Nachhilfeunterricht

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Paloma

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Gestern war wieder so ein Dienstag. Nicht, dass ich prinzipiell etwas gegen Dienstage hätte, aber Dienstags gebe ich Nachhilfe und zwar in Englisch. Auch das wäre eigentlich noch nicht so furchtbar, wenn nicht das Objekt meiner Bemühungen, Andreas, seit drei Wochen verliebt wäre, und zwar unglücklich! Seitdem lebt er nicht mehr in dieser Welt, er starrt vor sich hin und für seine Englischaufgaben hat er aber auch gar nichts mehr übrig.

Schon als ich mich auf den Weg machte, wusste ich, dass es nicht wirklich fruchtbar sein würde. Nach viermaligen Klingeln, öffnete mir Andreas und knurrte überlaunig irgendwas von: „Ist es schon wieder so weit?“ vor sich hin. Er schlurfte vor mir her und ließ sich wie ein nasser Sack auf seinen Schreibtischstuhl fallen. Der CD-Spieler duddelte etwas sehr modernes, sehr laut vor sich her, Andreas legte die Füße auf den Schreibtisch und ignorierte mich. Vorsichtig versuchte ich erst mal mit ihm ins Gespräch zu kommen, jedoch erfolglos. „Andreas“ sprach ich ihn erneut an „Andreas, wann schreibt ihr denn die Englischarbeit?“ Keine Antwort! Ich merkte wie langsam die Wut in mir hochstieg und ich fühlte wie sich die hektische Röte über meinen Hals ausbreitete.

Ich stand auf und stellte die Musik ab. „ Äh“ raunzte Andreass „ mach wieder an!“ „Nein“ sagte ich, nun schon etwas lauter „Nein, ich bin nicht her gekommen, um mit dir Musik zu hören, oder um zuzusehen wie du Löcher in die Luft starrst. Wir müssen für deine Arbeit üben, und das weist du ganz genau!“ Andreas stand umständlich auf, blickte mich zornig an, wischte sich mit dem Handrücken genervt über das pickelige Gesicht und startete die CD neu. „Hab schon genug gelernt“ murmelte er und ließ sich zur Abwechslung aufs Bett fallen. „ Andreas“ wagte ich einen neuen Versuch „was macht denn Beate, konntest du sie zum Eis einladen?“ Ich kam mir ziemlich geschickt vor, hatte ich doch die leise Hoffnung über diesen Nerv an ihn ranzukommen. Freundlich, so weit mir das noch möglich war, lächelte ich ihn an. Andreas reagierte überhaupt nicht, er hämmerte den Takt der Musik mit seinen Riesenfüßen gegen die Wand. Ich holte tief Luft und versuchte möglichst ruhig zu bleiben. Abermals stellte ich den CD-Spieler ab, und endlich war es still, denn diesmal sagte er auch nichts. Dann – ein lauter Knall, ließ mich zusammenzucken. Sein Kaugummi war geplatzt. In mir platzte auch etwas! Ich sprang auf und schrie: „ Du hast ja meine Telefonnummer, wenn du wieder unter uns lebst, kannst du ja anrufen. Damit rannte ich raus und knallte, so feste es mir möglich war, die Tür hinter mir zu.
Gestern Abend habe ich seine Eltern angerufen, und mich dafür, dass mir die Nerven durchgegangen sind, entschuldigt. Die nächsten Dienstage habe ich frei . . .
 



 
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