Rainer Maria Rilke

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Herr H.

Mitglied
I

Er war ein Dichter und nichts außerdem
und wollte niemals etwas andres sein.
Insofern lebte er stets im Extrem,
den Göttern nah, doch in der Welt allein.

Im Werke war er groß, sonst schmal und klein.
Der Alltag war ein ständiges Problem
und alles andere als angenehm
für den Poeten, eine wahre Pein.

Sensibel war er in dem höchsten Grade.
Die Nerven schienen immerfort gespannt.
So zog er, von nur wenigen erkannt,

auf Erden still und einsam seine Pfade,
verpflichtet exklusiv nur seiner Sendung
und immer strebend nach des Werks Vollendung.


II

Dem jungen Mann war Dichten ein Genuss.
Er schwelgte ganz in seiner Phantasie
und gab den Träumen Klang und Melodie.
Die Worte strömten aus ihm wie ein Fluss.

Doch eines Tags war ihm der Muse Kuss
nicht mehr genug. Auguste Rodins Magie
bezwang ihn und sie lenkte sein Genie
in neue Bahnen - hin zu dem Entschluss,

sich nicht mehr im Gefühlsrausch zu verlieren.
Er wollte künftig schauen, lauschen, spüren,
was Tag für Tag von außen zu ihm drang.

Von nun an war’s ihm Auftrag und Bestreben,
den Dingen Wort und Sprachgewand zu geben
in strenger Form und reinem Lobgesang.


III

Sein Leben war ein Horchen und Sich-Dehnen
nach Gottes Anruf, nach Inspiration.
Von ferne her erflehte er den Ton
zu seinem Liede. Immer nur aus jenen

verborgnen Sphären, die er oft mit Tränen
begehrte wie ein treuer Knecht den Lohn
für unermüdliche und harte Fron.
So harrte er in stummem, bangem Sehnen,

bis sich der Engel seiner Not erbarmte,
ihn packte, überwältigte, umarmte,
dass fast das Turmexil zu wanken schien.

Der Widerhall in ihm war ungeheuer.
So wuchsen aus Ekstase, Glut und Feuer
die großen, wunderbaren Elegien.
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo

Ein Hinweis: Das falsche Reimschema im ersten Quartett ist extrem störend und wertet diese eigentlich gelungene Fleissarbeit extrem ab... Bitte ändern.

Gruss

Jürgen
 

Herr H.

Mitglied
Hallo,

von einem falschen Reimschema kann ich leider nichts entdecken. Und den Ausdruck "Fleißarbeit" empfinde ich als ziemlich abwertend.

Gruß von
Herrn H
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo nochmal

...wir kennen uns noch nicht. Ich bin der Jürgen und für meine gelegentlich polterige Art berüchtigt. Bitte entschuldige.

..ok, wie man in den Wald hineinruft. War nicht abwertend gemeint. Das Thema ist aber nunmal eines, dass nicht auf Inspiration sonden eher auf eine selbstgesetzte Schreibaufgabe hindeutet. An sich nichts schlechtes ;)

Das Reimschema ist falsch (1. Quartett im 1. Sonett). NIEMALS geht es, in einem Sonett in einem Quartett einen Kreuzreim zu verwenden und im anderen einen umarmenden Reim.

Dein Reimschema:

abab - baab - cdd - cee

Wie Du erkennen kannst, sind selbst die Terzette nicht gerade gängig aber dennoch völlig in Ornung aber das 1. Quartett geht gar nicht.
Die Terzette, dies noch als Hinweis, sind in den folgenden zwei Sonetten ccd – eed also völlig anders.
Auch das trägt zur Disharmonie des Ganzen bei.

Gruss

Jürgen


Aus Wikipedia:
...
abba – abba – cdc – dcd

oder

abba – cddc – eef – ggf

In den beiden Terzetten kamen jedoch zu allen Zeiten viele Varianten vor, beispielsweise

abba – abba – ccd – eed
abba – abba – cde – cde
abba – abba – ccd – dee
abba – abba – cde – ecd

Das englische Sonett reimte

abab – cdcd – efef – gg
 

Herr H.

Mitglied
Guten Abend, Jürgen,

danke für den erläuternden Kommentar. Entschuldigung angenommen. Eine Fleißarbeit sind die Sonette übrigens tatsächlich nicht, da sie gestern Abend ganz spontan, gleichsam aus dem Bauch entstanden sind, nachdem ich die Erinnerungen der Marie von Thurn und Taxis an den Dichter gelesen habe.

