Marie-Luise Wendland
Mitglied
Opa spinnt
Unser Leben änderte sich, als Oma starb.
Opa war total am Boden zerstört. Er saß nur in seinem Ohrensessel und starrte vor sich hin, wollte nichts essen, nichts trinken. Niemand konnte ihn bewegen, an der Beerdigung teilzunehmen.
Im Krankenhaus wurde er zwangsernährt. Die Ärzte empfahlen seinem Sohn, meinem Vater, ihn eine Zeit lang bei sich aufzunehmen. Er dürfe auf keinen Fall allein in seine Wohnung zurück. Mutter schaute sehr zweifelnd auf den Arzt:
“ Ob das gut geht?“
Nun zog er bei uns ein. Ich musste mein großes Zimmer räumen und in das viel kleinere Gästezimmer umziehen. Na ja, dachte ich, für eine kurze Zeit geht es wohl. Ich war 15 Jahre damals.
Opa erholte sich erstaunlich schnell und fing an, meine Mutter zu ärgern. Mein Vater kriegte das alles nicht mit, er ging ja arbeiten.
Opa brachte auf eine seltsame Art meine Mutter zur Weißglut.
Hatte er vorher kaum was gegessen, machte er sich jetzt über die Mahlzeiten her.
Sagte meine Mutter zu ihm: „ Mampf doch nicht so, “ diskutierte er stundenlang mit ihr, was denn das Wort Schwampf zu bedeuten hätte. Obwohl meine Mutter abstritt, Schwampf gesagt zu haben, blieb er dabei.
Beim nächsten großen „Fressen“ fragte er wieder, und das mit einem perfiden Lächeln: „Schwampf ich dir wieder zu sehr?“
Wäre Mutter doch etwas gelassener geblieben, aber sie wusste ja, dass er sie absichtlich ärgern wollte und dies auch ausgiebig tat.
Mein Vater lachte nur darüber, wenn meine Mutter ihm abends davon erzählte.
Als meine Mutter ihren Schwiegervater einmal fragte, ob er trinken wollte, sagte er: „Nein, ich bin total sitt.“ „Was soll das denn schon wieder?“ fragte sie ärgerlich. „ Wenn ich keinen Hunger habe, bin ich satt, habe ich keinen Durst, bin ich sitt“, antwortete er.
Als Vater und ich uns diese neuen Worte auch aneigneten, flippte Mutter fast aus.
Sie und ihr Schwiegervater hatten sich nie so gut verstanden. Vielleicht war das der Grund, warum sie ihm gegenüber so unduldsam war.
Schwampf und sitt waren also bei uns geflügelte Worte.
Wir warteten schon gespannt, welches abstruse Wort bald unseren Sprachschatz erweitern sollte. Lange brauchten wir nicht zu warten. Als Opa sich mal bekleckerte, rief er: „ Inge, bring mir mal ein Tuch, ich habe mich geplenkt und bin hier ganz peekig.“ Mutter war sauer, sie holte kein Tuch zum Saubermachen, rannte aus dem Zimmer und ich hörte sie leise weinen.
Ich habe dann recherchiert, ob diese Worte eigentlich wirklich existieren.
Mit dem Wort Plenk wird im Netzjargon ein Leerzeichen vor einem Satzzeichen bezeichnet, das dort nach den Regeln für den Schriftsatz nicht hingehört.
Ich verstand Opa nicht, warum er Mutter mit diesem falsch angewandten Wort wieder mal auf die Palme bringen wollte.
Peekig fand ich auch. Das Wort gab es und hieß dreckig. Auch nach Schwampf und sitt fahndete ich. Schwampf war ein Kunst- oder Quatschwort, doch sitt hatte man wirklich schon mal für „durstlos“ vorgeschlagen.
Je gesunder Opa wurde, desto dicker wurde die Luft. Es wurde nur noch gestritten. Als er es mal wieder auf die Spitze trieb, sagte Mutter mit einer ganz ruhigen, sehr veränderten Stimme:
„Was ich jetzt sage, ist kein Euphemismus. Es ist einfach incommensurable. Ich bin für Klasterung. Der Alte kann jetzt auf den Löseplatz gehen.“
Dann lachte sie hysterisch und hörte nicht mehr auf.
Der Rettungswagen brachte sie in die Psychiatrie.
Nach drei Monaten kam sie zurück.
Opa lebte wieder pumpergesund in seiner eigenen Wohnung.
Wir sind zu einem ganz normalen, ruhigen Familienleben zurück gekehrt.
Euphemismus -Beschönigung - Incommensurable unvergleichbar,
Klasterung Aufteilung ,Löseplatz (Jägersprache) = der Platz, wo die Hunde kacken
Unser Leben änderte sich, als Oma starb.
