock und öffnet ihre Bluse.)

A: Ich denke, wir spielen Skat?
C(schmierig grinsend): Na und? Bube spielt mit Dame. Das siehst du doch!

(B und Elvira sind sehr miteinander beschäftigt und verlieren schließlich alle Hemmungen.)
Lessing (nachdem er die erotischen Vorführungen mit missbilligendem Kopfschütteln quittiert hat): Unglaublich! Einfach unglaublich!

A: Ich verschwinde und geh‘ erst mal telefonieren.

C: Ich geh‘ mal einen Moment an die frische Luft, damit die beiden ihr Petting hinter sich bringen.

- Vorhang fällt -​

Lessing (aufgebrachter Monolog): Pfui Teufel! Was hat sich bloß der Autor dieses Machwerks gedacht!! An seinen Profit hat er gedacht! Dafür ist ihm jedes Zugeständnis an den Ungeist der Zeit recht, und das ist ganz im Sinne des Produzenten, wenn die Akteure ihrer Lüsternheit freien Lauf lassen. Dafür wird der Sex sogar an den Haaren herbeigezogen.
Pfui Teufel! – und noch kein Ende!

- Reklame-Einlage –​


3. Akt

(Schlafzimmer mit Lotterbett, daneben Nachttisch mit Lampe und Telefon; Elvira sitzt ohne Oberbekleidung aber angetan mit Dekor-Strumpfhosen und Mini-BH auf der Bettkante; Lessing ist weiterhin Zuschauer auf seiner Bank.)

Elvira: Wo bleibt der Kerl nur, um 20 15 Uhr wollte er spätestens hier sein. Er hat’s wohl wieder nicht geschafft, seine Alte abzuschütteln.

(das Telefon läutet)

Kurt: Es tut mir wahnsinnig leid …

Elvira: Ja, mir ist schon alles klar. Du bist und bleibst ein Schlappschwanz, Kurt!

Elvira (verbittert und laut werdend ins Publikum): Ich zahle es Dir heim, Kurt!
(sie knallt den Hörer auf.)

(das Telefon läutet; Elvira würde am liebsten gar nicht abheben, tut es aber doch.)

Elvira: Wer ist dort bitte? Johann Wolfgang?

(Elvira wendet sich vom Hörer ab und winkt Lessing von seiner Bank herbei, der nur zögernd und misstrauisch näherkommt. Sie übergibt ihm den Hörer).

Lessing: Ja, Johann Wolfgang? Wie es mir so bei Erdenbürgers gefällt? Das ist wieder eine deiner genialen Formulierungen! Du hast wohl schon geahnt, was mich hier erwartet. Auerbachs Keller? Hexensabbat? Viel schlimmer, viel schlimmer! Sodom und Gomorrha!!
Frivolitäten, Frivolitäten und kein Ende! Deutschland hat jetzt das Theater, das es verdient.

(Elvira stellt sich hinter Lessing, - der vollkommen von seinem Telefonat in Anspruch genommen ist – und klinkt ihm die Flügel aus, die sie (un)auffällig unter ihrem Lotterbett verschwinden lässt. Sie entledigt sich ihrer Strumpfhose, schlüpft unter die Bettdecke und verfolgt aufmerksam Lessings Telefonat.)

Lessing: Was, ich soll meine Zuschauerrolle vergessen und mich selbst als Akteur betätigen? Ich bin schon mittendrin. Lach nicht so höhnisch, Johann Wolfgang.

Lessing (zum Publikum): Bei seinem gespaltenen Verhältnis zur Moral war ja nichts anderes zu erwarten.

Lessing (telefoniert weiter): Johann Wolfgang, du sprichst auf einmal so leise, ich versteh‘ dich kaum. Telekom benachrichtigen? Woher kennst du Telekom? Na, dann kennst du ja auch das lasterhafte Skatspiel, wo sich die Damen von den Buben stechen lassen. Was, dieses Spiel hast du noch zu deinen Erdenbürgerzeiten kennengelernt? du, hör mal, was ganz anderes: Sag doch mal dem Petrus, er soll die Gondel für für meine Rückkehr zwei Tage früher schicken. Ich halte es hier unten nicht länger aus Was heißt hier „Das wirst du wohl müssen“? Was ist bloß mit der Leitung los? Eben war die Verbindung mal ganz gut, und jetzt bist du wieder soweit weg!

(Johann Wolfgangs dröhnende Stimme aus dem Theaterhimmel – in bestem Frankforterisch):
Also dei Gondel muss rebarierd wern. Se werd disch erscht Midwoch frieh abholle kenne. E schöne Oamd noch!

(Nun geht alles Schlag auf Schlag.)

Elvira: Den soll er haben, den schönen Abend!

Elvira springt aus dem Bett, schnappt sich den verstörten Lessing und wirft ihn auf ihre Lagerstatt; männliche Hilferufe; die Lampe fällt vom Tisch; das Szenario liegt im Dunkeln.

- Vorhang fällt -


Auszug aus dem Anschreiben des Autors
an den Herrn Programmdirektor​

…erlaube ich mir noch einige spezielle Vorschläge für die Ausgestaltung der beiden Werbeeinlagen.

Für die Werbeeinlage nach dem 1.Akt bieten sich vor allem Erzeugnisse der Reinigungsmittelindustrie an, vorrangig WC-Reiniger. Dabei macht sich besonders gut der wohlbekannte sprechende, im Sprachtakt auf- und zuklappende Klodeckel und ein wegzuspülender Weißer Riese. Handwerkszeug aus dem Installationswesen würde ebenfalls gut in den Rahmen passen, z-B. stabile Schraubenschlüssel und Rohrzangen für kräftig zupackende Hausfrauenhände.

Die Werbeeinlage nach dem 2.Akt verdient besondere Aufmerksamkeit:

Da das Reizen die Seele des Skatspiels darstellt, ist hier Reklame für Reizwäsche aller Variationen (einschließlich Lederwaren nebst Sonderzubehör für den Sadomasochisten) wohl eine Selbstverständlichkeit.

Zwecks Förderung der Altenburger Spielkartenindustrie (vormals VEB Spitzbube) sollte auch auf den neuesten Jokus-Karten-Set hingewiesen werden. Dieser umfasst u.a. Erich Honecker und Frau Margot als Herzkönig bzw. –dame, Erich Mielke als Oberbube (auch Kreuzbube genannt und die fasr schon vergessene Hilde Benjamin (weiland „Justiz“ministerin) als Pik-A(as).

Weitere Erläuterungen erspare ich Ihnen, da sie ja am 15. des Monats ohnehin Gregor Gysi zu einem Interview empfangen werden, der Ihnen dann den vollständigen Jokus-Set vorstellen wird.


Unglaublich aber wahr​

Als der Schöpfer vorstehenden „Lustspiels“ noch über seinem Entwurf brütete, passierte Folgendes:

Anruf aus dem Kellertheater PiPaPo: Herr Schikaro, Sie können noch zwei Karten für unsere Mitternachts-Sex-Komödie kriegen.

Autor: Ich bin nicht Herr Schikaro, ich heiße Schikora., aber ich schreibe gerade selbst eine.

PiPaPo (großes Gelächter): Na, dann viel Erfolg. Aber was haben Sie denn für eine Telefonnummer:

Autor: 39370

PiPaPo: Na, dann entschuldigen wir uns für die Störung.
 



 
Oben Unten