Zum Reimschema: Ich nehme mir beim Sonett gelegentlich ein wenig dichterische Freiheit, sofern es die Aussage nahe legt. Auf deine Anregung hin habe ich das erste Sonett aber überarbeitet. So, wie es jetzt ist, gefällt's mir fast noch besser als vorher. Und darauf kommt es ja an.

LG von

Herrn H. (Arnd)
 

Herr H.

Mitglied
I

Er war ein Dichter und nichts außerdem
und wollte niemals etwas andres sein.
Den Göttern nah, doch in der Welt allein,
so lebte er fast durchweg im Extrem.

Der Alltag war ein ständiges Problem
für den Poeten, eine wahre Pein,
bedrängend, störend, lästig obendrein,
vergleichbar einem juckenden Ekzem.

Sensibel war er in dem höchsten Grade.
Die Nerven schienen immerfort gespannt.
So zog er, von nur wenigen erkannt,

auf Erden still und einsam seine Pfade,
verpflichtet exklusiv nur seiner Sendung
und immer strebend nach des Werks Vollendung.


II

Dem jungen Mann war Dichten ein Genuss.
Er schwelgte ganz in seiner Phantasie
und gab den Träumen Klang und Melodie.
Die Worte strömten aus ihm wie ein Fluss.

Doch eines Tags war ihm der Muse Kuss
nicht mehr genug. Auguste Rodins Magie
bezwang ihn und sie lenkte sein Genie
in neue Bahnen - hin zu dem Entschluss,

sich nicht mehr im Gefühlsrausch zu verlieren.
Er wollte künftig schauen, lauschen, spüren,
was Tag für Tag von außen zu ihm drang.

Von nun an war’s ihm Auftrag und Bestreben,
den Dingen Wort und Sprachgewand zu geben
in strenger Form und lobendem Gesang.


III

Sein Leben war ein Horchen und Sich-Dehnen
nach Gottes Anruf, nach Inspiration.
Von ferne her erflehte er den Ton
zu seinem Liede. Immer nur aus jenen

verborgnen Sphären, die er oft mit Tränen
begehrte wie ein treuer Knecht den Lohn
für unermüdliche und harte Fron.
So harrte er in stummem, bangem Sehnen,

bis sich der Engel seiner Not erbarmte,
ihn packte, überwältigte, umarmte,
dass fast das Turmexil zu wanken schien.

Der Widerhall in ihm war ungeheuer.
So wuchsen aus Ekstase, Glut und Feuer
die großen, wunderbaren Elegien.
 

Herr H.

Mitglied
I

Er war ein Dichter und nichts außerdem
und wollte niemals etwas andres sein.
Den Göttern nah, doch in der Welt allein,
so lebte er fast durchweg im Extrem.

Der Alltag war ein ständiges Problem
für den Poeten, eine wahre Pein,
bedrängend, störend, lästig obendrein,
vergleichbar einem juckenden Ekzem.

Sensibel war er in dem höchsten Grade.
Die Nerven schienen immerfort gespannt.
Entsprechend zog er, selten nur erkannt,

auf Erden als ein Gast still seine Pfade,
verpflichtet exklusiv der eig’nen Sendung
und immer strebend nach des Werks Vollendung.


II

Dem jungen Mann war Dichten ein Genuss.
Er schwelgte ganz in seiner Phantasie
und gab den Träumen Klang und Melodie.
Die Worte strömten aus ihm wie ein Fluss.

Doch eines Tags war ihm der Muse Kuss
nicht mehr genug. Auguste Rodins Magie
bezwang ihn und sie lenkte sein Genie
in neue Bahnen - hin zu dem Entschluss,

sich nicht mehr im Gefühlsrausch zu verlieren.
Er wollte künftig schauen, lauschen, spüren,
was Tag für Tag von außen zu ihm drang.

Von nun an war’s ihm Auftrag und Bestreben,
den Dingen Wort und Sprachgewand zu geben
in strenger Form und lobendem Gesang.


