Nachdenken über Alltagsrassismus
Zwischen Staubsauger und Wischlappen höre ich im Radio die Sendung: “XXXXXXXXX - Allltagsrassismus. Interviews mit verschiedenen … Menschen“ – fast hätte ich diskriminierenderweise „Ausländer“ gesagt, aber wir sind doch alle Menschen, und jeder ist Ausländer. Fast überall.
Der erste Beitrag eines Mannes, er berichtet, wie er in einem Zugabteil einen freien Platz suchte und schließlich fand, bei älteren Herrschaften. Diese drückten dann in seiner Anwesenheit ihre Taschen eng an den Körper, was er sehr persönlich nahm und verletzend fand. Nein, er sagt nicht: „ältere Herrschaften“, sondern wörtlich „ein Opa und eine Oma“. Ob ich wohl auch schon zu denen gehöre, mit 61? Und ob es empfindlich ist, wenn ich diese Formulierung diskriminierend finde, grüble ich, den Staubsauger schiebend.
Da fällt mir ein, dass mich immer öfter Frauen, die bestimmt 20 oder 30 Jahre jünger sind, mit „ junge Frau“ ansprechen, was mir früher, als ich tatsächlich jung war, nie passiert ist. Ob das auch diskriminierend ist? Pinnoccio im Film fällt mir ein, der zu seinem Ziehvater sagt „ …du bist nicht nur hässlich, du bist auch noch alt.“ Was, wenn er gesagt hätte, „…du bist nicht nur hässlich, sondern auch noch Türke … oder schwarz … oder …“
Aber! Wir wollen doch politisch korrekt bleiben.
Die Musikeinlage im Rundfunk ist vorbei und der nächste Beitrag kommt:
Eine junge Dame meint, wenn sie – nur aufgrund ihres Akzentes - gefragt würde, woher sie denn komme, das sei doch Alltagsrassismus.
Ich muss an meine Auslandsaufenthalte denken.
Als ich eine Zeitlang in Spanien lebte, wurde ich eigentlich selten nach meiner Nationalität gefragt. Naja, bei dem Zungenschlag war das eigentlich unnötig.
Stattdessen wurde ich häufig für mein gutes Spanisch gelobt. War das dann Alltagsrassismus? Ich meine, ein Deutscher macht einem Deutschen doch auch keine Komplimente für sein exzellentes Deutsch. Oder höchst selten.
Da fällt mir ein, ein alter, ich korrigiere: ein ungefähr siebzigjähriger Spanier, fragte mich einst nach meiner Herkunft, auf einer Bank, in der Sonne, am Meer und – nicht unwichtig - in Bilbao und vor ungefähr 30 Jahren. Als ich antwortete: „Deutschland“, kam die Frage “Ost oder West?“ Auf meine Antwort „West“ erschien ein Strahlen in seinem Gesicht und er erwiderte: „Oh. Ulrike Meinhof.“ Doppelte Diskriminierung, wie mir jetzt auffällt: 1. Die Frage nach der Herkunft und 2. die Gleichsetzung der Westdeutschen mit oder die Assoziation zum RAF-Terrorismus, auch wenn bei ihm offensichtlich positiv konnotiert. Oder diskriminiere ich die Basken, weil ich mit dieser Anekdote mutwillig verallgemeinere und unterstelle, dass Basken grundsätzlich …?
Schwierig. Es ist damals so passiert. Punkt.
In der Türkei wurde ich häufig und sehr schnell gefragt, woher ich komme. Das war immer die erste Frage. Die zweite: Ob ich verheiratet sei. Meine männlichen Kollegen wurden dies nicht gefragt. Sexismus?
Also nicht nur aufgrund meiner Nationalität wurde ich diskriminiert, obendrein wegen meines Geschlechts.
Da fällt mir zur Melodie des Staubsaugers ein, dass mein Status als Schwäbin mir auch mancherorts im Inland das Leben schwer macht. Und um das Maß voll zu machen, erinnere ich mich daran, dass mein Vater nach dem Krieg als Flüchtling aus Ungarn kam und hier heiratete.
Ups! Krieg ich auf meine alten, äh … ich meine: fortgeschrittenen Tage noch ein Identitätsproblem? Wer bin ich eigentlich und wenn ja, wie viele? Bin ich Halbungarin oder Schwäbin? Deutsche oder Migrantin oder deutsche Schwäbin mit Migrantenhintergrund, dazu weiblich und nicht mehr ganz jung. Und werde ich also diskriminiert? Wenn ja, als was?
Na, zumindest, dass ich eine ungarische Wurzel habe, weiß fast keiner. Wusste. Jetzt steht es im Netz. Ups!
Noch komplizierter: Als Abkömmling, Verzeihung: Abkömmlingin eines deutschstämmigen Ungarn, der als solcher nach dem Krieg nach Deutschland zurückkehrte, bin ich ja weder noch. In Ungarn war mein Vater Angehöriger einer ausländischen Minderheit. In Deutschland war er Einwanderer, Rückkehrer aus Ungarn.
Ich bin wirklich Ausländer -in. Überall.
