-ohne Titel- (Geburt)

Isola

Mitglied
-Ohne Titel-

Ich wurde Anfang des letzten Jahrhunderts geboren. Ich war Sklave, weil meine Mutter Sklavin war. Sie war Mulattin und diente ihrer Herrin als Dienstmädchen. Mein Vater war der Besitzer einer Baumwollplantage nahe New Orleans. Er wusste jedoch nicht, dass er es war, der das Mädchen seiner Frau geschwängert hatte. Man verdächtigte den Aufseher der Sklaven und da er schon öfters meine Mutter missbraucht hatte, hätte es durchaus sein können. Dann wäre ich allerdings eine Spätgeburt gewesen, doch über diesen kleinen Fehler sah man milde hinweg.
Ich wurde auf den Namen Gabriel Olivier getauft; ich wuchs gemeinsam mit den anderen Sklavenkindern auf und diente im Haus meines Herrn als Page.
Als ich vierzehn war, starb der Plantagenbesitzer und seine Frau sah sich unfähig, allein ein so großes Anwesen samt der Felder zu verwalten, also holte sie sich die Schwester ihres Mannes ins Haus. Kurz darauf starb sie. Ich hatte keine Beweise, aber ich glaubte, man habe sie umgebracht. Das dachten viele der Sklaven, aber niemals wurde darüber je ein Wort verloren.
Unsere neue Herrin war ziemlich geheimnisvoll und bald kamen Gerüchte auf, sie sei eine böse Hexe oder ein dämonisches Wesen, das mit dem Teufel im Bunde steht.
Zeitweilig hatte ich furchtbare Angst vor ihr und das zu Recht; ich sah sie immer von leeren Tellern speisen und aus ungefüllten Gläsern trinken. Nie besuchte sie die Sklavenquartiere und seitdem sie das Haus bezogen hatte, häuften sich die Leichen auf den Plantagen. Meine Mutter erzählte mir von Untoten, die sich am Blut der Lebenden labten und mit der Zeit sandte ich immer inbrünstigere Gebete zum Himmel, dass ich wohlbehalten bei meinen Dienst im Hause bleiben könne.
Eines Tages, ich hatte mein sechszehntes Lebensjahr vollendet, rief mich meine Herrin in ihr Gemach. Mit wild klopfendem Herzen trat ich ein und fand niemanden vor.
Während ich mich umsah, horchte ich nervös und schließlich hörte ich ein leises Tropfen aus dem Nebenraum. Ich schritt neugierig zur Zwischentür und stieß sie auf.
Ich brüllte vor Entsetzen, als ich meine Herrin über den Sklavenaufseher, der noch um sein Leben zu kämpfen versuchte, gebeugt vorfand. Aufgrund meines Schreies ließ sie plötzlich von ihm ab und funkelte mich aus dunklen Augen an. Sie war blutbesudelt und bleckte wie ein wildes Tier die Zähne; in diesem Moment wurde ich ihrer langen, spitzen Reißzähne gewahr und es packte mich unvorstellbares Grauen. Ich hetzte aus dem Zimmer. Nur noch weg, so weit wie möglich, schoss es mir durch den Kopf. Doch ich kam nicht weit, nach wenigen Metern fiel ich über einen Hocker und stürzte unsanft zu Boden. Langsam kam meine Herrin auf allen Vieren auf mich zu gekrochen und ich war unfähig mich zu bewegen, mich gar zu wehren, als sie mich an sich riss und ihre Zähne in mein Fleisch drangen. Ich stöhnte leise auf, als es mit mir zu Ende ging, mein Atmen flacher und mein Puls schwächer wurde und ich wusste, dass ich sterben würde. Auf einmal jedoch nahm meine Herrin mich in ihre Arme, schnitt sich in den Hals und legte mich an die Wunde. Gierig und ungestüm begann ich zu trinken und drückte sie zu Boden. Ich hörte ihren Herzschlag mit dem meinen vereint pochen, als sie verzweifelt um sich schlug. Aber ich brach ihr aus Übermut das Genick. Ihr Herz hörte auf zu schlagen und ich ließ enttäuscht von ihr ab. Langsam stand ich auf und wischte mir das Blut von den Lippen mit dem weißen Hemdsärmel ab. Fasziniert betrachtete ich sie, wie sie in ein samtenes Kleid gehüllt tot da lag. Doch mit einem Male nahm mir ein plötzlicher Schmerz den Boden unter den Füßen. In schrecklicher Pein wand ich mich in Todesangst auf dem Teppich hin und her. Es schien mir eine Ewigkeit, bis die Sonne schon über den Horizont blinzelte und ich außer dem Zirpen der Grillen vor dem Haus nichts mehr wahrnahm.
Als die ersten Sonnenstrahlen schon ins Zimmer krochen, lief ich in den Nebenraum, wo ich eine kleine Tür im Boden fand und eine Treppe darunter. Am Ende von dieser lag ein dunkler, fensterloser Raum; ein Sarg thronte in der Mitte.
Mühelos schob ich den steinernen Deckel zur Seite und kletterte hinein. Zufrieden bettete ich meinen Kopf auf das Seidenkissen und schloss die Augen.

