Neu geboren werden

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ebbajones

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Es war mitten in der Nacht, Bhagawan saß in seiner Hütte aus Holz, Ästen und Lehm und machte sich große Sorgen. Bhagawan machte sich ständig Sorgen, doch jetzt in der Zeit vor dem Monsun wurden sie übermächtig. Eine leichte Brise war aufgekommen und fuhr durch das Dach aus Palmblättern. Die Hütte von Bhagawan und seiner Familie stand am Ende des Dorfes. Ein sorgfältig ausgewählter Platz auf der vom Wind abgewandten Seite. Niemand wollte die Luft von Bhagawan und seiner Familie einatmen. Wie um Bhagawans Sorgen zu unterstreichen setzte ein leichter Regen ein. Leise um seine Frau nicht aufzuwecken, stellte er einen Eimer vor die Hütte, um das kostbare Nass aufzufangen. Er verweilte einen Moment in der Dunkelheit und genoss die sanfte, weiche Berührung des Wassers auf seiner Haut. Ein unglaublich belebendes Gefühl nach der langen Trockenzeit. Doch der Regen war ein launischer Wohltäter. Nicht mehr lange und das staubtrockene Land würde aufblühen unter den Regengüssen des Monsun oder ertrinken in seinen Wassermassen. Umar drehte sich unruhig mit einem leichten Stöhnen auf die andere Seite. Selbst im Schlaf sah sie erschöpft aus. Umar war Bhagawan eine gute Frau. Seit sie in diesem Dorf einen Platz für ihre neue Hütte gefunden hatten stand sie jeden Morgen klaglos auf, um in der nahe gelegenen Fabrik zu arbeiten. Bhagawan selbst knechtete wieder auf den Feldern eines Grundbesitzers. Trotzdem hatten sie kaum genug zum Überleben. Mit einem tiefen Seufzer löschte Bhagawan das Licht der kleinen Lampe und legte sich neben Umar. Sobald sich ihre Körper berührten wurde ihr Schlaf entspannter. Fast andächtig lauschte Bhagawan noch einen Moment dem gleichmäßigen Atmen seiner Kinder, die ebenfalls eng aneinander geschmiegt neben ihnen lagen. Das leichte Röcheln der letzten Nächte hatten ihm Sorgen bereitet, doch es war verschwunden. Vorsichtig legte Bhagawan die Arme um Umar, die sich wie immer sofort Schutz suchend an ihn drückte. Jedes mal, wenn sie das tat, war Bhagawans Herz erfüllt von Scham. Er hatte sie nicht schützen können. Dabei hatte er so sehr von einem besseren Leben für seine Familie geträumt. Einem Dasein in dem sich niemand durch eine Berührung mit ihnen beschmutzt, geschändet oder unrein fühlen musste. Einer Existenz, in der sie nicht von der Wiege bis ins Grab mit einem lückenlosen sozialen Ausschluss konfrontiert waren. Lange Zeit hatten Bhagawan und Umar hart für diesen Traum gearbeitet. Dann eines Tages schien er Wirklichkeit zu werden. Niemals würde Bhagawan den Moment vergessen, als seine Füße zum ersten Mal sein eigenes Stück Land berührt hatten. Doch er wollte noch mehr. Den Fluch brechen, der ihm auf die Stirn zu schreiben schien: Ich bin nichts wert, Müll, weniger als ein Wurm auf der Straße. Bhagawan ging zur Polizei, um seine verfassungsmäßigen Rechte zu erzwingen. Das Recht den Dorfbrunnen zu benutzen. Das Recht nicht mehr vor den Geschäften warten zu müssen, um die Bestellungen hineinzurufen. Das Recht auf medizinische Versorgung. Bhagawan begann zu vergessen, dass er ein sündiger Mensch war. Das sein Karma die Strafe war für ein Vergehen in einem früheren Leben. Sie kamen in der Nacht um ihn daran zu erinnern, verprügelten Umar und die Kinder, töteten seine Tiere und brannten sein Haus nieder. Bhagawan und seiner Familie war nur die Flucht geblieben. Oft, so wie auch in dieser Nacht, wenn ihn die Sorgen nicht schlafen ließen, berührte er die Narben auf Umars Stirn. Sie fühlten sich derb und knotig an, auf ihrer sonst glatten zarten Haut. Der Makel der Unberührbarkeit war in jener Nacht sichtbar geworden. Um Bhagawan zu mahnen, dass der Fluch mit der Geburt vorbestimmt war und man nicht davon erlöst werden konnte. Nur durch neu geboren werden.
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo ebbajones,

erst einmal nur eine formale Anmerkung:

Du solltest den Text unbedingt in einige Absätze unterteilen.
Er ist in dieser Form sehr anstrengend zu lesen.

Liebe Grüße
Manfred
 



 
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