Ilona B
Mitglied
Mordgelüste
Jeder kennt es. Früher oder später begegnet man einem Menschen, den man auf den ersten Blick, wie es so schön heißt, nicht riechen kann. Mir passierte es ausgerechnet an meinem neuen Arbeitsplatz. Ich freute mich auf den Job, als Industriekauffrau, obwohl die Aussicht in einem Großraumbüro zu sitzen, leichtes Magendrücken verursachte. Na, wenn jeder Rücksicht nimmt und alle Kollegen nett sind, dachte ich, geht das schon. Freundliche Kollegen gab es viele und fast alle nahmen Rücksicht. Der Chef jedoch, in meinem Fall die Chefin, unterlag dieser Beschränkung nicht. Sie hatte mich vom ersten Tag an auf dem Kieker. Ich konnte ihr nichts rechtmachen, ob es nun um dienstliche Belange ging oder um private. Immer schien ein Fehler in meiner Kundenkorrespondenz aufzutauchen und wenn es nur ein vergessenes Komma war. Meine Englischkenntnisse waren nicht modern genug oder klangen zu gestelzt. Ich lachte zu laut oder wieso lachte ich überhaupt. Die Schuhe waren zu hoch und mein Kleid zu kurz. Ich weiß, es hört sich nach Verfolgungswahn an, aber den Kollegen war es auch schon aufgefallen.
„Sag mal, meine liebe Kira, was hast Du unserem General eigentlich getan?“, wollte Eric wissen und schaute mich mitleidig, über den Rand seiner Brille, an. Ich zuckte mit den Achseln und griff zur Kaffeekanne.
„Frau Treu, wo bleiben Sie denn? – Ihr Telefon klingelt schon geraume Zeit.“ Sofort sprang ich auf und eilte zu meinem Schreibtisch. Eigentlich war dies meine offizielle Pause, aber wenn kümmert‘s. Den Feldwebel bestimmt nicht. Ich erwischte den Anrufer nicht mehr, verzichtete jedoch auf meine Pause, denn der Rückruf konnte ja jederzeit erfolgen. Gewürdigt wurde dies nicht.
Abends, bei meiner Schwester, die mich als Babysitter brauchte, versuchte ich meinen Frust los zu werden. Sie hatte es jedoch eilig und so blieben nur meine Neffen übrig. Die beiden interessierten meine Tiraden herzlich wenig und nach kurzer Zeit hielten sie mir ein Märchenbuch unter die Nase und verlangten ihr Essen. Aber sogar dieser Tag ging zu Ende.
„Mensch Gretel, das war klasse.“ Ich hüpfte von einem Bein auf’s andere. Die Begeisterung hatte mich voll im Griff. „Schau mal, wie sie brennt!“ Abrupt blieb ich stehen. Gretel starrte mich an. Nicht lange und sie würde los schreien. Verständlich, denn was hatte ich hier zu suchen. Hier mitten im tiefen Wald, im Knusperhäuschen der bösen Hexe. Zeit aufzuwachen. Der Wecker schellte. Ich blinzelte verschlafen und fühlte mich zufrieden, wie seit langer Zeit nicht mehr. Was wohl an meinem Traum lag und daran, dass die Hexe im Ofen verdächtig nach meiner Chefin, Frau Steinseher-Mainzer, ausgesehen hatte. Ich gebe ja zu, gestern war ich schon leicht genervt, als meine Neffen das Märchen immer und immer wieder hören wollten oder besser gesagt die coolsten Stellen aus der Story. Kein Wunder, dass ich davon geträumt hatte.
Ausgesprochen gut gelaunt machte ich mich fertig und betrat pfeifend das Büro. „Morgen Connie! – Morgen Talin! – Guten Morgen Frau Steinseher-Mainzer!“ Lächelnd ließ ich mich auf meinem Platz nieder. Der irritierte Ausdruck auf dem Gesicht der Chefin, war die reinste Wohltat. Diese Frau brauchte jemanden, den sie schikanieren konnte, erst dann ging es ihr richtig gut. ‚Mit mir nicht mehr.‘ Summend fuhr ich den Computer hoch und holte mir einen Kaffee.
„Frau Treu, was halten Sie davon erst einmal zu arbeiten, bevor Sie Kaffee trinken!“
„Da haben Sie sicher recht, Frau Steinseher-Mainzer.“, ich strahlte sie an, dachte an die brennende Hexe und kippte den Kaffee in das Spülbecken. Zurück am Schreibtisch, schlug ich meine Unterlagen auf. Den restlichen Tag hatte ich meine Ruhe.
Nach Feierabend machte ich einen kleinen Umweg, um in der zwei Straßen entfernten Videothek, eine DVD für die kommende Nacht auszuleihen. Warum sollte es mit einem Film nicht genau so gut funktionieren, wie mit einem Buch. Nach drei Stunden Marathonmann mit Dustin Hoffmann, wobei ich einige Szenen in Zeitlupe wiederholte, schlief ich ein. Im Traum schlüpfte ich in die Rolle des sadistischen Zahnarztes. Opfer, meine Chefin. Ich war gerettet. Solang ich mich in meinen Träumen abreagieren konnte, war alles gut.
Mit der Zeit verlor Frau Steinseher-Mainzer das Interesse an mir.