III

Sein Leben war ein Horchen und Sich-Dehnen
nach Gottes Anruf, nach Inspiration.
Von ferne her erflehte er den Ton
zu seinem Liede. Immer nur aus jenen

verborgnen Sphären, die er oft mit Tränen
begehrte wie ein treuer Knecht den Lohn
für unermüdliche und harte Fron.
So harrte er in stummem, bangem Sehnen,

bis sich der Engel seiner Not erbarmte,
ihn packte, überwältigte, umarmte,
dass fast das Turmexil zu wanken schien.

Der Widerhall in ihm war ungeheuer.
So wuchsen aus Ekstase, Glut und Feuer
die großen, wunderbaren Elegien.
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
....jetzt, da es "klingt", nehme ich auch gerne die Fleissarbeit rest- und ersatzlos zurück ;)
 

Herr H.

Mitglied
I

Er war ein Dichter und nichts außerdem
und wollte niemals etwas andres sein.
Den Göttern nah, doch in der Welt allein,
so lebte er fast durchweg im Extrem.

Des Alltags Anspruch war stets ein Problem
für den Poeten, eine wahre Pein,
bedrängend und verstörend obendrein,
vergleichbar einem lästigen Ekzem.

Sensibel war er in dem höchsten Maße.
Die Nerven schienen immerfort gespannt.
Entsprechend zog er, selten nur erkannt,

als stiller Gast auf Erden seine Straße,
verpflichtet exklusiv der eig’nen Sendung
und immer strebend nach des Werks Vollendung.


II

Dem jungen Mann war Dichten ein Genuss.
Er schwelgte ganz in seiner Phantasie
und gab den Träumen Wort und Melodie.
Die Verse strömten wie ein breiter Fluss.

Doch eines Tags war ihm der Muse Kuss
nicht mehr genug. Auguste Rodins Magie
bezwang ihn und sie lenkte sein Genie
in neue Bahnen - hin zu dem Entschluss,

sich nicht mehr in Gefühlen zu verlieren.
Er wollte künftig schauen, lauschen, spüren,
was aus der Wirklichkeit zur Seele drang.

Von nun an war’s ihm Auftrag und Bestreben,
den Dingen Ausdruck und Gestalt zu geben
in strenger Form und lobendem Gesang.


III

Sein Leben war ein Horchen und Sich-Dehnen
nach Gottes Anruf, nach Inspiration.
Von ferne her erflehte er den Ton
zu seinem Liede. Immer nur aus jenen

verborgnen Sphären, die er oft mit Tränen
begehrte wie ein treuer Knecht den Lohn
für unermüdliche und harte Fron.
So harrte er in stummem, bangem Sehnen,

bis sich der Engel seiner Not erbarmte,
ihn packte, überwältigte, umarmte,
dass fast das Turmexil zu wanken schien.

Der Widerhall in ihm war ungeheuer.
So wuchsen aus Ekstase, Glut und Feuer
die großen, wunderbaren Elegien.
 

HerbertH

Mitglied
Hallo Herr H.

das Handwerk, die Form ist - so weit ich das beurteilen kann - OK.

Aber inhaltlich, so will mir scheinen (meine subjektive Meinung also, siehe auch unten), läuft das Ganze sehr auf eine Lobeshymne hinaus. Es fehlt mir ein kleines bisschen der kritische Ansatz, der auch bei der Auseinandersetzung mit einem der Großen nach meiner Ansicht niemals fehlen darf.

Er wollte künftig schauen, lauschen, spüren,
was aus der Wirklichkeit zur Seele drang.

Von nun an war’s ihm Auftrag und Bestreben,
den Dingen Ausdruck und Gestalt zu geben
in strenger Form und lobendem Gesang.
Nehmen wir das mal als Beispiel. Ich frage mich, was denn "aus der Wirklichkeit zur Seele drang"? Wie geht das? Hätte Rilke sich und seine Gedichte so selbst eingeschätzt? Und wenn ja, was heißt das heute?

Und was die "strenge Form und lobenden Gesang" angeht: Man frage sich mal, wie viele der Sonette Rilkes den "strengen" Sonettformen entsprechen, die Jürgen ja schon ansprach. Da ist vieles kein 14-Zeiler aus Jamben, i.d.R. 5-hebig, im abba abba cdc dcd Reimschema, oder ein Shakespeare-Sonett (von der Form). Bitte nicht missverstehen: Es ist eine ganz andere Frage, ob Rilke nicht damit bewusst von den überkommenen Formen abweichen wollte und durfte.

