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FrankK

Mitglied
Respektabel, DD ;)

Danke, für Deine Antwort.
Unter diesem Aspekt Deiner Erläuterungen kann ich es akzeptieren. Mal schauen, wie weit der Verfasser uns Einblick in seine Gedankengänge gewährt.


Viele Grüße aus Westfalen
Frank
 

Arno.Kuhn

Mitglied
Vielen Dank für das Diskutieren über meinen unbedeutenden Text. Interessante Deutungen jedenfalls.

ich denke, ernst gemeinte Literatur sollte der Freiheit und den bekannten Tatsachen verpflichtet sein.
Mit Verlaub, kuriose Definition :). Die Ärzte haben mal geträllert, Punk sei Arschlecken und Rasur. Das würde ich gern für meinen lit. Output so, der gern postmodern wäre, übernehmen. Ich würde soweit mitgehen, dass gute Literatur vermutlich meistens emanzipatorische Aspekte aufweist. Aber die finde ich selbst durchaus im Text.

In meinen Augen gewinnt der Text an Überzeugungskraft, wenn der letzte Satz rausfliegt, die ausgemachte Gesellschaftskritik ist doch bereits ausführlich notiert, obwohl der Text dann, ich sag mal, stiller daherkommt.
Der letzte Satz offenbart alles vorher Geschriebene als Subjektives, weil durch ihn die Erzählinstanz auftaucht. Es taucht also ein Erzähler auf, der meinetwegen frustriert im Kämmerlein sitzt und eine Meinung hat. Dadurch verliert der Text seine vorher immanente Allgemeingültigkeit, daher ist der letzte Satz wichtig um gerade den von dir angeprangerten Zynismus zu dekonstruieren und daher ist er meiner Ansicht nach gut, weil ein (mitgedachter) Leser dadurch mit der Verabsolutierung von Gemeinplätzen konfrontiert ist.

Gute Literatur führt die Leute nicht am moralinen Nasenring vor. Das stigmatisiert, ändert nichts & treibt die Leute bewaffnet in die Schützengräben, hier im Fall noch nicht mal zutreffend. Derlei Schreiberei, das war mal, und das waren ungute Zeiten. Zynische Schlagrichtungen zerstören. Das an sich wäre u.U. kein Mangel, falls ungute Zustände damit abgestellt würden.
Der Vergleich geht mir für meinen Text ein wenig zu weit. Ich glaube, ich treibe im Ansatz niemanden in Schützengräben. Dafür kann man sich, finde ich, auch zu gut beim Zynismus ertappen. Es geht, wie gesagt, im letzten Satz um die Prognose einer Person, einer Erzählinstanz. Dadurch wird der Zynismus privat und unbedeutend. Das passiert in den ersten beiden Sätzen übrigens auch schon: Ein Erzähler, der durchaus nicht der Autor oder meine Person ist, setzt sich ins Verhältnis zum Beobachteten und verkauft dem Leser seine Wertung. By the way nicht ganz unerfolgreich, wie ich meine. :)
 
D

Die Dohle

Gast
Hallo Arno.Kuhn,
naja, ganz so hoch hätt ich meine Verlautbarung nun nicht gehängt, nevertheless, man sollte schon wissen, was man da tut, wenn man Schriften verbreitet, glaub wenigstens ich. Ausgehend hiervon zu deinem Text:
Interessante Sicht, die du vertrittst, oder besser lies nochmal selbst, da ist ein Widerspruch formuliert, der mein Argument unterstützt:

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Der letzte Satz offenbart alles vorher Geschriebene als Subjektives, weil durch ihn die Erzählinstanz auftaucht. Es taucht also ein Erzähler auf, der meinetwegen frustriert im Kämmerlein sitzt und eine Meinung hat. Dadurch verliert der Text seine vorher immanente Allgemeingültigkeit, daher ist der letzte Satz wichtig um gerade den von dir angeprangerten Zynismus zu dekonstruieren und daher ist er meiner Ansicht nach gut, weil ein (mitgedachter) Leser dadurch mit der Verabsolutierung von Gemeinplätzen konfrontiert ist.
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Ich les den Text so: Der erste und letzte Satz will einen Rahmen herstellen, der, wie du selbst sagst als übergeordnete Erzählinstanz die eigentliche Geschichte als eine subjektive Sicht einordnet. Deine Erzählinstanz jedoch wie du das vertrittst, konfrontiert meiner Meinung nach nicht, sie urteilt, und zwar indem sie den von dir so genannten subjektiven Ton nicht nur aufnimmt, sondern sogar noch auf die Spitze treibt: ... kümmern sich einen Scheißdreck ...
Damit torpedierst du deine oben formulierte Absicht perfekt indem du diese Absicht in sein Gegenteil verkehrst, da die Erzählinstanz sich mit der Subjektivität gemein macht und dieser damit erst recht und offenbar entgegen deiner Absicht auf einen allgemeingültigen Rang hebt. Was darüber hinaus passiert, wenn dieser Satz stehenbleibt, ist bereits gesagt.