Zwischen Staubsauger und Wischlappen höre ich im Radio die Sendung: “XXXXXXXXX - Allltagsrassismus. Interviews mit verschiedenen … Menschen“ – fast hätte ich diskriminierenderweise „Ausländer“ gesagt, aber wir sind doch alle Menschen, und jeder ist Ausländer. Fast überall.
Der erste Beitrag eines Mannes, er berichtet, wie er in einem Zugabteil einen freien Platz suchte und schließlich fand, bei älteren Herrschaften. Diese drückten dann in seiner Anwesenheit ihre Taschen eng an den Körper, was er sehr persönlich nahm und verletzend fand. Nein, er sagt nicht: „ältere Herrschaften“, sondern wörtlich „ein Opa und eine Oma“. Ob ich wohl auch schon zu denen gehöre, mit 61? Und ob es empfindlich ist, wenn ich diese Formulierung diskriminierend finde, grüble ich, den Staubsauger schiebend.
Da fällt mir ein, dass mich immer öfter Frauen, die bestimmt 20 oder 30 Jahre jünger sind, mit „ junge Frau“ ansprechen, was mir früher, als ich tatsächlich jung war, nie passiert ist. Ob das auch diskriminierend ist? Pinnoccio im Film fällt mir ein, der zu seinem Ziehvater sagt „ …du bist nicht nur hässlich, du bist auch noch alt.“ Was, wenn er gesagt hätte, „…du bist nicht nur hässlich, sondern auch noch Türke … oder schwarz … oder …“
Aber! Wir wollen doch politisch korrekt bleiben.
Die Musikeinlage im Rundfunk ist vorbei und der nächste Beitrag kommt:
Eine junge Dame meint, wenn sie – nur aufgrund ihres Akzentes - gefragt würde, woher sie denn komme, das sei doch Alltagsrassismus.
Ich muss an meine Auslandsaufenthalte denken.
Als ich eine Zeitlang in Spanien lebte, wurde ich eigentlich selten nach meiner Nationalität gefragt. Naja, bei dem Zungenschlag war das eigentlich unnötig.
Stattdessen wurde ich häufig für mein gutes Spanisch gelobt. War das dann Alltagsrassismus? Ich meine, ein Deutscher macht einem Deutschen doch auch keine Komplimente für sein exzellentes Deutsch. Oder höchst selten.
Da fällt mir ein, ein alter, ich korrigiere: ein ungefähr siebzigjähriger Spanier, fragte mich einst nach meiner Herkunft, auf einer Bank, in der Sonne, am Meer und – nicht unwichtig - in Bilbao und vor ungefähr 30 Jahren. Als ich antwortete: „Deutschland“, kam die Frage “Ost oder West?“ Auf meine Antwort „West“ erschien ein Strahlen in seinem Gesicht und er erwiderte: „Oh. Ulrike Meinhof.“ Doppelte Diskriminierung, wie mir jetzt auffällt: 1. Die Frage nach der Herkunft und 2. die Gleichsetzung der Westdeutschen mit oder die Assoziation zum RAF-Terrorismus, auch wenn bei ihm offensichtlich positiv konnotiert. Oder diskriminiere ich die Basken, weil ich mit dieser Anekdote mutwillig verallgemeinere und unterstelle, dass Basken grundsätzlich …?
Schwierig. Es ist damals so passiert. Punkt.
In der Türkei wurde ich häufig und sehr schnell gefragt, woher ich komme. Das war immer die erste Frage. Die zweite: Ob ich verheiratet sei. Meine männlichen Kollegen wurden dies nicht gefragt. Sexismus?
Also nicht nur aufgrund meiner Nationalität wurde ich diskriminiert, obendrein wegen meines Geschlechts.
Da fällt mir zur Melodie des Staubsaugers ein, dass mein Status als Schwäbin mir auch mancherorts im Inland das Leben schwer macht. Und um das Maß voll zu machen, erinnere ich mich daran, dass mein Vater nach dem Krieg als Flüchtling aus Ungarn kam und hier heiratete.
Ups! Krieg ich auf meine alten, äh … ich meine: fortgeschrittenen Tage noch ein Identitätsproblem? Wer bin ich eigentlich und wenn ja, wie viele? Bin ich Halbungarin oder Schwäbin? Deutsche oder Migrantin oder deutsche Schwäbin mit Migrantenhintergrund, dazu weiblich und nicht mehr ganz jung. Und werde ich also diskriminiert? Wenn ja, als was?
Na, zumindest, dass ich eine ungarische Wurzel habe, weiß fast keiner. Wusste. Jetzt steht es im Netz. Ups!
Noch komplizierter: Als Abkömmling, Verzeihung: Abkömmlingin eines deutschstämmigen Ungarn, der als solcher nach dem Krieg nach Deutschland zurückkehrte, bin ich ja weder noch. In Ungarn war mein Vater Angehöriger einer ausländischen Minderheit. In Deutschland war er Einwanderer, Rückkehrer aus Ungarn.
Ich bin wirklich Ausländer -in. Überall.