Als Marcel neunzehn war lernte er seine wahre Liebe kennen. Das wusste er damals natürlich noch nicht, und selbst als er sich über fünf Jahre später von ihr getrennt hatte, wusste er lange Zeit nicht, was ihm da entgangen war.
Kassiopeia war eine Frau mit gewaltigen Minderwertigkeitskomplexen, obwohl sie wunderschön war ... oder vielleicht gerade deswegen.. In der Tanzschule, hatte sie Marcel erzählt, wollte sie niemand zum tanzen auffordern. Marcel erfuhr später, dass dem tatsächlich so war und zwar, weil sich niemand traute, einer so schönen Frau zu nahe zu kommen.
In diesem Alter führt so etwas leicht zu Missverständnissen, vor allem, wenn man nicht einmal von der Familie Rückhalt bekommt.
Marcel konnte gut verstehen, was mit ihr los war. Er sah selbst recht gut aus, hatte es aber nie so empfunden, nie sein Selbstbewusstsein daran gekoppelt, so dass seine hervorstechendste Eigenschaft Zynismus und in jüngeren Jahren auch eine Form von Gewalttätigkeit war. Das war einfach leichter, als Gefühle offenbaren zu müssen. Zynismus half oft nicht, weil er über das Verständnis seiner Klassenkameraden hinausging, aber wenn man Zeit seines Lebens einen Kopf größer ist als alle, die tagein, tagaus um einen herum sind (inklusive Lehrer), hilft auch Gewalttätigkeit, oder wenigstens die Androhung derselben. Marcel war der klassische bellende Hund.
Insofern konnte er Kassiopeias Problem nachvollziehen und sich sogar dessen annehmen. Sie war nicht ganz zwei Jahre jünger als er und hatte deswegen Achtung vor ihm, denn in diesem Alter machen zwei Jahre noch sehr viel aus. Er war ein MANN, der bereits einmal mit einer Frau geschlafen hatte, sie war ein jungfräuliches MÄDCHEN.
Sie blieben über fünf Jahre zusammen, machten sich sogar Gedanken übers heiraten und kinderkriegen. Dann verließ sie ihn.
Zuerst war es ihm egal. Er genoß die freie Zeit. Er konnte mit seinen Kumpels einen saufen gehen, wann immer er wollte und das tat er auch. Er wusste nicht, dass er sie immer noch liebte und sie ihn. Sie hatte zwei Wochen in Linz verbracht und sich dort in einen anderen verliebt. Hatte am Tag ihrer Rückkehr bei ihm angerufen und am Telefon Schluß gemacht.
Am Valentinstag.
„Hast du mich betrogen?“, hatte er sie gefragt, nachdem klar war, dass jemand anderes im Spiel war.
„Nein“, hatte sie geantwortet. Später hatte sie ihn so oft belogen, dass Marcel bis zum Zeitpunkt seine Todes nicht klar war, was er glauben sollte, nicht einmal, ob sie ihn jemals geliebt hatte.
Im November kam sie mit einem Mann zusammen, den Marcel schon lange kannte. Mit dem er auf Interrail gewesen war, der wusste, oder wenigstens hätte erahnen können, dass ihm noch etwas an Kassiopeia lag. Vor allem, weil Marcel ihm an dem Abend, als sich die beiden das erste Mal näher gekommen waren, erzählt hatte, dass er solcherlei nicht gerne sieht.
„Ja“, hatte der „Freund“ gesagt, „das kann ich verstehen.“
Danach war Marcel lange Zeit alleine. Weinte viel. Spielte sogar mit dem Gedanken an Selbstmord.
