Nachtwald

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Vue

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Ellie lief durch den nachmittäglichen Wald. Normalerweise waren Waldspaziergänge etwas für ältere Leute, fand sie - wie z. B. ihre Eltern - aber sie hatte sich tierisch geärgert und mußte sich abreagieren. Sie hatte eine 5 in Mathe mit nach Hause gebracht, und ihre Eltern hatten einen Riesenaufstand gemacht. Ausgerechnet heute hatte ihre beste Freundin schon was vor - ja ja, ihr neuer Freund ging momentan vor allem anderen! Und mit der übrigen Clique herumzuhängen, dazu hatte Ellie keine Lust.
Sie sah auf die Uhr: 4 Uhr. Noch mindestens 3 Stunden bis zum Dunkelwerden. Nein, sie hatte noch genug Zeit, rechtzeitig nach Hause kommen. Da würden sowieso nur ihre Eltern und ihr nerviger Bruder auf sie warten. \"Warum kommst du denn so spät? Was hast du heute gemacht?\" Die Stimme ihrer Mutter hallte in ihrem Kopf.
Erwachsene - was wußten die schon vom wirklichen Leben?! Was wußten die schon von Teenagern?! \"Geh nicht zu weit in den Wald\", hieß es immer, \"und bleib immer schön auf dem Weg. Du könntest dich verirren!\" Ellie stöhnte innerlich. Du meine Güte, sie war doch kein kleines Kind mehr, sie war schon 15!
Das junge Mädchen fragte sich, warum es über diesen Wald so viele Gerüchte gab. Angeblich waren hier schon mehrere Personen in den letzten Jahren verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Inoffiziell hatte dieser Wald den Spitznamen \"Nachtwald\", und es sollte viele gefährliche Tiere darin geben. Ihre Großmutter sprach sogar von \"schrecklichen Nachtwesen\", Ellies Tante faselte von Vampiren, Werwölfen, Nachtalben und wer weiß noch. Und da wollten die Erwachsenen ernst genommen werden, also wirklich!
Zugeben, der Wald war sehr dicht gewachsen, aber was sollte einem schon passieren, wenn man sich auf dem ausgewiesen Weg bewegte? Vampire, Werwölfe - alles Unsinn!
Stimmen rissen Ellie aus ihren Gedanken. Neugierig warf sie einen Blick über die Schulter. Ein älteres Pärchen kam in ihre Richtung, die beiden schwatzten fröhlich. Erwachsene - denen begegnete man auch überall!
Weil ihr die gute Laune der beiden auf die Nerven ging, schlug sie sich in die Büsche und versteckte sich. Das Pärchen war so in sein Gespräch vertieft, daß sie das junge Mädchen gar nicht bemerkt hatte und an ihr vorbeilief. Ellie atmete auf.
Sie wartete noch, bis das Pärchen nicht mehr zu hören war, dann wollte sie auf den Waldweg zurückkehren, doch sie hörte ein leises Rascheln. Der Wind trug ihr einen vertrauten Geruch zu: Pferd.
Auch wenn sie seit Jahren nicht mehr geritten war, eine gewisse Faszination für Pferde wohnte immer noch in ihr. Neugierig folgte sich dem Rascheln und dem Geruch, wobei sie darauf achtete, so leise wie möglich zu sein. Sie wollte unbemerkt bleiben, wenn es ging.
Bildete sie sich das nur ein, oder war es es wirklich etwas dunkler geworden, seit sie den Weg verlassen hatte? Ach was, Unsinn, schalt sie sich in Gedanken.
Sie lief nur ein paar Minuten, dann tauchte zwischen den Baumstämmen der Umriß eines Pferdes auf. Ein weißes Pferd, ging es Ellie durch den Kopf, und was für ein schönes!
Während sie weiterging, betrachtete und begutachtete sie den Schimmel sehr aufmerksam. Gute Proportionen, gut bemuskelt und ein Fell, das sehr gepflegt aussah. Aber weit und breit war kein Reiter zu sehen. Das Pferd trug auch weder Sattel noch Zaumzeug, nicht mal ein Stallhalfter. Ob es irgendwo ausgerissen war?