Opa war total am Boden zerstört. Er saß nur in seinem Ohrensessel und starrte vor sich hin, wollte nichts essen, nichts trinken. Niemand konnte ihn bewegen, an der Beerdigung teilzunehmen.
Im Krankenhaus wurde er zwangsernährt. Die Ärzte empfahlen seinem Sohn, meinem Vater, ihn eine Zeit lang bei sich aufzunehmen. Er dürfe auf keinen Fall allein in seine Wohnung zurück. Mutter schaute sehr zweifelnd auf den Arzt:
“ Ob das gut geht?“
Nun zog er bei uns ein. Ich musste mein großes Zimmer räumen und in das viel kleinere Gästezimmer umziehen. Na ja, dachte ich, für eine kurze Zeit geht es wohl. Ich war 15 Jahre damals.
Opa erholte sich erstaunlich schnell und fing an, meine Mutter zu ärgern. Mein Vater kriegte das alles nicht mit, er ging ja arbeiten.
Opa brachte auf eine seltsame Art meine Mutter zur Weißglut.
Hatte er vorher kaum was gegessen, machte er sich jetzt über die Mahlzeiten her.
Sagte meine Mutter zu ihm: „ Mampf doch nicht so, “ diskutierte er stundenlang mit ihr, was denn das Wort Schwampf zu bedeuten hätte. Obwohl meine Mutter abstritt, Schwampf gesagt zu haben, blieb er dabei.
Beim nächsten großen „Fressen“ fragte er wieder, und das mit einem perfiden Lächeln: „Schwampf ich dir wieder zu sehr?“
Wäre Mutter doch etwas gelassener geblieben, aber sie wusste ja, dass er sie absichtlich ärgern wollte und dies auch ausgiebig tat.
Mein Vater lachte nur darüber, wenn meine Mutter ihm abends davon erzählte.
Als meine Mutter ihren Schwiegervater einmal fragte, ob er trinken wollte, sagte er: „Nein, ich bin total sitt.“ „Was soll das denn schon wieder?“ fragte sie ärgerlich. „ Wenn ich keinen Hunger habe, bin ich satt, habe ich keinen Durst, bin ich sitt“, antwortete er.
Als Vater und ich uns diese neuen Worte auch aneigneten, flippte Mutter fast aus.
Sie und ihr Schwiegervater hatten sich nie so gut verstanden. Vielleicht war das der Grund, warum sie ihm gegenüber so unduldsam war.
Schwampf und sitt waren also bei uns geflügelte Worte.
Wir warteten schon gespannt, welches abstruse Wort bald unseren Sprachschatz erweitern sollte. Lange brauchten wir nicht zu warten. Als Opa sich mal bekleckerte, rief er: „ Inge, bring mir mal ein Tuch, ich habe mich geplenkt und bin hier ganz peekig.“ Mutter war sauer, sie holte kein Tuch zum Saubermachen, rannte aus dem Zimmer und ich hörte sie leise weinen.
Ich habe dann recherchiert, ob diese Worte eigentlich wirklich existieren.
Mit dem Wort Plenk wird im Netzjargon ein Leerzeichen vor einem Satzzeichen bezeichnet, das dort nach den Regeln für den Schriftsatz nicht hingehört.
Ich verstand Opa nicht, warum er Mutter mit diesem falsch angewandten Wort wieder mal auf die Palme bringen wollte.
Peekig fand ich auch. Das Wort gab es und hieß dreckig. Auch nach Schwampf und sitt fahndete ich. Schwampf war ein Kunst- oder Quatschwort, doch sitt hatte man wirklich schon mal für „durstlos“ vorgeschlagen.
Je gesunder Opa wurde, desto dicker wurde die Luft. Es wurde nur noch gestritten. Als er es mal wieder auf die Spitze trieb, sagte Mutter mit einer ganz ruhigen, sehr veränderten Stimme:
„Was ich jetzt sage, ist kein Euphemismus. Es ist einfach incommensurable. Ich bin für Klasterung. Der Alte kann jetzt auf den Löseplatz gehen.“
Dann lachte sie hysterisch und hörte nicht mehr auf.
Der Rettungswagen brachte sie in die Psychiatrie.
Nach drei Monaten kam sie zurück.
Opa lebte wieder pumpergesund in seiner eigenen Wohnung.
Wir sind zu einem ganz normalen, ruhigen Familienleben zurück gekehrt.
Euphemismus -Beschönigung - Incommensurable unvergleichbar,
Klasterung Aufteilung ,Löseplatz (Jägersprache) = der Platz, wo die Hunde kacken