Herbstblatt
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Ihr gemeinsames Leben begann unspektakulär. Er ging an ihr vorüber, sie sah ihm nach.
Es war ein wunderschöner Tag. Die Sonne strahlte mit der ganzen Kraft, die sie im November noch aufbringen konnte. Der Himmel war stahlblau, jene eigentümliche Mischung aus Glanz und Drohung, die man kaum beschreiben kann.
Sie stand vor der Tür in ihrem 2m²-Vorgarten, den der Herbstwind umgepflügt hatte, und der nun aussah, als hätte ihn noch nie eine menschliche Hand berührt. Ihr Blick folgte seinem eleganten Gang. Er bemerkte es scheinbar nicht.
Es war das erste Mal seit Wochen, dass sie an die Luft kam. Ein Virus hatte sie fast zwei Monate an die Wohnung gefesselt. Das Fieber kam und ging wieder, der Arzt war mehrfach bei ihr gewesen, denn bis zur Praxis wäre sie nicht gekommen. Ihre Nachbarin hatte nach ihr gesehen, sie mit Essen versorgt und ihr manchmal aus der Zeitung vorgelesen. Doch meist blieb ihr nur der Fernseher und ihre eintönig hellen Wände. Sie hatte nicht gewusst, dass Einsamkeit weh tun kann.
Noch sollte sie nicht allein vor die Tür gehen, hatte der Arzt erst gestern gesagt. Sie wäre noch zu schwach, könnte stürzen und sich ernsthaft verletzen. Aber sie hatte es satt. Satt, zwischen Sessel, Couch und Toilette zu wandern. Sie brauchte Luft, zum atmen, auf der Haut, sie wollte wieder ein Stück vom Leben spüren. Also beschloss sie, hinaus zu gehen.
Die Novembersonne streichelte ihr Gesicht. Sie drehte den Kopf, um mehr davon zu bekommen. Sie hielt ganz still, kostete den Moment aus, wollte ihn aufbewahren.
Da sah sie ihn zum ersten Mal. Sie wusste sofort, dass er neu hier war, diese Erscheinung hätte sie nicht übersehen. Nun, acht Wochen sind eine lange Zeit, sie würde sich erkundigen.
Er schlich sich in ihr Leben, ohne dass es ihr auffiel. Sie versuchte täglich ein paar Minuten nach draußen zu gehen. Manchmal sah sie ihn, oft nicht. Sie vergaß, sich danach zu erkundigen, woher er kam. Aber sie begann, auf ihn zu warten, sich seine Anwesenheit vorzustellen. Saß in Gedanken mit ihm am Tisch. Sprach mit ihm – mitunter ertappte sie sich dabei, dass sie dies laut tat. Wenn sie im Bett lag, meinte sie ihn zu spüren, Brust an Rücken, warm und weich. Sein Kopf auf ihrem Kissen, zufrieden schlafend.
Unbewusst begann sie ihn zu beobachten. Sie merkte sich die Zeiten, an denen er vorbei kam und versuchte, ihn abzupassen.
Der November war schnell vorüber, genauso wie die sonnigen Tage. Mit dem Dezember kam der Schnee. Sie ging noch immer täglich nach draußen. Und auch er kam inzwischen jeden Tag vorbei. Manchmal schaute er sie an, wie sie da in ihrem Gärtchen stand. Und ihr schien, dass er lächelte. Dann lächelte sie ebenfalls, warm und einladend. Sie begannen, sich aufeinander zu freuen.
Als der Frühling kam, war er praktisch bei ihr eingezogen. Sie kochte für ihn und er aß es dankbar. Oft war er unterwegs, viele Stunden. Sie ließ ihn ziehen, sie wusste, er würde wieder kommen und sie würden die Zeit miteinander genießen.
Inzwischen ging es ihr wieder gut. Die lange Ruhepause hatte ihrem Körper geholfen, die Krankheit zu überwinden. Seine Zuwendung machte sie restlos gesund, seine Anwesenheit erfüllte sie mit Ruhe und Kraft. Er war Teil ihres Lebens geworden.
Im Sommer kam ihre Schwester zu Besuch. Sie sahen sich selten, zwischen ihnen lag mehr als die reale Entfernung. Trotzdem freute sie sich. Für zwei oder drei Stunden konnten sie miteinander reden ohne sich zu streiten, länger blieb ihre Schwester nie.
Der Vormittag war schnell vergangen, sie hatte schwedische Apfeltorte gebacken, ihr beider Lieblingskuchen. Den Tisch hatte sie liebevoll gedeckt, beinah festlich.
Auch er war da. Vom Sessel aus beobachtete er die Begrüßung der Schwestern.
