märchenhaft

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herziblatti

Mitglied
märchenhaft

ich sitze am Schreibtisch
vor mir der Computer
die Hände verharren Millimeter über der Tastatur
hinter mir steht der Verleger
er schaut über meine Schulter auf den Bildschirm
er wartet auf ein Wort
er will Geschäfte machen mit meinem Wort
kann ich so schreiben ?

langsam eine Taste anschlagen
ein Buchstabe
ich höre
wie er hinter mir die Luft anhält
und lasse die Hände sinken
die Finger auf der Tastatur ruhen
ja
ich kann so schreiben

ich lasse den Verleger noch ein klein wenig zappeln
er zappelt so hübsch, so innerlich
und dann schreibe ich los
ganze zehntausend Seiten
der Verleger ist inzwischen gestorben
ein anderer hat ihn ersetzt
ich bemerke das nicht
oder es ist mir vielleicht egal
ich schreibe immer weiter
und wenn ich noch nicht gestorben bin
schreibe ich heute noch
und morgen auch
 

Perry

Mitglied
Hallo herziblatti,

ein schönes Märchen, Verleger zappeln zu lassen, aber letztlich leider ohne wirkliches Happy End.
LG
Manfred
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo herziblatti,

beim Lesen empfand ich das als viel zu weitläufig für Lyrik, nicht verdichtet, der Text konnte mich so gar nicht mitreißen.

lg wüstenrose
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ja, Lyrik ist das beileibe nicht. Das ist eher eine nette Geschichte im Zeilenumbruch.

Liebe Grüße
Manfred
 

revilo

Mitglied
nette Geschichte, aber beileibe keine Lyrik....reine Prosa.....Zeilenumbruch macht noch lange keine Lyrik....

LG revilo
 

poetix

Mitglied
Hallo herziblatti,
deine Texte bewegen sich im Grenzbereich zwischen Prosa und Dichtung. Dieser hier ist wieder ein bisschen näher an der Prosa dran. Ich glaube nicht, dass man dich deswegen aus der Lyrik-Abteilung hinauswirft. Vielleicht entwickelst du ja hier einen ganz eigenen Stil. Insofern tue ich mich auch ein bisschen schwer, dir einen Rat zu geben, ich habe nur das unbestimmte Gefühl, dass du noch etwas an dem Text tun könntest. Im Prinzip eine gute Idee, die du da hattest.
Viele Grüße
poetix
 

herziblatti

Mitglied
Hallo poetix, 'unbestimmt' ist ein gutes Stichwort; vielleicht lässt es sich verdichten, mein Wunschdenkengebet.
Beste Grüße - herziblatti
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo herziblatt,

der Text ist weder Gedicht noch Geschichte. Begrifflich ließe er sich als literarische Randnotiz fassen.

"Märchenhaft" daran ist das Irreale, aber auch die Übernahme der Redewendung "und wenn … nicht gestorben …"

Thematisch handelt es sich um eine humoristisch verfremdete (Selbstbe-)Spiegelung von Akteuren auf (vermeintlich) literarischem Terrain.

Grüße von Elke
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
herziblatti,

bei deinem namen möchte man ja gerne ein blatt vor den mund nehmen...aber bei aller liebe, allem herz, dieser text hat nun nichts mit lyrik zu tun.

alles liebe

otto
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Hat mir viel Spaß gemacht, Dein Text. Die Kommentare nicht: Ich sehe förmlich den Aschefleck auf der Stirn dieser Krankbeter.
 

herziblatti

Mitglied
danke, Mondnein, für dein Lächeln über den Text - mehr will er auch nicht sein: eine selbstironische, kleine Freude für zwischendurch :) bestens gegrüßt vom herziblatti
 

Label

Mitglied
hallo herziblatti

(Nebenschauplatz: bei deinem selbst verurteilten Namen muss ich aktiv gegen meine überraschenderweise doch vorhandenen Vorurteile angehen)


Leider habe ich nicht alle nötigen Filamente um Texte im germanistischen Buchstabenuniversum passgenau zu verorten.
Darum kann ich dir auch nur ohne jeden Anspruch auf Expertise in Lehrmeinung mitteilen, dass ich Texte wie deine (mit ausgeprägten Prosaanteilen) auch schon als vielgelobte Lyrik gesehen habe.

Mir hat dein Text gefallen, denn solch schalkhafter Humor erfreut mich. :)

Lieber Gruß
Label
 

herziblatti

Mitglied
Hallo Label, danke für den Zuspruch :) tut mir gut, hab' wieder etliche blaue Flecken, weil ich einfach in keine Schublade widerspruchsfrei reingekloppt werden kann - genaugenommen sind mir meine Texte auch manxmal ein elends Rätsel :box:
 

herziblatti

Mitglied
märchenhaft

ich sitze am Schreibtisch
vor mir der Computer
die Hände verharren Millimeter über der Tastatur
hinter mir steht der Verleger
er schaut über meine Schulter auf den Bildschirm
er wartet auf ein Wort
er will Geschäfte machen mit meinem Wort
kann ich so schreiben ?

langsam eine Taste anschlagen
ein Buchstabe
ich höre
wie er hinter mir die Luft anhält
und lasse die Hände sinken
die Finger auf der Tastatur ruhen
ja
ich kann so schreiben

ich lasse den Verleger noch ein klein wenig zappeln
er zappelt so hübsch, so innerlich
und dann schreibe ich los
ganze zehntausend Seiten
der Verleger ist inzwischen gestorben
ein anderer hat ihn ersetzt
ich bemerke das nicht
oder es ist mir vielleicht egal
ich schreibe immer weiter
und wenn ich noch nicht gestorben bin
schreibe ich heute noch
und morgen auch

© Heidi Merkel
 



 
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