nagende Betrübtheit (gelöscht)

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Ralf Langer

Mitglied
hallo müder Dichter,

thematisch bin ich ganz bei dir.
sprachlich ist das sehr strange.

"Es sehnt sich nach gebraucht zu werden,
gefühlvoll liebkost,
von zarten Schwüren die ersterben
lassen, Angst vor Gebundenheit."

dieser satz ist so in sich zerbröselt. er bleibt fast unverständlich. So spricht und denkt doch niemand.

der Text hat Potential.
da mußt du nochmal "ordentlich" drüber schmergeln....
Lg
Ralf
 
Hallo Ralf Langer

Danke für deine konstruktive Rückmeldung.
Ich bin noch unentschlossen, ob ich mir die
Zeit und Muße nehme zu "schmergeln" oder
ob ich den Text einfach unter "Experiment" abhake.

Aber ich verstehe über was du gestolpert bist und auch,
dass dir dieser Satz unverständlich erscheint.

So spricht und denkt doch niemand.
Mir ist im Alltag noch nie jemand begegnet, der in gedichtform spricht :). Aber im Ernst, in einem Gedicht ist
es nach meinem Verständnis zulässig "von gewohnter Anordnung von Wörtern, Wortgruppen und Sätzen abzuweichen". (https://de.wikipedia.org/wiki/Lyrik)

Beste Grüße
müder Dichter
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo müder dichter,

da hab ich mich mißverständlixh ausgedrückt:

die sprache der lyrik ist natürlich nicht die zwingend die sprache des alltags ( denke das das bei meinen gedichten auch so ist), aber
die letzte zeile der von mir angeführten strophe läuft in die "irre". der letzte einschub " angst vor Gebundenheit" platzt meinem sprachempfinden nach in diesen satz hinein.

ich werde gerne in den nächsten tagen wenn du magst etwas ausführlicher darauf eingehen...

lg
Ralf
 

Tula

Mitglied
hallo müder dichter

es stimmt zwar, dass "alles erlaubt" ist in der modernen Lyrik. Das bedeutet aber nicht, dass auch "irgendetwas" gut genug ist.

Ohne hier theoretisch zu werden, dem Gedicht fehlt es meiner Ansicht nach an sprachlicher Harmonie und Rhythmus. Das erwarte ich von einem Reim-Gedicht. Dabei muss und soll es nicht leiern, sollte aber doch "angenehm klingen".

Beispiel:
wo fern von fremdem Urteil, frei
von Maske, mir das ich-sein behagt.


Das springt von 8 auf 9 Silber mit Betonung der letzten. Das klingt einfach nicht besonders.

Und auch im Vergleich mit der ersten stimmt das nicht:

An meiner Seele Betrübtheit nagt,
...
von Maske, mir das ich-sein behagt.


Beide Zeilen stehen rhythmisch in keinem Verhältnis.

"Abhaken" würde ich es nicht, das erscheint mir dann doch zu "müde". Einfach nochmal durchgehen schlage auch ich vor.

Textlich ist es mir auch zu schwülstig.

LG
Tula
 
Hallo Ralf Langer

Ich hab mich dazu entschlossen noch herum zu schmergeln.
Gerne würde ich deine Meinung zur überarbeiteten Version hören.

Vielen Dank und Gruss
vom müden Dichter
 
Hallo Tula

Danke für deine Rückmeldung.

An meiner Seele Betrübtheit nagt,
...
von Maske, mir das ich-sein behagt.

Beide Zeilen stehen rhythmisch in keinem Verhältnis.
Kannst du mir da bitte noch etwas weiterhelfen? Ich hab darauf geachtet, dass die Silbenlänge und die Betonung übereinstimmen und war auch der Meinung das erreicht zu haben.
Beide Zeilen haben doch 9 Silben, immer zuerst eine unbetonte Silbe gefolgt von einer Betonten. Oder was meinst du genau mit "rhytmisch in keinem Verhältnis?

Danke
müder Dichter
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Guten Morgen du müder Dichter :)

Leider holpert es nach wie vor ein wenig.
Das liegt vorallem auch an der (wie schon erwähnt)
seltsamen Satzstellung.

Natürlich soll und darf ein Gedicht mit Formulierungen
aufwarten, die überraschen.
In dem Moment, in dem sie allerdings so skurril anmuten,
dass der Leser aus dem Rhythmus gerät und stockt, sind sie
eher unvorteilhaft.



Seit die Betrübtheit an mir nagt
mich dürstet nur allein zu sein
So satt von den Empfindungsvöllerein
Such ich in mir den sichren Schrein
Wo fern von jedem Urteil, frei
von Masken, mir das Ich behagt.

Nur findet in der Einsamkeit
Mein Herz nur wenig Trost
Es sehnt sich so gebraucht zu werden
Und liebevoll umkost
Von jenen Schwüren die ersterben
Aus Angst vor der Gebundenheit.



Ist nur so ein Vorschlag ;)
Vielleicht ist ja was dabei.