Würdest du den letzten Satz weglassen, wäre alles gut, sogar auch aus deiner Sicht, soweit ich sie verstanden habe: Die beiden sprächen für sich. Wie das beschriebene Geschehen einzuordnen wäre moralinbezüglich, was offenbar dezidiert deine Absicht ist, das steht sorgfältig ungeschrieben, wie es für anständige Schriften gehört, zwischen den Zeilen. Nach dem Kino werden die Beiden unkommentiert an eine ungewisse Zukunft entlassen, der Leser darf spekulieren und, sehr wichtig: Selbst urteilen. Soll meinen: Erst in der Art bringst du ihn in die Nähe selbst veranworteten urteilens. Wenn ich richtig verstanden habe, ist dies deine grundlegende Absicht.

... hoff ich mach mich verständlich, und du kannst mit dem Roman was anfangen.

lg
die dohle
 
K

Karn Hardt

Gast
Hallo Arno,

willkommen auch von mir ... und blablabla zum dauerhaften Wohlfühlen und Lesen und gelesen werden und sein ... :)

Zum Text:
Gut - und gern gelesen, aber für mich ist die Aussage der negativ vorprogrammierten Ehe aus Gewohnheits-oder anderen Gründen ein Tick zu viel. Die Charaktere kaufe ich dir ab, solche gibt es sogar bei Ikea, was ihre Massentauglichkeit untermauert: ein bissel schrauben und schon ist jede Ehe ein auf Dauer unhaltbares Konstrukt, nur für ein kurzes Leben erdacht :)

Dein Plot: (und Hinweise dazu)

Martin und Caro gehen was trinken und verhindern eine [strike]drohende[/strike] peinliche Gesprächspause durch das Thema "peinliche Gesprächspausen".
Guter Plan, Caro und Martin. Na dann mal los!

[blue]
Der Hinweis ist (für mich) sinnfrei, weil er impliziert[/blue].

Caro, 22 [strike]Jahre alt[/strike], hat einen festen Hintern und nestelt an der [strike]kleinen[/strike] Holzkette herum, die an ihrem Handy hängt und vermutlich Strahlen abhalten[strike],[/strike] oder verdeutlichen soll, dass [strike]Caro[/strike] [red]sie[/red] ein nicht zu unterschätzendes Interesse an der Lage der Welt hat. Vermutlich hat sie die Holzkette von einer Freundin aus Neuseeland mitgebracht [strike]bekommen[/strike][strike],[/strike] oder an einem kleinen Stand [strike]auf einem total süßen Markt[/strike] [red]eines total süßen Marktes[/red] in Südspanien für 8,50€ [strike]nach mehrmaligem Nachverhandeln[/strike] erstanden. Auf die Nachfrage, was das mit ihrem Job denn genau sei, der für Caro bisher noch nicht der richtige [strike]war[/strike] [red]wäre[/red] ,[strike] [/strike]antwortet[red]e[/red]y sie mit der Souveränität von einer die weiß, wie die Dinge in der Welt laufen,
„das muss sich fügen.“ Wenn es der richtige ist, wird es sich gewiss richtig anfühlen, das weiß Caro.
[blue]Du springst hier gewaltig zwischen Aussage, Gedanken und "eigentliches" Wissen der Prot. Hier gehört (für mich) mehr Grammatikdisziplin rein. Nach "laufen" Doppelpunkt, "Das" groß geschrieben, bis "anfühlen" in der direkten Aussage, und "das weiß Caro" streichen![/blue]

Martin, der durch diese Frage vor allem ein emotionales Band knüpfen wollte, das ihn aus der [strike]spekulativen [/strike][red]grauen[/red] Masse [strike]aller[/strike] [red]ihrer[/red] Beischlafanwärter hervorhebt, nickt brav, interessiert sich aber natürlich nicht im geringsten dafür, wie seine Gesprächspartnerin „ihr Leben lebt“,[strike] wie sie sagt, und dass sie sich dabei auch nichts vorschreiben lässt.[/strike] Martin rechnet außerdem gerade seine Chancen bei der Holden aus, die er allerdings – so die Erfahrungswerte – für gering hält. Zum einen wegen potentieller Konkurrenten, die vermutlich der Grund für das [strike]repetitive[/strike] [red]ständige[/red] Blicken seiner Gesprächspartnerin auf ihr Smartphone sind, zum anderen weil Abende, die um 5 vor 10 erst bei Chai-Tee-Hibiskus und nervösem Herumnesteln angelangt sind, selten zu verschwitztem Herumwälzen [strike]aufeinander[/strike] führen. Martin hat überdies eh kaum Interesse an ihr, weil das Mädchen eher so der Typ Partybekanntschaft ist. Kann man machen, sagt Martin immer, muss man aber nicht.

