Seit sechzig Tagen war sein PC nun eingeschaltet und Online.
Mühsam schleppte er sich aus seinem süffigen Bett, vorbei an dutzenden Pizzaschachteln und setzte sich wieder vor den flackernden Bildschirm. Wie immer blinkten seine ganzen Chatprogramme und seine Tastatur lauerte nur auf seine Finger. Viele Onlinekontakte kannten ihn nur als erfolgreichen Geschäftsmann. In Wirklichkeit war davon nicht mehr viel übrig geblieben. Er war nur noch eine bemietleidenswerte Kreatur, gefangen in einer virtuellen Welt.
Alle Onlinekontakte bekamen erst einmal die übliche, „Hallo wie geht’s?“, Heuchelei zugesandt. Jeden Tag überwand er mit solchen hohlen Phrasen. Doch seit acht Tagen fehlten ihm zwei seiner wichtigsten Kontakte. Diese hatte er irgendwann in einer anderen Welt kennen gelernt. Beide hatten ihm diese anonyme virtuelle Welt gezeigt und beide hatten ihm auch geholfen, nachdem es passiert war. Allerdings hatten sie seit acht Tagen nicht mehr geantwortet. Er fragte sich natürlich, ob er irgendetwas falsch gemacht hatte, verdrängte diese Gedanken aber, sobald er sich wieder seine Finger wund tippte.
Mittlerweile waren schon drei Stunden vor dem Monitor vergangen. Plötzlich tauchte zwischen dem üblichen Gelaber etwas auf, das ihn aus seiner Lethargie riss. Jemand fragte ob er schon die Sache von Birgit und Klaus gehört habe. Diese beiden Namen verwirrten ihn und ihn durchfuhr ein leichter Schauer. Erst konnte er sie seinen beiden vermissten Bekannten zuordnen und dann tauchten langsam zwei reale Gesichter, vor seinem inneren Auge, auf. „Nein!“, lautete seine Antwort, „Was ist denn mit ihnen?“. Lange kam keine Antwort, doch dann, „Beide sind bei einem Autounfall gestorben. Ich muss dann mal in die Küche, mein Essen ist fertig. Tschüß.“.
Wie aus einem bösen Traum erwacht, starrte er in den Bildschirm. Er rieb sich die Augen, versuchte es zu verdrängen, doch er konnte nicht. Eine gewaltige Bilderflut stürmte wie eine Elefantenhorde auf ihn ein. Worte dröhnten in seinem Kopf. „Dann geh doch zu deiner Mutter!“, er sah eine Frau durch eine Autotür verschwinden. Auch das quietschen von Reifen hörte er. Benommen ließ er sich auf sein Bett fallen und gab den Kampf dagegen auf.
Wieder war er zu seiner Sarah gerannt und wieder hatte er sie zu spät erreicht. Mit weit aufgerissenen Augen hatte er in ihr eingedrücktes Gesicht gesehen und warmes Blut war durch seine Hände, auf den kalten Asphalt, geströmt. Angsterfüllt hatte er eine Hand auf ihren Bauch gelegt, doch dort hatte sich nichts mehr geregt.
Er hörte sich schreien und spürte noch immer die Kehle von dem Trunkenbold, der sein bisheriges Leben auslöschte, in seinen Händen. Doch war es nur ein Kissen. Immer wieder schlug er darauf ein. Wut, Rachegelüste und Verzweiflung durchströmten seinen Körper. Dann wurde er ohnmächtig.
Als er langsam wieder zu sich kam, fühlte er sich leer. Er sah sich in seiner Wohnung um und ihn kotzte alles an.
„Du hast auch noch uns.“ Hatten Birgit und Klaus gesagt, als er schon einmal all seine Kraft verloren hatte. Er konnte sich nicht gegen dieses Verlangen wehren und wollte es auch nicht mehr. Irgendetwas zog ihn zu seinem Fenster, das er schon ewig nicht mehr geputzt hatte. Er öffnete es und warf einen Blick in die lockende Tiefe. Ein älteres Pärchen auf dem Gehweg sah auf, als er sich auf das Fensterbrett setzte. Doch es war ihm egal. Er holte tief Luft und beugte sich langsam nach vorne. Ein Gefühl der Erleichterung wurde mit jedem Zentimeter stärker. Er sah auch einen Pizzaboten in seinen Hauseingang stürmen, doch auch das war nun nicht mehr wichtig. Seine Augen schlossen sich langsam und er spürte einen warmen Windhauch in seinem Gesicht. Er glitt von dem Fensterbrett.