Jeder kennt es. Früher oder später begegnet man einem Menschen, den man auf den ersten Blick, wie es so schön heißt, nicht riechen kann. Mir passierte es ausgerechnet an meinem neuen Arbeitsplatz. Ich freute mich auf den Job, als Industriekauffrau, obwohl die Aussicht in einem Großraumbüro zu sitzen, leichtes Magendrücken verursachte. Na, wenn jeder Rücksicht nimmt und alle Kollegen nett sind, dachte ich, geht das schon. Freundliche Kollegen gab es viele und fast alle nahmen Rücksicht. Der Chef jedoch, in meinem Fall die Chefin, unterlag dieser Beschränkung nicht. Sie hatte mich vom ersten Tag an auf dem Kieker. Ich konnte ihr nichts rechtmachen, ob es nun um dienstliche Belange ging oder um private. Immer schien ein Fehler in meiner Kundenkorrespondenz aufzutauchen und wenn es nur ein vergessenes Komma war. Meine Englischkenntnisse waren nicht modern genug oder klangen zu gestelzt. Ich lachte zu laut oder wieso lachte ich überhaupt. Die Schuhe waren zu hoch und mein Kleid zu kurz. Ich weiß, es hört sich nach Verfolgungswahn an, aber den Kollegen war es auch schon aufgefallen.
„Sag mal, meine liebe Kira, was hast Du unserem General eigentlich getan?“, wollte Eric wissen und schaute mich mitleidig, über den Rand seiner Brille, an. Ich zuckte mit den Achseln und griff zur Kaffeekanne.
„Frau Treu, wo bleiben Sie denn? – Ihr Telefon klingelt schon geraume Zeit.“ Sofort sprang ich auf und eilte zu meinem Schreibtisch. Eigentlich war dies meine offizielle Pause, aber wenn kümmert‘s. Den Feldwebel bestimmt nicht. Ich erwischte den Anrufer nicht mehr, verzichtete jedoch auf meine Pause, denn der Rückruf konnte ja jederzeit erfolgen. Gewürdigt wurde dies nicht.
Abends, bei meiner Schwester, die mich als Babysitter brauchte, versuchte ich meinen Frust los zu werden. Sie hatte es jedoch eilig und so blieben nur meine Neffen übrig. Die beiden interessierten meine Tiraden herzlich wenig und nach kurzer Zeit hielten sie mir ein Märchenbuch unter die Nase und verlangten ihr Essen. Aber sogar dieser Tag ging zu Ende.
„Mensch Gretel, das war klasse.“ Ich hüpfte von einem Bein auf’s andere. Die Begeisterung hatte mich voll im Griff. „Schau mal, wie sie brennt!“ Abrupt blieb ich stehen. Gretel starrte mich an. Nicht lange und sie würde los schreien. Verständlich, denn was hatte ich hier zu suchen. Hier mitten im tiefen Wald, im Knusperhäuschen der bösen Hexe. Zeit aufzuwachen. Der Wecker schellte. Ich blinzelte verschlafen und fühlte mich zufrieden, wie seit langer Zeit nicht mehr. Was wohl an meinem Traum lag und daran, dass die Hexe im Ofen verdächtig nach meiner Chefin, Frau Steinseher-Mainzer, ausgesehen hatte. Ich gebe ja zu, gestern war ich schon leicht genervt, als meine Neffen das Märchen immer und immer wieder hören wollten oder besser gesagt die coolsten Stellen aus der Story. Kein Wunder, dass ich davon geträumt hatte.
Ausgesprochen gut gelaunt machte ich mich fertig und betrat pfeifend das Büro. „Morgen Connie! – Morgen Talin! – Guten Morgen Frau Steinseher-Mainzer!“ Lächelnd ließ ich mich auf meinem Platz nieder. Der irritierte Ausdruck auf dem Gesicht der Chefin, war die reinste Wohltat. Diese Frau brauchte jemanden, den sie schikanieren konnte, erst dann ging es ihr richtig gut. ‚Mit mir nicht mehr.‘ Summend fuhr ich den Computer hoch und holte mir einen Kaffee.
„Frau Treu, was halten Sie davon erst einmal zu arbeiten, bevor Sie Kaffee trinken!“
„Da haben Sie sicher recht, Frau Steinseher-Mainzer.“, ich strahlte sie an, dachte an die brennende Hexe und kippte den Kaffee in das Spülbecken. Zurück am Schreibtisch, schlug ich meine Unterlagen auf. Den restlichen Tag hatte ich meine Ruhe.
Nach Feierabend machte ich einen kleinen Umweg, um in der zwei Straßen entfernten Videothek, eine DVD für die kommende Nacht auszuleihen. Warum sollte es mit einem Film nicht genau so gut funktionieren, wie mit einem Buch. Nach drei Stunden Marathonmann mit Dustin Hoffmann, wobei ich einige Szenen in Zeitlupe wiederholte, schlief ich ein. Im Traum schlüpfte ich in die Rolle des sadistischen Zahnarztes. Opfer, meine Chefin. Ich war gerettet. Solang ich mich in meinen Träumen abreagieren konnte, war alles gut.
Mit der Zeit verlor Frau Steinseher-Mainzer das Interesse an mir.