Und so wurde ich zu einem Kind der Dunkelheit,
einem unsterblichen Wesen,
einem Vampir.


by V.L., 2002
 
D

DieSonne

Gast
Hallo, Isola!

Also, erst einmal vorweg: Insgesamt gefiel mir deine Geschichte überhaupt nicht schlecht. Die Grundidee und besonders den Schluss fand ich originell, witzig - und irgendwie anders.

Allerdings sind mir beim Lesen so einige Dinge aufgefallen, die mich ein wenig stutzig machten. Zunächst einmal der Handlungsverlauf: Erst erzählst du von einem Sklavenjungen und dessen Werdegang, sodass mich alles ein wenig an "Onkel Toms Hütte" erinnert hat, dann (wenn auch nur am Rande) plötzlich von einem angeblichen Mord an der alten Herrin und dann schließlich von dieser neuen Frau, die angeblich eine Hexe ist und sich anschließend als ein Vampir entpuppt. Es scheint, als wenn du zwischen verschiedenen Stories hin- und hergependelt bist und dich nicht entscheiden konntest, was wichtig ist.

Im ersten Absatz haben mich vor allem diese ganzen kurzen Sätze gestört, die alles ein wenig abgehackt erscheinen lassen und meiner Ansicht nach an Stellen, wo eine lange Vorgeschichte im Sinne von "Es war einmal..." erzählt wird, eher unpassend sind. Allerdings ist dein Stil im Laufe der Geschichte flüssiger geworden.

Die Stelle, wo Gabriel seine Herrin als blutrünstigen Vampir vorfindet, hättest du für meinen Geschmack spannender gestalten sollen. Mitgerissen hat es mich nicht besonders, und ich fand es ein wenig langatmig, ungefähr nach dem Motto: 'Ach jaah, und dann schrie er noch so ein bisschen herum...und trat um sich...aber das ist ja nich' soooo wichtig...' OK, das ist jetzt vielleicht ein wenig sehr übertrieben, aber du könntest da noch mehr Spannung reinbringen.

Und zu guter Letzt noch ein winzigkleiner Rechtschreibfehler, der sich vorwitzigerweise da reingemogelt hat:


Eines Tages, ich hatte mein sech[red]s[/red]zehntes Lebensjahr vollendet, rief mich meine Herrin in ihr Gemach.
 
D

DieSonne

Gast
Oh, sorry, da habe ich anstatt auf "Vorschau" doch glatt auf "Ausführen" geklickt. Ups... Muss wohl allmählich ins Heiabettchen... ;)

Also, was ich noch loswerden wollte: Keine Geschichte ist von Anfang an perfekt; und die meisten sind es nicht einmal nach zig mal Überarbeiten, denn irgendetwas gibt es immer zu verbessern. Also verplemper deine Zeit nicht damit, dich über meine Kritik zu ärgern (ich ziehe sowieso den Ausdruck "Verbesserungsvorschläge" vor), sondern mach dich stattdessen lieber daran, deine Geschichte mal einer Überholung zu unterziehen. Habe ich auch meist getan. :)

Gruß
Sabrina
 

blaustrumpf

Mitglied
Hallo, Isola

Auch ich habe ein wenig Schwierigkeiten mit deiner Geschichte, schon allein, weil die Grundprämisse so nicht stimmt.

Es sei mal dahingestellt, ob ein Jahrhundert mit dem Jahr 0 beginnt oder rein rechnerisch-semantisch mit dem Jahr 1: Das letzte Jahrhundert war das mit der 19 vornedran. Und da gab es mit Sicherheit keine Sklaverei mehr in der Nähe von New Orleans.

Wenn du die Sache auf einfache Art klären willst, wäre eine genauere Definition des Handlungszeitraums vielleicht hilfreich. Ansonsten: Willkommen im dritten Jahrtausend.
;)

Schöne Grüße von blaustrumpf
 

Isola

Mitglied
Hi blaustrumpf!

Also...

Ich weiß natürlich, dass wir im dritten Jahrtausend leben...

Allerdings: wer sagt denn, dass Gabriel die Geschichte zu unserer Zeit geschrieben hat?
Sicher, man denkt so, aber ich meinte das 18.Jh., in dem es hundertprozentig noch Sklaven in New Orleans gab!

Ich wollte die Story absichtlich so ungenau und so undurchlässig schreiben; deswegen habe ich auch keine weiteren Details hinein geschrieben.

Aber: zum Verständnis des Textes sollte ich das wohl einbauen, da gebe ich dir Recht.

Gruß, Isola.

P.S.: Das klingt jetzt nach Ausrede, aber das hier war meine erste Geschichte, die ich je geschrieben habe und da war ich erst dreizehn...
 

Isola

Mitglied
Hi DieSonne!

Danke für deine "Verbesserungsvorschläge" *g*,
ich habe sie mir zu Herzen genommen und werde die Story noch einmal überarbeiten, damit das Textverständnis besser wird.

Gruß, Isola.
 



 
Oben Unten