Leo, der Lupendichter
Voller Vorfreude machte Leo sich an die Arbeit. Sein wundervolles Gedicht, mit Herzblut genährt, wuchs mächtig in ihm. An seiner Stirn war sogar schon ein blauer Fleck zu sehen, so heftig drängte es hinaus. Leo malte sich aus, wie er als zukünftiger Lupen-Star bei dieser Schreibaufgabe alle Mitstreiter in den Schatten stellen würde. Nicht einmal Wilhelm Busch hätte eine Chance gegen ihn. Erwartungsvoll setzte er sich in Position und wartete auf die Umarmung seiner Muse. Er litt entsetzliche Qualen, sein Gedicht drängte ans Licht, und er brauchte die Muse dringend als Geburtshelferin. Geschlagene zwei Stunden saß er dort am Schreibtisch, doch die Muse kam nicht. Allmählich wurde ihm langweilig. Ungläubig starrte er auf sein leeres Blatt. Na, dann mußte es eben ohne Muse gehen. "Ohne Gott und Sonnenschein fahren wir die Ernte ein.", fuhr es ihm durch den Kopf. Siehste, die Kommunisten können ja auch ohne, dachte er. Entschlossen fing er an zu schreiben:
"Im letzten Urlaub sah ich dich, du holde Nixe ..."
ähm, was reimt sich auf Nixe?
fixe? wichse?
Nee, das kann man nicht schreiben, das wird ausgeblendet wegen Verstoßes gegen die Lupenregeln, dachte Leo. Er knüllte das Papier zusammen und startete einen neuen Versuch:
"Beim Kopfsprung in die wilden Fluten
berührt' ich deinen zarten Leib ..."
Nein, das war es auch nicht. Das entsprach zwar den Regeln, aber es war nicht das, was er fühlte.
"Ich badete, weil stark verdreckt,
derweil die Vöglein Liedchen sangen.
Dann sah ich dich im Schilf versteckt,
fast wär mir einer abge ..."
NEIN! Leo raufte sich verzweifelt die Haare. Das verschieben sie mir gnadenlos in die Textklinik, dachte er, sie werden es nicht zu würdigen wissen. Die Tiefe meiner Gefühle kann keiner von ihnen nachvollziehen. Oh, sie werden mich im tiefsten Inneren verletzen, so wie sie es immer tun. Ich, Leo, müßte schon längst mindestens Auflagen-Garant sein. Allmählich steigerte er sich in eine Wut gegen die Lupenbetreiber hinein. Er fühlte sich in seiner Kreativität in unzumutbarer Weise eingeschränkt. Das ist doch nicht einzusehen, daß unsereins die Verklemmtheit der Moderatoren ausbaden soll, dachte er. Wutentbrannt knüllte er auch dieses Blatt zusammen und pfefferte es in die Ecke. Er stürmte in die Küche, um sich zur Beruhigung einen doppelten Whisky einzugießen.
Kaum hatte er die Tür hinter sich zugeknallt, kam leise kichernd die Muse hinter dem Bücherschrank hervor. Sie nahm eines der bereitliegenden leeren Blätter, hauchte einen sanften Kuß darauf und schrieb:
Ein Lupendichter hohl und klein
sieht sich als unschlagbaren Reimer.
Doch ach, die Muse sieht's nicht ein,
es füllt sich nur der Abfalleimer.
Voller Vorfreude machte Leo sich an die Arbeit. Sein wundervolles Gedicht, mit Herzblut genährt, wuchs mächtig in ihm. An seiner Stirn war sogar schon ein blauer Fleck zu sehen, so heftig drängte es hinaus. Leo malte sich aus, wie er als zukünftiger Lupen-Star bei dieser Schreibaufgabe alle Mitstreiter in den Schatten stellen würde. Nicht einmal Wilhelm Busch hätte eine Chance gegen ihn. Erwartungsvoll setzte er sich in Position und wartete auf die Umarmung seiner Muse. Er litt entsetzliche Qualen, sein Gedicht drängte ans Licht, und er brauchte die Muse dringend als Geburtshelferin. Geschlagene zwei Stunden saß er dort am Schreibtisch, doch die Muse kam nicht. Allmählich wurde ihm langweilig. Ungläubig starrte er auf sein leeres Blatt. Na, dann mußte es eben ohne Muse gehen. "Ohne Gott und Sonnenschein fahren wir die Ernte ein.", fuhr es ihm durch den Kopf. Siehste, die Kommunisten können ja auch ohne, dachte er. Entschlossen fing er an zu schreiben:
"Im letzten Urlaub sah ich dich, du holde Nixe ..."
ähm, was reimt sich auf Nixe?
fixe? wichse?
Nee, das kann man nicht schreiben, das wird ausgeblendet wegen Verstoßes gegen die Lupenregeln, dachte Leo. Er knüllte das Papier zusammen und startete einen neuen Versuch:
"Beim Kopfsprung in die wilden Fluten
berührt' ich deinen zarten Leib ..."
Nein, das war es auch nicht. Das entsprach zwar den Regeln, aber es war nicht das, was er fühlte.
"Ich badete, weil stark verdreckt,
derweil die Vöglein Liedchen sangen.
Dann sah ich dich im Schilf versteckt,
fast wär mir einer abge ..."
NEIN! Leo raufte sich verzweifelt die Haare. Das verschieben sie mir gnadenlos in die Textklinik, dachte er, sie werden es nicht zu würdigen wissen. Die Tiefe meiner Gefühle kann keiner von ihnen nachvollziehen. Oh, sie werden mich im tiefsten Inneren verletzen, so wie sie es immer tun. Ich, Leo, müßte schon längst mindestens Auflagen-Garant sein. Allmählich steigerte er sich in eine Wut gegen die Lupenbetreiber hinein. Er fühlte sich in seiner Kreativität in unzumutbarer Weise eingeschränkt. Das ist doch nicht einzusehen, daß unsereins die Verklemmtheit der Moderatoren ausbaden soll, dachte er. Wutentbrannt knüllte er auch dieses Blatt zusammen und pfefferte es in die Ecke. Er stürmte in die Küche, um sich zur Beruhigung einen doppelten Whisky einzugießen.
Kaum hatte er die Tür hinter sich zugeknallt, kam leise kichernd die Muse hinter dem Bücherschrank hervor. Sie nahm eines der bereitliegenden leeren Blätter, hauchte einen sanften Kuß darauf und schrieb:
Ein Lupendichter hohl und klein
sieht sich als unschlagbaren Reimer.
Doch ach, die Muse sieht's nicht ein,
es füllt sich nur der Abfalleimer.