L.G
Patrick
 

Tula

Mitglied
Hebungen

Hallo nochmal

zu Deiner Frage, es geht um die Hebungen der Silben:

An meiner Seele Betrübtheit nagt,
...
von Maske, mir das ich-sein behagt.
Wenn Du herausheben willst, dass es sich gerade um DEINE Seele handelt, dann hast Du sogar etwas recht. Ich würde es betont aber so lesen:

An meiner Seele Betrübtheit nagt,
...
von Maske, mir das ich-sein behagt.

oder eben:
vvvVv vVvv
vVvvv Vvvv

LG
Tula
 

Ralf Langer

Mitglied
Vorsicht : ein falsches Wort

An meiner Seele Betrübtheit nagt,
es dürstet mich allein zu sein.
Satt von Empfindungsvöllerei,
weiss ich in mir sicheren Schrein,
wo fern von fremdem Urteil, frei
von Maske, mir das ich-sein behagt.

Doch findet in der Einsamkeit,
mein Herz keinen Trost.
Es sehnt sich nach gebraucht zu werden,
gefühlvoll liebkost,
von zarten Schwüren die ersterben
lassen, Angst vor Gebundenheit.


Hallo müder Dichter,
ich noch einmal,

ich würde dich gerne Abseits aller rhythmischen Problematiken gerne auf etwas hinweisen, das zumindest Teil meiner lyrischen Erfahrungen ist.
Mir geht es im folgenden hauptsätzlich um substantivierte Adjektive. Ich empfinde sie in den meisten Fällen als besonders „hässlich“, und empfehle nur den seltensten Gebrauch zu diesem Sprachkonstrukt.
Natürlich haben sie den Vorteil das sich leicht Reime zusammenstellen lassen, aber als Worte sind sie , wie soll ich sagen, vielleicht, „kalt“.

Hier bei dir sind es: Betrübtheit,, Einsamkeit und Gebundenheit.

Was meine ich?:

Betrübt, zum Beispiel ist das Adjektiv, es ist ein „wie-Wort“, also ein erklärendes Wort. Es sagt dem Leser, welche Empfindung vorherrscht. ( in diesem Sinne sind adjektive schlechthin Imperative, denn sie sagen sehr genau und umetaphorisch, was sich der Leser zu denken hat. Also, empfehlrte ich auch grundsätzlich nur den Gebrauch von Adjektiven dort wo sich kein Bild das die Stimmung ausdrückt finden lässt9
Aber zurück zum Substantivieren.

Betrübt ist also das urprüngliche Wort, eine alte Zusamenfassung des betrübtsein wäre die Betrübnis. Die Betrübnis entspräche dem Substantiv des Zusatndes in dem sich eine einzelne Person befindet.

Betrübtheit im Gegensatz dazu( und damit auch alle Worte die auf – heit, und -keit enden) um schließt alle möglichen Zustände, Arten und Weisen des betrübtseins, quasi aller „Menschen“.

Und hier ist das inhaltliche Problem für mich. Denn in der Lyrik gibt es ja das lyrische ich oder das lyrische du, also immer einen Einzelnen. Das substantivierte Adjektiv meint aber immer „alles“.

Hier empfinde ich einen Widerspruch der sich am besten auflösen lässt, wenn man diese Worrtfamilien meidet!

Also meine Empfehlung, meinen Ausführungen folgend:

Worte auf – heit und -keit möglichst umgehen. Wenn es sich nicht anders darstellen lässt zum ursprünglichen Adjektiv greifen, aber auch diese weiträumig meiden, wenn sich eine Metapher, die dem Leser seinen eigenen gedanklichen Spielraum lässt, findet.

Eine Möglichkeit, die nicht immer funktioniert ist das Partizip.
Also zum Beispiel: statt Gebundenheit, das „Gebundene“
Also : Angst vor Gebundenem

Was aber in diesem Satz so nicht funktioniert.

Am lyrischsten empfände ich es, wenn du zum Beispiel für:
„An meiner Seele Betrübtheit nagt“
eine Metapher fändest. Das ist nicht leicht. Denn du hast hier das große Wort „Seele“ und die „Betrübtheit“ und das verb „nagen“.
Ein Entwurf zu einem metaphorischen Bild wäre der Weg über das Betrübte sein.
Etwas ist also trübe, es ist nicht einsichtig, vielleicht wallt ein Nebel.... trübe ist was nicht klar ist, nicht ein und nicht „durch“sichtig. Da ist Trauer, vielleicht Melancholie.

Ich sehe vielleicht einen Menschen der unsicher ist:

„Meine Blicke kauen Fingernägel“, wäre ein zaghafter Entwurf meinerseits, wobei sich trefflich über „Blicke“ streiten liesse. Da gibt es sicherlich besseres.

Aber nur um es gegenüberzustellen:

„An meiner Seele Betrübtheit nagt“

„Meine Blicke kauen Fingernägel“

Statt eines durch das substantivierte Adjektiv fast akademischen Satzes haben wir in meinem Beispiel ein Bild, und in diesem Bild den Freiraum für die Gedanken des Lesers.

(Ich erwähne nur der Form halber noch einmal: das ist meine Sichtweise. Ich erhebe mit ihr keinen Anspruch auf alleinige Wahrheit).

Dir einen lieben Gruß
ralf
 
Hallo Rolf Langer

Vielen Dank für deine ausführlichen Erklärungen.
Bei substantivierten Adjektiven klingelt was in meinem müden Kopf. Bereits an anderer Stelle habe ich gehört, dass man diese tunlichst vermeiden sollte. Von der Theorie zur Praxis ist es jedoch ein langer Weg und irgendwo ist dieses Wissen dann wohl auf der Strecke geblieben. Seis drum.

Danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast. Werde deinen Input im Hinterkopf behalten, wenn ich mich an die Überarbeitung wage.

Ein morgentlicher Gruss vom
müden Dichter
 
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