Philemon und Baucis

Herr H.

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Wenn sanft der Herbstwind durch die Bäume rauschte,
dann hielt so mancher Wanderer am Hang
im Schreiten inne, sah empor und lauschte.
Vernahm sein Ohr nicht leisen Stimmenklang?

Der eine Baum war eine rote Eiche.
Daneben stand im frohen Festgewand
ein Lindenbaum. Sie schienen sich auf reiche
und liebevolle Weise zugewandt.

Die hohen Kronen neigten sich im Winde.
Und während eine sich zu andern bog,
war's wie ein Flüstern, so, als pflegten Linde
und Eiche einen zarten Dialog.

Tatsächlich waren sie nach der Legende
in grauer Vorzeit mal ein Ehepaar,
das - wie sonst keines - bis zu seinem Ende
in treuer Liebe fest verbunden war.

Und ihre Liebe sollte hier auf Erden
den Tod noch überdauern. Diesen Traum
ließ Göttergunst für beide Wahrheit werden.
Er ward zur Eiche, sie zum Lindenbaum.

Wenn nun der Herbstwind durch das Blattwerk rauschte,
dann konnte man im Laub ihr Wispern hörn.
So mancher, der vorbeikam, stand und lauschte ...
Doch die Verliebten ließen sich nicht störn.

Sie standen Baum an Baum im Weltgetriebe
zum Zeichen dafür - was man leicht vergisst -
dass nach der Götter Willen wahre Liebe
für alle Zeiten unzerstörbar ist.
 



 
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