Irgendein dummer Reflex lies es nicht zu, das er so einfach davon kommt. Als er seine Augen öffnete, baumelte er wie ein nasser Sack am Fensterbrett. Er konnte nicht loslassen und die anfängliche Erleichterung wich der blanken Angst. Wirre Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Er machte sich Sorgen, um das Grab seiner Frau und seine Steuererklärung. Als er Schreie unter sich hörte, wollte er nur noch wieder zurück, sich in seine virtuelle Welt flüchten, doch das ging nicht so einfach. Er strampelte verzweifelt und versuchte sich hoch zu ziehen. Seine nackten Füße rissen an der rauen Hauswand auf. Eine rote Spur der Verzweiflung floss an dem warmen Mauerwerk herab.
Ihm fiel nun auf, das er in dreckiger Unterwäsche an der Hauswand hang und war peinlich berührt. So wollte er nicht sterben. Er hörte seine Frau, die ihm „ Ich liebe dich, mach nicht so einen Scheiß“ ins Ohr flüsterte. Ein leises Echo seines alten Ehrgeizes kehrte in ihn zurück und er nahm sich vor alles zu ändern. Duschen, Wohnung aufräumen und wieder arbeiten gehen, schwebten ihm vor. Eine kalte Berührung riss ihn aus seinen Gedanken. Der Pizzajunge hatte die Tür aufgebrochen und versuchte ihn nun wieder in seine Wohnung zu zerren. Er sah in das entschlossene Gesicht von Benjamin und brachte seine letzte Kraft auf. Langsam schob er sich nach oben, seinem neuen Leben entgegen. Benjamins Gesicht entwich jedoch die anfängliche Entschlossenheit und war nun schmerzverzerrt. Langsam glitt er wieder nach unten. Benjamins Hände waren von den ganzen italienischem Fastfood zu fettig geworden. Beide sahen sich mit entsetzten Gesichtern an, wollten aber nicht aufgeben. Er rutschte von der Hauswand ab und diese Kraft reichte aus, um ihn aus Benjamins Händen zu reißen. Benjamin schrie, „Es tut mir leid!“.
Verzweiflung und Angst machten sich in ihm breit und es wurde langsam alles dunkel. Die entsetzten Schreie hörte er schon nicht mehr, als sein Körper krachend auf dem Bürgersteig landete. Er war schon offline.
Mühsam schleppte er sich aus seinem süffigen Bett, vorbei an dutzenden Pizzaschachteln und setzte sich wieder vor den flackernden Bildschirm. Wie immer blinkten seine ganzen Chatprogramme und seine Tastatur lauerte nur auf seine Finger. Viele Onlinekontakte kannten ihn nur als erfolgreichen Geschäftsmann. In Wirklichkeit war davon nicht mehr viel übrig geblieben. Er war nur noch eine bemietleidenswerte Kreatur, gefangen in einer virtuellen Welt.
Alle Onlinekontakte bekamen erst einmal die übliche, „Hallo wie geht’s?“, Heuchelei zugesandt. Jeden Tag überwand er mit solchen hohlen Phrasen. Doch seit acht Tagen fehlten ihm zwei seiner wichtigsten Kontakte. Diese hatte er irgendwann in einer anderen Welt kennen gelernt. Beide hatten ihm diese anonyme virtuelle Welt gezeigt und beide hatten ihm auch geholfen, nachdem es passiert war. Allerdings hatten sie seit acht Tagen nicht mehr geantwortet. Er fragte sich natürlich, ob er irgendetwas falsch gemacht hatte, verdrängte diese Gedanken aber, sobald er sich wieder seine Finger wund tippte.
Mittlerweile waren schon drei Stunden vor dem Monitor vergangen. Plötzlich tauchte zwischen dem üblichen Gelaber etwas auf, das ihn aus seiner Lethargie riss. Jemand fragte ob er schon die Sache von Birgit und Klaus gehört habe. Diese beiden Namen verwirrten ihn und ihn durchfuhr ein leichter Schauer. Erst konnte er sie seinen beiden vermissten Bekannten zuordnen und dann tauchten langsam zwei reale Gesichter, vor seinem inneren Auge, auf. „Nein!“, lautete seine Antwort, „Was ist denn mit ihnen?“. Lange kam keine Antwort, doch dann, „Beide sind bei einem Autounfall gestorben. Ich muss dann mal in die Küche, mein Essen ist fertig. Tschüß.“.