Er schnurrte, als sie sich über ihn beugten und ihre Schwester erstaunt fragte: „Seit wann hast du denn eine Katze?“
Ihr gemeinsames Leben begann unspektakulär. Er ging an ihr vorüber, sie sah ihm nach.
Es war ein wunderschöner Tag. Die Sonne strahlte mit der ganzen Kraft, die sie im November noch aufbringen konnte. Der Himmel war stahlblau, jene eigentümliche Mischung aus Glanz und Drohung, die man kaum beschreiben kann.
Sie stand vor der Tür in ihrem 2m²-Vorgarten, den der Herbstwind umgepflügt hatte, und der nun aussah, als hätte ihn noch nie eine menschliche Hand berührt. Ihr Blick folgte seinem eleganten Gang. Er bemerkte es scheinbar nicht.
Es war das erste Mal seit Wochen, dass sie an die Luft kam. Ein Virus hatte sie fast zwei Monate an die Wohnung gefesselt. Das Fieber kam und ging wieder, der Arzt war mehrfach bei ihr gewesen, denn bis zur Praxis wäre sie nicht gekommen. Ihre Nachbarin hatte nach ihr gesehen, sie mit Essen versorgt und ihr manchmal aus der Zeitung vorgelesen. Doch meist blieb ihr nur der Fernseher und ihre eintönig hellen Wände. Sie hatte nicht gewusst, dass Einsamkeit weh tun kann.
Noch sollte sie nicht allein vor die Tür gehen, hatte der Arzt erst gestern gesagt. Sie wäre noch zu schwach, könnte stürzen und sich ernsthaft verletzen. Aber sie hatte es satt. Satt, zwischen Sessel, Couch und Toilette zu wandern. Sie brauchte Luft, zum atmen, auf der Haut, sie wollte wieder ein Stück vom Leben spüren. Also beschloss sie, hinaus zu gehen.
Die Novembersonne streichelte ihr Gesicht. Sie drehte den Kopf, um mehr davon zu bekommen. Sie hielt ganz still, kostete den Moment aus, wollte ihn aufbewahren.
Da sah sie ihn zum ersten Mal. Sie wusste sofort, dass er neu hier war, diese Erscheinung hätte sie nicht übersehen. Nun, acht Wochen sind eine lange Zeit, sie würde sich erkundigen.
Er schlich sich in ihr Leben, ohne dass es ihr auffiel. Sie versuchte täglich ein paar Minuten nach draußen zu gehen. Manchmal sah sie ihn, oft nicht. Sie vergaß, sich danach zu erkundigen, woher er kam. Aber sie begann, auf ihn zu warten, sich seine Anwesenheit vorzustellen. Saß in Gedanken mit ihm am Tisch. Sprach mit ihm – mitunter ertappte sie sich dabei, dass sie dies laut tat. Wenn sie im Bett lag, meinte sie ihn zu spüren, Brust an Rücken, warm und weich. Sein Kopf auf ihrem Kissen, zufrieden schlafend.
Unbewusst begann sie ihn zu beobachten. Sie merkte sich die Zeiten, an denen er vorbei kam und versuchte, ihn abzupassen.
Der November war schnell vorüber, genauso wie die sonnigen Tage. Mit dem Dezember kam der Schnee. Sie ging noch immer täglich nach draußen. Und auch er kam inzwischen jeden Tag vorbei. Manchmal schaute er sie an, wie sie da in ihrem Gärtchen stand. Und ihr schien, dass er lächelte. Dann lächelte sie ebenfalls, warm und einladend. Sie begannen, sich aufeinander zu freuen.
Als der Frühling kam, war er praktisch bei ihr eingezogen. Sie kochte für ihn und er aß es dankbar. Oft war er unterwegs, viele Stunden. Sie ließ ihn ziehen, sie wusste, er würde wieder kommen und sie würden die Zeit miteinander genießen.
Inzwischen ging es ihr wieder gut. Die lange Ruhepause hatte ihrem Körper geholfen, die Krankheit zu überwinden. Seine Zuwendung machte sie restlos gesund, seine Anwesenheit erfüllte sie mit Ruhe und Kraft. Er war Teil ihres Lebens geworden.
Im Sommer kam ihre Schwester zu Besuch. Sie sahen sich selten, zwischen ihnen lag mehr als die reale Entfernung. Trotzdem freute sie sich. Für zwei oder drei Stunden konnten sie miteinander reden ohne sich zu streiten, länger blieb ihre Schwester nie.
Der Vormittag war schnell vergangen, sie hatte schwedische Apfeltorte gebacken, ihr beider Lieblingskuchen. Den Tisch hatte sie liebevoll gedeckt, beinah festlich.
Auch er war da. Vom Sessel aus beobachtete er die Begrüßung der Schwestern.
Er schnurrte, als sie sich über ihn beugten und ihre Schwester erstaunt fragte: „Seit wann hast du denn eine Katze?“