Lieber Lapismont,
auch ich habe mir zu Deinem Eintrag ein paar schwebende Gedanken gemacht. Zum Einen: Ich habe nichts gegen Metrenverstöße oder Reimkatastrophen. Denn ich weiß sehr wohl, daß diese mich selbst gelegentlich heftig befallen. Das taten sie sogar bei Goethe, ohne mich damit auch nur in die Nähe dieser Überdichters begeben zu wollen.
Letztlich sind beide sogar als Stilmittel zulässig. Nur leider gehört dazu dann die wahre Meisterschaft. Und die sehe ich hier kaum, mich einmal freundlich in diese Gruppe der immer Übenden eingeschlossen. Nicht anwesende Ausnahmeathleten der reimatischen Sprachbeherrschung einmal ausgenommen.
Zum Anderen: Ich weiß nicht, ob Deine Anmerkung der Textarbeit in der Leselupe weiterhilft. Letztlich beendest Du sie mit diesem Statement. Denn warum sollen derart Gescholtetene, von einem Redakteur auch noch, überhaupt sich die Mühe machen, einen Text einmal formal auseinanderzunehmen? Wenn ihnen sinnlose kleingeistige Silberzählerei etc. öffentlich vorgeworfen wird?
Die formale Kritik ist diejenige, die am wenigsten angreift und die der Kritisierte als Einstieg am einfachsten wegstecken kann. Daher wird sie von mir immer zuerst rein textlich nach Metrum und Reim betrachtet. Die meisten Lyriker vertragen inhaltliche Kritik nicht, da weiß man aus der Erfahrung. Sie fühlen sich spätestens dann persönlich attackiert.
Textarbeit ist die Grundvoraussetzung dafür, daß sich das Sprachgefühl schärft und ein innerer Sinn für Rhythmen und Metren herausbildet. Das kommt nicht von selbst und nicht über Nacht. Manche meiner frühen LeLu-Einträge: Mein Gott, was müßte/sollte daran gearbeitet werden, um sie in eine ordentliche Form zu bringen.
Heute weiß ich schon viel besser, wie das geht, auch Dank der Textkritik in der LeLu (und anderen Foren). Textarbeit ist also eigentlich dringend erforderlich und das Salz in der Suppe. Sollte man meinen. Bis ich diesen Eintrag von Dir gelesen habe. Jetzt lasse ich die Textkritik einfach wie die schwebenden Beiträge, von denen Du sprachst, schweben, im Ungewissen. Vielleicht treffen sie sich da dann ja, die richtige Kritik mit dem richtigen Beitrag, frei nach dem Gesetz der Entropie.
Nun gut: Ich nehme zur Kenntnis, daß meine Textarbeit seitens der Redaktion nicht als hilfreich angesehen wird. Das ist in Ordnung. Ob das eigene Tun einen positiven Effekt hat, kann man in der Kritik - wie auch in meisten anderen Dingen - selbst am wenigsten einschätzen. Da ist eine solche Bemerkung dann durchaus angebracht. Schließlich wollte ich helfen, wie man mir geholfen hat, und nicht Schaden anrichten.
Solange ich nichts Anderes höre, werde ich sie einfach einstellen, meine Textarbeit. Sie macht sowieso nur einen Haufen Arbeit und schafft nur begrenzt Freunde.
Was die anderen, die auch gelegentlich Textarbeit leisten, daraus für Schlüsse ziehen, ist deren Sache. Aufrufe irgendwelcher Art sind meine Angelegenheit nicht. Aber so einen Hinweis nicht entsprechend zu quittieren, auch nicht.
Liebe Grüße
W.