Anna rannte die letzten Meter, um in den weit greifenden Schatten der Platane zu gelangen und ließ sich schwer auf den Boden fallen. Mehrere tiefe Atemzüge lang hielt sie die Augen geschlossen, sie hechelte, immer noch, aber das Schlimme war die tonnenschwere Last auf ihrer Brust.
Am erstbesten Rastplatz hatte sie fluchtartig die Autobahn verlassen, nachdem ein silberfarbener Porsche hinter ihr aus dem Nichts auftauchend, sie in rasender Geschwindigkeit überholte, als sie zum wiederholten Male versucht hatte, an dem LKW vor ihr vorbeizukommen.
Sie war aus ihrem Wagen gesprungen und querfeldein gelaufen, zu dem einzigen Baum, der aus der weiten, flachen Landschaft ragte.
Hier war es still, aber das Sausen des Verkehrs in ihren Ohren hielt an. Plötzlich spürte sie Nässe auf dem Gesicht. Als sie die Lider hob und mechanisch über Nase und Stirn wischte, fiel der nächste Tropfen auf ihre Hand. Eine rosa Flüssigkeit bildete einen durchscheinenden Film auf ihrer Haut, der nach wenigen Momenten zu einer körnigen Schicht antrocknete. Sie blickte in das helle Grün des Laubs, durchwachsen von den fast schwarzen Armen der Äste. Nirgends konnte sie die Ursache der Feuchtigkeit erkennen. Vielleicht kam sie von einem Vogel oder einer platzenden Frucht, überlegte sie. Etwas raschelte im Geäst, doch sie sah nichts und mittlerweile hatte es aufgehört zu tropfen.
Anna spürte, wie nahe ihr Kopf bei dem Stamm des Baumes lag, wie seine Wurzeln in das Erdreich drangen und ihn in die Höhe trieben, entgegen dem Sonnenlicht. Sein Blätterdach breitete sich schützend über sie. In den vielfältigen Grüntönen waren auch Schatten, undurchdringliche schwarze Flecken, aber sie vertraute ihm. Er hatte den schweren Stein der Angst von ihrer Brust genommen.
Anna erinnerte sich wieder, als sie die Plastik von Guiseppe Penone, den entlaubten Baum aus Metall, den eiförmigen Findling im Geäst, betrachtete. Damals war sie nicht hinauf gestiegen, hatte nicht die Ursache der Tropfen erforscht. Aber jetzt wusste sie, was die Idee des Steins* war: Auch ihre Angst trotzte den Gesetzen der Schwerkraft und manchmal musste sie sie überwinden.
* http://www3.documenta.de/typo3temp/pics/fa9b091be1.jpg
Am erstbesten Rastplatz hatte sie fluchtartig die Autobahn verlassen, nachdem ein silberfarbener Porsche hinter ihr aus dem Nichts auftauchend, sie in rasender Geschwindigkeit überholte, als sie zum wiederholten Male versucht hatte, an dem LKW vor ihr vorbeizukommen.
Sie war aus ihrem Wagen gesprungen und querfeldein gelaufen, zu dem einzigen Baum, der aus der weiten, flachen Landschaft ragte.
Hier war es still, aber das Sausen des Verkehrs in ihren Ohren hielt an. Plötzlich spürte sie Nässe auf dem Gesicht. Als sie die Lider hob und mechanisch über Nase und Stirn wischte, fiel der nächste Tropfen auf ihre Hand. Eine rosa Flüssigkeit bildete einen durchscheinenden Film auf ihrer Haut, der nach wenigen Momenten zu einer körnigen Schicht antrocknete. Sie blickte in das helle Grün des Laubs, durchwachsen von den fast schwarzen Armen der Äste. Nirgends konnte sie die Ursache der Feuchtigkeit erkennen. Vielleicht kam sie von einem Vogel oder einer platzenden Frucht, überlegte sie. Etwas raschelte im Geäst, doch sie sah nichts und mittlerweile hatte es aufgehört zu tropfen.
Anna spürte, wie nahe ihr Kopf bei dem Stamm des Baumes lag, wie seine Wurzeln in das Erdreich drangen und ihn in die Höhe trieben, entgegen dem Sonnenlicht. Sein Blätterdach breitete sich schützend über sie. In den vielfältigen Grüntönen waren auch Schatten, undurchdringliche schwarze Flecken, aber sie vertraute ihm. Er hatte den schweren Stein der Angst von ihrer Brust genommen.
Anna erinnerte sich wieder, als sie die Plastik von Guiseppe Penone, den entlaubten Baum aus Metall, den eiförmigen Findling im Geäst, betrachtete. Damals war sie nicht hinauf gestiegen, hatte nicht die Ursache der Tropfen erforscht. Aber jetzt wusste sie, was die Idee des Steins* war: Auch ihre Angst trotzte den Gesetzen der Schwerkraft und manchmal musste sie sie überwinden.
* http://www3.documenta.de/typo3temp/pics/fa9b091be1.jpg