Dann erkannte Ellie ihren Irrtum: kein Pferd - aus der Stirn des Tieres wuchs ein schmales, in sich gedrehtes Horn. Ein Einhorn - aber das war doch nicht möglich! Ellies Augen kämpften mit ihrem Verstand, schließlich trugen sie den Sieg davon. Wahrhaftig ein Einhorn! Von wegen Nachtwald, von wegen Vampire, Werwölfe und andere Schauergestalten - es gab hier Märchenwesen!
Ihr Herz klopfte schneller, sie lief immer weiter auf das Einhorn zu. Mit einem Mal war alle ihre Vorsicht verschwunden. Welche Gefahr sollte ihr schon von einem so schönen, phantastischen und doch so realen Wesen drohen?
Erinnerungen stiegen in ihr hoch, Erinnerungen an Märchen und Legenden über Einhörner. Daß sie mit dem Horn vergiftetes Wasser säubern können, daß sie die pure Unschuld in persona sind, daß sie sich nur von Jungfrauen einfangen lassen... Und sie war noch Jungfrau!
Nein, einfangen wollte sie das Einhorn nicht, aber es wenigstens einmal berühren, es streicheln. Ihr Herz klopfte immer schneller.
Das Einhorn blieb stehen und wandte ihr den Kopf zu. Blaue Augen, ging es Ellie durch den Kopf, strahlend blaue Augen. Wie im Märchen!
Sie hatte das Tier fast erreicht und tauchte ihren Blick in die sanften Augen. Was für schöne Augen! Was für ein schönes Wesen! Das junge Mädchen hob die Hand und berührte den Nasenrücken des Einhorns. Was für ein weiches Fell!
Das Einhorn ließ sich bereitwillig anfassen, es drückte sogar sanft den Kopf gegen Ellies Hand, als ob es sie zum Streicheln auffordern wollte. Es betrachtete das Mädchen aufmerksam.
Zuerst merkte Ellie es nicht, aber schließlich fiel es ihr doch auf: Das Horn fing an zu glimmen. Nicht sehr hell, aber es leuchtete wirklich von innen heraus. Ellie staunte ein weiteres Mal.
Das Glimmen dauerte nur wenige Minuten, dann war es wieder vorbei. Schade, fand das junge Mädchen.
Plötzlich hob das Einhorn den Kopf und wieherte silberhell. Ellie fand, daß sie noch nie ein so schönes Geräusch gesehen hatte.
Das Tier wieherte nochmal, dann senkte es den Kopf und schlug blitzschnell zu. Das Horn erwischte Ellie hart in der Seite, so daß sie fast zu Boden ging. Ungläubig starrte sie das Einhorn an. Der Ausdruck in den blauen Augen hatte sich verändert, von Sanftheit keine Spur mehr.
Das Horn traf sie noch einmal, diesmal fiel sie hin. Ihre Seite schmerzte wie verrückt. Aber für Schmerzen hatte sie jetzt keine Zeit, sagte sie sich. Sie sprang hektisch auf und rannte los. Das Einhorn galoppierte hinter ihr her und attackierte sie ein drittes Mal: voll ins Kreuz. Ellie stolperte von der Wucht des Aufpralls und konnte sich gerade noch auffangen. Ihr Rücken fing an zu bluten, aber das registrierte sie in ihrer Panik kaum. Sie brach lautstark durchs Unterholz und schrie um Hilfe.
Auch als sie den Waldweg erreichte, hielt sie nicht an. Sie hetzte weiter, immer in Richtung Stadt. In der Ferne hörte sie das silberhelle Wiehern. Das war zuviel! Sie brach in Tränen aus und rannte und rannte.
Das Pärchen, das angelaufen kam, bemerkte sie gar nicht und auch nicht, daß das Einhorn längst die Verfolgung aufgegeben hatte.
Ihre Geschichte glaubte ihr natürlich keiner. \"Halluzinationen\" hieß es, und \"zuviel Phantasie\". Aber insgeheim fürchteten sich die Menschen nun noch etwas mehr vor dem Nachtwald.
 