Irgendwann erholte er sich. Nicht ganz, aber doch ein bisschen. Über ein Jahr nachdem sie mit ihm Schluß gemacht hatte, fand Marcel eine Frau, die mit ihm schlief. Nicht, dass er keinen Sex gewollt hätte; er war sozusagen geiler denn je. Aber er fand einfach keine Frau die mit ihm schlafen wollte. Vielleicht, so redete er sich später ein, lag es auch an seinem Unterbewusstsein, das verhinderte, dass er zu einer Frau kam. Aber er war wohl einfach nur aus der Übung, wie er sich später eingestehen musste.
Danach ging es halbwegs bergauf, er hatte die eine oder andere Liaison, mit langen Pausen dazwischen.
Wieder über ein Jahr später erkannte Marcel, dass einige Frauen doch auf seinen spröden Charme ansprangen. Er musste nur nett sein, etwas wozu er sich zwingen musste, was ihm nie beigebracht worden war, andererseits aber eine Rolle, in der er sich immer wohler fühlte. Die Erfolge häuften sich.
Innerhalb von drei Wochen hatte er vier Frauen dazu gebracht, sich für ihn zu interessieren, und zwar sowohl als Freund als auch auf eine recht körperliche Weise. Ein Erfolg, den er noch nie zustande gebracht hatte, und das obwohl er inzwischen Ende Zwanzig war. Er hatte auch nie derartiges vorgehabt, er verachtete Männer, deren primäres Ziel es war, so viele Frauen wie nur möglich abzuschleppen. Er rechnete einfach nicht damit, dass er Erfolg haben könnte.
Das verwirrte ihn ein bisschen an jenem Abend, an dem die letzte Frau, die er ins Auge gefasst hatte bereitwillig auf seine Annäherungsversuche einstieg und sogar den ersten Schritt machte. Kurz danach wurde ihm klar, dass bei der nächsten Großparty, die er mitveranstaltete, alle drei Frauen anwesend sein würden. Und zwei weitere, an denen er auch interessiert war.
Er war nicht verliebt, aber in Kassiopeia war er schließlich auch lange Zeit nicht verliebt gewesen, bis sie ihn eines Besseren belehrt hatte.
An jenem Abend ging er nach Hause und dachte darüber nach, hatte etwas Angst und freute sich ein bisschen.
Und bevor er einschlief weinte er um seine verlorene Liebe.
Kassiopeia war eine Frau mit gewaltigen Minderwertigkeitskomplexen, obwohl sie wunderschön war ... oder vielleicht gerade deswegen.. In der Tanzschule, hatte sie Marcel erzählt, wollte sie niemand zum tanzen auffordern. Marcel erfuhr später, dass dem tatsächlich so war und zwar, weil sich niemand traute, einer so schönen Frau zu nahe zu kommen.
In diesem Alter führt so etwas leicht zu Missverständnissen, vor allem, wenn man nicht einmal von der Familie Rückhalt bekommt.
Marcel konnte gut verstehen, was mit ihr los war. Er sah selbst recht gut aus, hatte es aber nie so empfunden, nie sein Selbstbewusstsein daran gekoppelt, so dass seine hervorstechendste Eigenschaft Zynismus und in jüngeren Jahren auch eine Form von Gewalttätigkeit war. Das war einfach leichter, als Gefühle offenbaren zu müssen. Zynismus half oft nicht, weil er über das Verständnis seiner Klassenkameraden hinausging, aber wenn man Zeit seines Lebens einen Kopf größer ist als alle, die tagein, tagaus um einen herum sind (inklusive Lehrer), hilft auch Gewalttätigkeit, oder wenigstens die Androhung derselben. Marcel war der klassische bellende Hund.
Insofern konnte er Kassiopeias Problem nachvollziehen und sich sogar dessen annehmen. Sie war nicht ganz zwei Jahre jünger als er und hatte deswegen Achtung vor ihm, denn in diesem Alter machen zwei Jahre noch sehr viel aus. Er war ein MANN, der bereits einmal mit einer Frau geschlafen hatte, sie war ein jungfräuliches MÄDCHEN.
Sie blieben über fünf Jahre zusammen, machten sich sogar Gedanken übers heiraten und kinderkriegen. Dann verließ sie ihn.