Caro findet, dass sich auch die Wohnungssuche fügen [strike]muss, und sich[/strike] richtig anfühlen [red]muss[/red], wenn‘s denn mal soweit ist. Selbstverständlich gilt das auch für die Partnerwahl, womit dieser Typ hier eigentlich schon aus dem Rennen wäre, der ein klein wenig zu offensiv ihren Hintern begutachtet hat und gerade seit 20 Minuten erzählt, wie das war, im letzten Sommer, mit Bier und Kumpels an Baggersee, und im Winter, mit Skifahren auf der Hütte. Voll geil und echt der Wahnsinn[strike], mostly[/strike]. Und obwohl Caro gern [strike]am Baggersee[/strike] [red]an Baggerseen [/red]ist, und auch gern auf [strike]der Hütte ist [/strike]einer Hütte[strike] [/strike], stört sie, dass es sich nicht richtig anfühlt, dass es mit ihm ein bisschen zu viel Arbeit ist, sich zu unterhalten. Auf die Frage „ist was?“ antwortet sie „alles paletti“, steckt ihr Handy weg und lächelt künstlich.

Martin findet, dass irgendjemand so langsam sagen sollte, dass es ein schöner Abend war, aber bald der letzte Bus fährt, und er sagt „die machen hier so langsam zu. Willst du noch was machen oder belassen wir’s dabei?“, wobei er hofft, dass es das jetzt endlich war.

Caro wollte sich eigentlich gerade entschuldigen, mit dem Verweis auf eine Freundin, der’s grad nicht so gut geht; antwortet jetzt aber, sie weiß nicht, man könne ja mal schauen. „Musst du auch in Richtung Innenstadt?“

Martin fragt vor seiner Haustür eigentlich nur aus Prinzip [strike]– also aus Datenerhebung [/strike]– , ob sie noch mit raufkommen möchte, auf nen Kaffee. Caro muss sowieso auf die Toilette und fragt von dort ihre beste Freundin, ob sie das schon noch richtig weiß, was „auf nen Kaffee mit hochkommen“ heißt. Caro kommt von der Toilette, sie küssen sich aus Konvention und landen auf Martins IKEA-Bett.

Caro und Martin begatten sich uninspiriert exakt 7 Minuten und 38 Sekunden, was beide mittelmäßig zufriedenstellt.
[red]genial und witzig. [/red]

Martin wacht um halb 3 nachts auf, weil das Mädchen neben ihm schnarcht. Caro schlägt um halb 6 die Augen auf, riecht Martins Mundgeruch, [strike]we[/strike][strike]il er sich aufs Kissen gesabbert hat,[/strike] steht auf und zieht sich an. Auf einen Zettel schreibt sie wider besseren Wissens „Bis ganz bald vielleicht. LG“ Einen Tag später ruft Martin, weil er kein Arschloch sein will, an[strike];[/strike] fragt, wie’s ihr geht und ob sie Lust auf nen Kaffee hat.[red]Absatz![/red] Caro und Martin haben wieder Kaffee getrunken und waren sogar im Kino. Und weil man sich da weder unterhalten noch sehen muss, sind Caro und Martin jetzt ein Paar. Sie werden heiraten, zusammen alt werden, Kinder bekommen und sich einen Scheißdreck füreinander interessieren

Lieber Arno,

ein guter Text, der m.M.n. ein bisschen schlampig umgesetzt - oder zu schnell - niedergeschrieben wurde. ALLES nur MEINE Meinung!!!
Mach was draus, es ist DEIN Text!

LG - man liest sich
 
K

Karn Hardt

Gast
Hi Arno,

was mir noch kurz auffiel:


Caro und Martin begatten sich uninspiriert exakt 7 Minuten und 38 Sekunden, was beide mittelmäßig zufriedenstellt.

Wenn ich das noch richtig mit der Biene und der Blüte aus dem Biologieunterricht der 5.Klasse in Erinnerung habe, funktioniert das "Begatten" nur in eine Richtung :)

LG
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Arno,

richtig schön böser Text. Gefällt mir.

Das hier


Sie werden heiraten, zusammen alt werden, Kinder bekommen und sich einen Scheißdreck füreinander interessieren.
hat mir etwas irritiert. Meinst Du das eher ironisch? Vom Ablauf einer sich realistisch anbahnenden Beziehung im RTL-2-Zeitalter müsste sie eigentlich in serieller Monogamie enden, sprich die Partner haben demnächst einen anderen für die nächsten ein, zwei, sieben o.ä. Jahre.


LG
DS
 



 
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