Amadis

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hallo,

ich hoffe, ich trete dir jetzt nicht zu nahe. ich wurde selbst so manches mal hart kritisiert und weiß, wie das ist. aber es ist ja nicht persönlich gemeint, sondern soll helfen, es vielleicht künftig besser zu machen - und deshalb veröffentlichen wir ja unsere werke, oder?

die geschichte macht auf mich insgesamt einen recht uninspirierten eindruck, so als hättest du dich mit dem vorsatz an die arbeit gemacht, mit gewalt irgend etwas zu "papier" zu bringen.

auch sprachlich solltest du dir ein paar gedanken machen. so gehst du zu beginn ziemlich inflationär mit dem wörtchen "hatte" um ... "... sie hatte sich tierisch geärgert ...", "sie hatte eine 5 in mathe ..." usw.. auch die Wendung "das junge mädchen" finde ich etwas unglücklich, ist aber geschmackssache. was du aber in einem solchen umfeld (märchen, fantasy) unbedingt vermeiden solltest, ist straßenjargon (außer in wörtlicher rede natürlich) wie "... voll ins kreuz..." oder "... ihre seite schmerzte wie verrückt ...". das passt einfach nicht. auch "... das angelaufen kam ..." ist kein gutes deutsch. "herbeieilte" ist im märchen/fantasy-umfeld sicherlich erlaubt.

was mir etwas fehlt, ist eine beschreibung der stimmung, der umgebung, wenn dein prot das einhorn sieht. so könnte es z.b. auf einer lichtung im wald im hellen sonnenschein stehen o.ä.. insgesamt kommt die stimmung zu kurz und die ist für mich gerade bei einem märchen oder einer fantasy-story mit das wichtigste.

auf ein paar tippfehler gehe ich jetzt nicht ein, das passiert jedem. allerdings "...daß sie noch nie ein so schönes Geräusch gesehen hatte..." hmm.

wie gesagt: nicht böse sein, aber du solltest die story komplett überarbeiten.

gruß

amadis
 

Vue

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Hallo, Amadis,

vielen Dank für die Kritik.
Mit dem "uninspiriert" hast du wohl nicht ganz Unrecht, denn ich gebe selten einen meiner Texte jemandem zum Lesen, und online einen davon hingestellt hab ich noch nie. Da saß mir beim Schreiben wohl ein wenig Angst im Nacken.
Was meinst du mit dem Wort "inflationär"? Daß ich zu umgangssprachlich schreibe?
Du hast mich bei einem meiner Hauptfehler ertappt: daß ich zuwenig die Stimmung beschreibe. Da muß ich wirklich dran arbeiten.
Und daß mit dem "Geräusch gesehen" war ein "schöner" Flüchtigkeitsfehler.

Gruß,
Vue
 

Amadis

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hallo,

was das thema "uninspiriert" angeht ein tipp: du solltest dich niemals hinsetzen mit dem vorsatz "so, jetzt schreibe ich eine geschichte!" ohne eine idee zu haben, was du schreiben möchtest (diesen eindruck macht deine geschichte auf mich), sondern wenn dir eine geschichte oder ein thema durch den kopf geht, darüber nachdenken und dich ein oder zwei tage später daran machen, das ganze niederzuschreiben. ich schreibe oft einfach nur eine idee in ein paar kurzen sätzen auf und komme später (manchmal monate später) darauf zurück.

mit inflationär meine ich einfach, dass du nicht in fast jedem satz die gleichen wendungen benutzen solltest (in diesem fall mit "hatte"). das war das erste, was mir bei deinem text auffiel. das ist sprachlich nicht sehr schön, liest sich holprig und ist auch unnötig. einfach nachdenken, wie man das gleiche auch mit anderen worten ausdrücken kann.

gruß
amadis
 



 
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