Zuerst war es ihm egal. Er genoß die freie Zeit. Er konnte mit seinen Kumpels einen saufen gehen, wann immer er wollte und das tat er auch. Er wusste nicht, dass er sie immer noch liebte und sie ihn. Sie hatte zwei Wochen in Linz verbracht und sich dort in einen anderen verliebt. Hatte am Tag ihrer Rückkehr bei ihm angerufen und am Telefon Schluß gemacht.
Am Valentinstag.
„Hast du mich betrogen?“, hatte er sie gefragt, nachdem klar war, dass jemand anderes im Spiel war.
„Nein“, hatte sie geantwortet. Später hatte sie ihn so oft belogen, dass Marcel bis zum Zeitpunkt seine Todes nicht klar war, was er glauben sollte, nicht einmal, ob sie ihn jemals geliebt hatte.
Im November kam sie mit einem Mann zusammen, den Marcel schon lange kannte. Mit dem er auf Interrail gewesen war, der wusste, oder wenigstens hätte erahnen können, dass ihm noch etwas an Kassiopeia lag. Vor allem, weil Marcel ihm an dem Abend, als sich die beiden das erste Mal näher gekommen waren, erzählt hatte, dass er solcherlei nicht gerne sieht.
„Ja“, hatte der „Freund“ gesagt, „das kann ich verstehen.“
Danach war Marcel lange Zeit alleine. Weinte viel. Spielte sogar mit dem Gedanken an Selbstmord.
Irgendwann erholte er sich. Nicht ganz, aber doch ein bisschen. Über ein Jahr nachdem sie mit ihm Schluß gemacht hatte, fand Marcel eine Frau, die mit ihm schlief. Nicht, dass er keinen Sex gewollt hätte; er war sozusagen geiler denn je. Aber er fand einfach keine Frau die mit ihm schlafen wollte. Vielleicht, so redete er sich später ein, lag es auch an seinem Unterbewusstsein, das verhinderte, dass er zu einer Frau kam. Aber er war wohl einfach nur aus der Übung, wie er sich später eingestehen musste.
Danach ging es halbwegs bergauf, er hatte die eine oder andere Liaison, mit langen Pausen dazwischen.
Wieder über ein Jahr später erkannte Marcel, dass einige Frauen doch auf seinen spröden Charme ansprangen. Er musste nur nett sein, etwas wozu er sich zwingen musste, was ihm nie beigebracht worden war, andererseits aber eine Rolle, in der er sich immer wohler fühlte. Die Erfolge häuften sich.
Innerhalb von drei Wochen hatte er vier Frauen dazu gebracht, sich für ihn zu interessieren, und zwar sowohl als Freund als auch auf eine recht körperliche Weise. Ein Erfolg, den er noch nie zustande gebracht hatte, und das obwohl er inzwischen Ende Zwanzig war. Er hatte auch nie derartiges vorgehabt, er verachtete Männer, deren primäres Ziel es war, so viele Frauen wie nur möglich abzuschleppen. Er rechnete einfach nicht damit, dass er Erfolg haben könnte.
Das verwirrte ihn ein bisschen an jenem Abend, an dem die letzte Frau, die er ins Auge gefasst hatte bereitwillig auf seine Annäherungsversuche einstieg und sogar den ersten Schritt machte. Kurz danach wurde ihm klar, dass bei der nächsten Großparty, die er mitveranstaltete, alle drei Frauen anwesend sein würden. Und zwei weitere, an denen er auch interessiert war.
Er war nicht verliebt, aber in Kassiopeia war er schließlich auch lange Zeit nicht verliebt gewesen, bis sie ihn eines Besseren belehrt hatte.
An jenem Abend ging er nach Hause und dachte darüber nach, hatte etwas Angst und freute sich ein bisschen.
Und bevor er einschlief weinte er um seine verlorene Liebe.