Und dann frage ich mich, ob denn Rilke von allem "lobenden Gesang" von sich geben wollte. Hat er denn gar nichts kritisch gesehen?

Selbst wenn man alles bei Rilke gut findet, darf man es meiner Meinung nach nicht so beschreiben, weil das Rilke gar nicht gerecht wird, wie ich am Beispiel hoffe klargemacht zu haben.

Ich möchte dazu sagen, dass ich selten so lange Antworten und Kommentare schreibe, aber hier konnte ich nicht anders. Mir ist schon klar, dass es bei jeder Lyrik weite Bandbreiten gibt bei Form und Inhalt, dass es starke subjektive Momente gibt, die man beachten muss, bei Autor und Lesenden.

Ich deklariere das oben Gesagte in diesem Sinne also als meine subjektive Meinung. Ich möchte damit keinen Flame-War entfachen oder gar verletzen, sondern Denkanstöße geben, nicht weniger und nicht mehr.

Herzliche Grüße

Herbert
 

Herr H.

Mitglied
I

Er war ein Dichter und nichts außerdem
und wollte niemals etwas andres sein.
Den Göttern nah, doch in der Welt allein,
so lebte er fast durchweg im Extrem.

Des Alltags Anspruch war stets ein Problem
für den Poeten, eine wahre Pein,
bedrängend und verstörend obendrein,
vergleichbar einem lästigen Ekzem.

Sensibel war er in dem höchsten Maße.
Die Nerven schienen immerfort gespannt.
Entsprechend zog er, selten nur erkannt,

als stiller Gast auf Erden seine Straße,
verpflichtet exklusiv der eig’nen Sendung
und immer strebend nach des Werks Vollendung.


II

Dem jungen Mann war Dichten ein Genuss.
Er schwelgte ganz in seiner Phantasie
und gab den Träumen Wort und Melodie.
Die Verse strömten wie ein breiter Fluss.

Doch eines Tags war ihm der Muse Kuss
nicht mehr genug. Auguste Rodins Magie
bezwang ihn und sie lenkte sein Genie
in neue Bahnen - hin zu dem Entschluss,

sich nicht mehr in Gefühlen zu verlieren.
Er wollte künftig schauen, lauschen, spüren,
was aus der Wirklichkeit nach innen drang.

Von nun an war’s ihm Sinnen und Bestreben,
den Dingen Ausdruck und Gestalt zu geben
in tief beseeltem, lauterem Gesang.


III

Sein Leben war ein Horchen und Sich-Dehnen
nach Gottes Anruf, nach Inspiration.
Von ferne her erflehte er den Ton
zu seinem Liede. Immer nur aus jenen

verborgnen Sphären, die er oft mit Tränen
begehrte wie ein treuer Knecht den Lohn
für unermüdliche und harte Fron.
So harrte er in stummem, bangem Sehnen,

bis sich der Engel seiner Not erbarmte,
ihn packte, überwältigte, umarmte,
dass fast das Turmexil zu wanken schien.

Der Widerhall in ihm war ungeheuer.
So wuchsen aus Ekstase, Glut und Feuer
die großen, wunderbaren Elegien.
 

Herr H.

Mitglied
Hallo Herbert,

herzlichen Dank für deinen ausführlichen Kommentar und die darin angemeldeten Bedenken. In der Tat haben wir es bei Rilke meiner Meinung nach mit einem der größten Dichter deutscher Sprache zu tun, und ich wollte mit meiner Hommage einen kleinen Dank abstatten. Mag sein, dass ich dabei ein wenig übers Ziel hinausgeschossen bin. Wie du siehst, habe ich das zweite Sonett aufgrund deiner Anregungen ein wenig abgeändert.

Rilkes dichterische Produktion hat sich unter dem Einfluss Rodins elementar verändert. Zuvor, noch im Stundenbuch, schwelgte er in sprachlicher Gewandtheit; die Reime flossen ihm als Ausdruck seines schwärmerischen Innenlebens nur so zu. In Paris vollzog er eine Kehrtwende: Wahrnehmung und Darstellung der Außenwelt im impressionistischen Sinne waren nun sein Anliegen. Erstes Produkt der veränderten Sichtweise ist der berühmte "Panther" gewesen.

LG von
Herrn H.
 



 
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