Jens Rohrer
Mitglied
Maria steht auf ihrem kleinen Balkon. Sie sieht hinunter auf die Straße und wartet. Was es zu erledigen gab, ist getan, jetzt kann sie warten. Bald wird er dort unten um die Ecke treten. Einstweilen beobachtet sie das Treiben in der Häuserschlucht. In den Ritzen des Kopfsteinpflasters schnüffelt ein Straßenhund nach Essbarem. Sein Fell ist genauso grau und stumpf wie die Blicke der Männer vor dem Minimarkt. Es gibt keine Arbeit, was soll man da tun? Das Bier in dem Markt ist billig. Sie sitzen auf dem Gehsteig und schweigen gemeinsam die Zeit tot. Maria langt in die Tasche ihres altmodisch geblümten Kleides und wirft ein paar Brotkrumen auf die Straße. Ein Nachbar ist Apotheker. Von ihm bekommt sie das Arsen. Wenn sie nicht aufpasse, flattern immer wieder Tauben auf den Balkon, manchmal kommen sie bis in die Wohnung. Sie sind dreckig und oft koten sie von den darüber liegenden Balkonen herunter. Die an den Leinen um das Geländer hängende Wäsche wird dadurch oft beschmutzt. Sie ist alt, schon über siebzig. Es gibt da nicht mehr so viel, was man machen kann. Was einem Spaß macht. Am Taubenvergiften hat sie Freude. Sie verstreut noch ein paar Krümel auf den Boden unter sich und legt die Unterarme wieder auf das schmiedeeiserne Geländer. Immer wieder lässt sie langsam den Blick über die Straße gleiten. Links und rechts. Rechts und links. Er verweilt immer nur kurz an der Ecke, um die bald Jose biegen wird. Gleich kommt er. Sie wendet sich aber nochmals ab von der Ecke. Wenn man direkt hinguckt, passiert nichts. Wie beim Toaster. Der Blick geht zurück. Kein Jose. So geht das Stunde um Stunde. Als es dämmert, geht sie hinein.
Vor dem kleinen Laden sagt einer der Männer zu seinem Nachbarn: „Der ihr Mann ist jetzt schon fünf Jahre tot, aber jeden Tag wartet die dumme Kuh auf ihn. Die ist doch bekloppt, die Alte.“ Ein anderer entgegnet: „Manchmal hilft es, die Dinge zu ignorieren. Warten ist immer noch besser, als gar nichts zu tun.“
Eine tote Taube fällt vom Balkon.
Vor dem kleinen Laden sagt einer der Männer zu seinem Nachbarn: „Der ihr Mann ist jetzt schon fünf Jahre tot, aber jeden Tag wartet die dumme Kuh auf ihn. Die ist doch bekloppt, die Alte.“ Ein anderer entgegnet: „Manchmal hilft es, die Dinge zu ignorieren. Warten ist immer noch besser, als gar nichts zu tun.“
Eine tote Taube fällt vom Balkon.