Wie aus einem bösen Traum erwacht, starrte er in den Bildschirm. Er rieb sich die Augen, versuchte es zu verdrängen, doch er konnte nicht. Eine gewaltige Bilderflut stürmte wie eine Elefantenhorde auf ihn ein. Worte dröhnten in seinem Kopf. „Dann geh doch zu deiner Mutter!“, er sah eine Frau durch eine Autotür verschwinden. Auch das quietschen von Reifen hörte er. Benommen ließ er sich auf sein Bett fallen und gab den Kampf dagegen auf.
Wieder war er zu seiner Sarah gerannt und wieder hatte er sie zu spät erreicht. Mit weit aufgerissenen Augen hatte er in ihr eingedrücktes Gesicht gesehen und warmes Blut war durch seine Hände, auf den kalten Asphalt, geströmt. Angsterfüllt hatte er eine Hand auf ihren Bauch gelegt, doch dort hatte sich nichts mehr geregt.
Er hörte sich schreien und spürte noch immer die Kehle von dem Trunkenbold, der sein bisheriges Leben auslöschte, in seinen Händen. Doch war es nur ein Kissen. Immer wieder schlug er darauf ein. Wut, Rachegelüste und Verzweiflung durchströmten seinen Körper. Dann wurde er ohnmächtig.
Als er langsam wieder zu sich kam, fühlte er sich leer. Er sah sich in seiner Wohnung um und ihn kotzte alles an.
„Du hast auch noch uns.“ Hatten Birgit und Klaus gesagt, als er schon einmal all seine Kraft verloren hatte. Er konnte sich nicht gegen dieses Verlangen wehren und wollte es auch nicht mehr. Irgendetwas zog ihn zu seinem Fenster, das er schon ewig nicht mehr geputzt hatte. Er öffnete es und warf einen Blick in die lockende Tiefe. Ein älteres Pärchen auf dem Gehweg sah auf, als er sich auf das Fensterbrett setzte. Doch es war ihm egal. Er holte tief Luft und beugte sich langsam nach vorne. Ein Gefühl der Erleichterung wurde mit jedem Zentimeter stärker. Er sah auch einen Pizzaboten in seinen Hauseingang stürmen, doch auch das war nun nicht mehr wichtig. Seine Augen schlossen sich langsam und er spürte einen warmen Windhauch in seinem Gesicht. Er glitt von dem Fensterbrett.
Irgendein dummer Reflex lies es nicht zu, das er so einfach davon kommt. Als er seine Augen öffnete, baumelte er wie ein nasser Sack am Fensterbrett. Er konnte nicht loslassen und die anfängliche Erleichterung wich der blanken Angst. Wirre Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Er machte sich Sorgen, um das Grab seiner Frau und seine Steuererklärung. Als er Schreie unter sich hörte, wollte er nur noch wieder zurück, sich in seine virtuelle Welt flüchten, doch das ging nicht so einfach. Er strampelte verzweifelt und versuchte sich hoch zu ziehen. Seine nackten Füße rissen an der rauen Hauswand auf. Eine rote Spur der Verzweiflung floss an dem warmen Mauerwerk herab.
Ihm fiel nun auf, das er in dreckiger Unterwäsche an der Hauswand hang und war peinlich berührt. So wollte er nicht sterben. Er hörte seine Frau, die ihm „ Ich liebe dich, mach nicht so einen Scheiß“ ins Ohr flüsterte. Ein leises Echo seines alten Ehrgeizes kehrte in ihn zurück und er nahm sich vor alles zu ändern. Duschen, Wohnung aufräumen und wieder arbeiten gehen, schwebten ihm vor. Eine kalte Berührung riss ihn aus seinen Gedanken. Der Pizzajunge hatte die Tür aufgebrochen und versuchte ihn nun wieder in seine Wohnung zu zerren. Er sah in das entschlossene Gesicht von Benjamin und brachte seine letzte Kraft auf. Langsam schob er sich nach oben, seinem neuen Leben entgegen. Benjamins Gesicht entwich jedoch die anfängliche Entschlossenheit und war nun schmerzverzerrt. Langsam glitt er wieder nach unten. Benjamins Hände waren von den ganzen italienischem Fastfood zu fettig geworden. Beide sahen sich mit entsetzten Gesichtern an, wollten aber nicht aufgeben. Er rutschte von der Hauswand ab und diese Kraft reichte aus, um ihn aus Benjamins Händen zu reißen. Benjamin schrie, „Es tut mir leid!“.
Verzweiflung und Angst machten sich in ihm breit und es wurde langsam alles dunkel. Die entsetzten Schreie hörte er schon nicht mehr, als sein Körper krachend auf dem Bürgersteig landete. Er war schon offline.