nebelmorgen II (gelöscht)

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Julia,

inhaltlich kann ich Deinen Text diesmal gut verstehen.

Ein Problem habe ich mit einem der Bindestriche

- orschwarz

da finde ich keinen ergänzenden Buchstaben, aber für sich allein kann dieses Wort doch nicht bestehen?

Deine Experimentierfreude beeindruckt mich diesmal sehr, denn ich finde, dass hier die Form dem Inhalt sehr weit entgegenkommt. Immer wieder wird die bevorstehende Trennung deutlich gemacht, aber auch der Wunsch, eben das zu verhindern, sichtbar durch die halben Wörter, die dann erst in der nächsten Zeile ihre Ergänzung finden, obgleich diese Zeile auch für sich genommen bestehen kann. Exzellent!

Leider kann man man das beim lauten Lesen nicht deutlich machen, glaube ich wenigstens. Nun bin ich der Meinung, dass Lyrik niemals abgelesen, sondern immer auswendig gesprochen werden sollte. Aber wer tut sich schon Lyriklesungen an! Gedichte schlafen zwischen Buchdeckeln und werden lebendig, bestenfalls, wenn der Der Leser selbst sie laut spricht, insofern ist Dein Text völlig gerechtfertigt.

Ich bin gespannt auf Deine Erläuterung zu meiner Frage.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

rosste

Mitglied
Antwort an das lyrische "ich":

ich bin die nacht
ich bin der mann
das dunkle soll nicht mangeln

du schwebst davon-
das will ich nicht
dein` nebel will ich fangen

LG, Stephan

"-orschwarz" - gehört da ch von ich dazu ? also chorschwarz ?
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Julia,

an chorschwarz hatte ich auch schon gedacht, dann bliebe das "i" auf der vorigen Zeile allein zurück.

Allerdings ergäbe es einen Sinn. Der Wimpernkranz wehrt sich dagegen, dass das Licht nun aus dem Osten doch heraufdämmert.

Diese Sequenz erinnert mich am stärksten an Romeo und Julia,
Du weißt schon: "Es ist die Nachtigall und nicht die Lerche, die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang", versucht Julia Romeo zu beruhigen. Leider war dem dann nicht so.
Und in Deinem Text ist es nicht das Ohr, sondern das Auge, das den nahenden Morgen wahrnimmt.

Shakespeare hat mit "Romeo und Julia" zwei Dualseelen beschrieben, wie es die Esotheriker ausdrücken würden, also zwei Seelen, die unverbrüchlich zueinander gehören. Da die Erde bis jetzt noch kein Ort ist,der so viel Harmonie tragen kann, mussten sie getrennt werden.

Aber wie auch immer, Abschiede sind für Liebende so unglaublich schwer.

Liebe Grüße abermals!:)
Vera-Lena
 

presque_rien

Mitglied
Liebe Vera-Lena, Lieber Stephan,

vielen Dank für die verständnisvollen, intelligenten und kreativen Kommentare ;-), und danke fürs Nachfragen!

Das mit ich und -orschwarz ist genauso aufgebaut, wie der Rest der Bindestrich-Spiele: "ichorschwarz" enthält den Begriff "Ichor" - in der griechischen Mythologie die Flüssigkeit, die statt Blut in den Adern der Götter fließt (wobei im altgriechischen Blut generell eher schwarz als rot ist).
Nicht, dass ihr denkt, ich tue jetzt irgendwie superschlau ;-) - ich kenne dieses Wort auch erst seit einem Tag, ich suchte im großen Brockhaus (!) gezielt nach einem Wort, das mit "ich" anfängt und dann weitergeht, ohne der "ich"-Familie anzugehören (also nicht "Ichbezogenheit" etc.). Ich war sehr erstaunt und glücklich, ein so cooles Wort gefunden zu haben, was hier echt gut hinpasst (wie ich finde)!!! Dichten bildet *lach*!!!


Liebe Vera-Lena,

ich freu mich sehr, dass der Inhalt klar wird :) - das ist für mich ja eher etwas Ungewöhnliches ;-))...

Du hast vollkommen recht, viele meiner Gedichte lassen sich eigentlich nur von Papier lesen, und machen beim Hören einen ganz anderen (bzw. nicht den richtigen) Eindruck, was ich echt schade finde :-(. Mein Freund - dem übrigens die noch fortzusetzende "nebelmorgen"-Reihe gewidmet ist - schimpft immer: "Kannst du nicht mal ein Gedicht schreiben, was man EINFACH SO RUNTERLESEN KANN?!?!" Aber was mich am Dichten fasziniert, ist gerade das Vieldeutige der Sprache - ich LIEBE Deutsch, es ist wunderbar, es lässt sich zerlegen und zusammensetzen, und in Verschmelzung und Auseinanderzerrung, in Komposita und Derivation entstehen plötzlich Bedeutungen, die neu sind, und manchmal gegensätzlich zu ihrem Ursprung - :)
:) :)...
Ich danke dir übrigens sehr für dein "Exzellent!", und dass du deinen Eindruck von der Form des Gedichtes schilderst - das ist genau, wie ich es mir gewünscht habe :)!!! Ich möchte die Reihe gerne noch fortsetzen, und in vollkommen De(kon)struktion von Struktur und Inhalt enden - nebelartige Auflösung... (Und meine Zwischenprüfung rückt immer näher *heul*)...

Einen wunderschönen Abend
wünscht Julia



Lieber Stephan,

ich hoffe, ich konnte die Fragen zum Anfang der zweiten Strophe beantworten...

Das lyrische Ich fühlt sich von dir wunderbar verstanden :)! Die Antwort kommt - in "nebelmorgen III"!

LG,
Julia
 

presque_rien

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

hallo nochmals ;-) - da bist du mir mit deinem zweiten Kommentar zuvorgekommen - das ist eine wirklich schöne Interpretation - und wenn man nicht Professor der klassischen Philologie ist, wahrscheinlich die zugänglichere! Danke für diese Gedanken!

Seltsam, dass der Morgen manchmal so grausam erscheint - obwohl der Mensch ja ein "Tageswesen" ist - Dunkelheit ist eben Verschmelzung, Licht zerreißt, was zusammengehört (Ich verstehe nicht, dass Shakespeare heute immer "modern" aufgefürt wird - diese Stücke sind "so wie sie sind" so modern, wie irgendetwas nur sein kann...) -

Ich verweise mal auf dein wunderbares "Erwählt" :)!

Gute Nacht!
Julia
 

Montgelas

Mitglied
liebe presque_rien,

ich bin gespannt
und auch skeptisch,
wie sich die metaplasmen (?)in typographie auflösen.


und warte auf nebelmorgen III

alles liebe

montgelas
 

presque_rien

Mitglied
Lieber Montgelas,

auch ich setzte hinter "metaplasmen" ein Fragezeichen: ?

Warum so skeptisch? ;-)

Einen sonnigen Morgen wünscht
presque_rien
 



 
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