Romeo & Julia: Reanimiert

Janosch

Mitglied
Die Klassikerparodie in 5 Akten. Hier: Der ersten 3 Szenen.

PERSONEN

CABRIOLET, mächtiges Familienoberhaupt
FRAU CABRIOLET
JULIA, Cabriolets Tochter
MONUMENTAGUE, mächtiges Familienoberhaupt
FRAU MONUMENTAGUE
ROMEO, Monumentagues Sohn
BENNO, Monumentagues Neffe und Romeos Freund
PROTOTYBALT, Neffe von Frau Cabriolet
AMME, Julias Amme
BÜRGERMEISTER
PARA-GRAF EIFELTURM, Verwandter des Bürgermeisters
KAPUTIO, Verwandter des Bürgermeisters und Romeos Freund
FLORENZO, drogenaffiner Pfarrer
FREMDER
POLIZISTEN

ERSTER AKT

ERSTE SZENE

Ein öffentlicher Park

Kaputio steht vor einer gespannten Slackline.

KAPUTIO. O prächt'ger Tag, o leih' mir dein Gesicht -
will mich mit deinen milden Zügen kleiden.
So strahlet auch aus mir der Sonne Licht,
um das mich manch Grimasse mag beneiden.

O hier im Park, hier ist der rechte Ort,
die Vorzüge der Jugend vorzustellen:
Aus allen Blicken, Gesten, jedem Wort
spricht Libido und köchelt in den Zellen.

Da! Zwischen diesen Bäumen hängt mein Band,
die schlaffe Leine, die der Wind leicht streichelt.
Doch lauf' ich drauf, so ist das Band gespannt -
ein Akt, der meinem straffen Körper schmeichelt.

Doch fall' ich runter, schäm' ich mich ein wenig!
O bleib' ich aber droben, bin ich König.
(Prototybalt tritt auf.)

PROTOTYBALT. Ei, ei, sieh' an, was haben wir denn hier:
Ein Monumentague erklimmt die Seile,
auf dass er balancierend drauf verweile
und seinen strammen Hintern präsentier'?!
O schau, und rings die Weiber angesiedelt!
Was war zuerst da: Leine oder Dirn'?
O deinem Balztanz biete ich die Stirn!
Wart' nur, bis ich mein eig'nes Lied gefiedelt!

KAPUTIO. Die zweite Geige darfst du gerne spielen.
Obgleich: Du klingst ein wenig missgestimmt.
Doch für ein bisschen Dudel wird’s schon reichen.

PROTOTYBALT. Gib acht, du Schwarm, wirst ungestalt noch schielen,
wenn Proto dich auf seine Hörner nimmt!

KAPUTIO. Falls „Hörner“ kommt von „Hirn“, so will ich weichen.
Falls nicht, so kenn' ich's eher vom Buffet -
als Hörnchen, schön mit Butter, Käse, Schinken.
Will so das große Haus Cabriolet
grad' gegen uns're Dynastie anstinken?

PROTOTYBALT. Na warte, Lausebalg! – Ich mach dich kalt!
(Erhebt die Faust in Richtung Kaputio. Sie rangeln sich. Benno kommt hinzu und redet aus sicherer Entfernung auf sie ein.)

BENNO. Potztausend! Auseinander, ihr zwei Hähne!
Geschlechtsreif ist auch der, der sich nicht haut,
der nicht bei jedem Mucks die Fäuste ballt.
Bekanntlich haben eingeschlag'ne Zähne
am längsten an Zurückweisung gekaut!

PROTOTYBALT. Ich weise dieses Argument zurücke!
Denn selbst wenn mundwärts sich die Reihen lichten,
so hab' ich immer noch 'nen größ'ren Biss
als jeder Hänfling ohne Fehl' und Lücke.
Die Weiber steh'n auf waghals'ge Geschichten!
(Lacht Benno aus, sich weiter mit Kaputio raufend.)

BENNO. Du irrst! Bin weder dürr noch hab ich Schiss!
Ich frage nur - und spar' dir das Gelächter! -
Wozu der Groll? Wieso sich hier verletzen?
Wo and're fechten, bin ich ein Verfechter
von Nächstenliebe, Treue und Gesetzen.

KAPUTIO. Du Langweilo, mein Freund - da lach' selbst ich!

PROTOTYBALT. O Schmerz lass nach: Ihr seid so lächerlich!
Da bleibt nur eins: Wer sich wie'n Mädel ziert,
wird kurzerhand aufs Höchste involviert!
(Ziehen Benno mit ins Gefecht. Polizisten mit Schlagstöcken treten auf.)

POLIZIST. Oi! Sapperlot! Wau wau, Tatütata!
Ein Pulk! Radau! Die Leute sind verknäult
und balgen sich. Doch jetzt sind wir ja da!
Wir geh'n voran, bevor noch einer heult. -
(Die Polizisten im Akkord.)
Bei Batman, Robin Hood und Lucky Luke:
Die Polizei beendet jeden Spuk!
(Polizisten schreiten ein, was für noch mehr Verwirrung im Gebalge sorgt. Cabriolet, Monumentague und deren Frauen kommen.)

CABRIOLET. Was ist hier los? Ein Zank, ein Streit, ein Zwist?
Mit Monumentague und Polizist?
Welch Freudentag! Hier will ich selbst einschreiten!

FRAU CABRIOLET. O Schatz, zurück! Du weißt doch, wie das ist
mit deiner Hüfte und den Schwierigkeiten
beim Atmen, wenn du zu euphorisch bist!

CABRIOLET. So lass mich, Weib! Mein Feind darf schließlich auch!

FRAU MONUMENTAGUE. Das darf er nicht! Bei ihm sind's die Gelenke,
der Kreislauf, die Karriere in der Schenke,
die Männertitten und der Hängebauch.

MONUMENTAGUE. Ich will aber! Ihr wisst, wie man mich nennt:
Von Geist und von Statur ein Monument!
(Reißt sich los und rennt wutschnaubend auf Cabriolet zu. Der Bürgermeister tritt auf - sichtlich angetrunken, lallend, schwankend.)

BÜRGERMEISTER. Halt! Stop! Bei meinem Barte: Haltet ein!
Bei meinem Haus mit Garten und Markise!
Hört auf! Bei meinen Weibern, meiner Frise,
beim Single Malt und meinen Länderei'n!

Was seid ihr nur für drollige Gesellen:
gepeitscht von Raserei und Heldenmut!
Cabrio-schlecht und Monumenta-gut?
Ihr wagt's, mein Stadtbild derart zu entstellen?!

Doch nicht mit mir: Ich bin der Bürgermeister!
Bin quasi Kaiser, Sultan und Mogul!
Und ein Vertreiber aller bösen Geister.

Beim nächsten Aufruhr sitzt ihr auf dem Stuhl!
Drum mein Appell: O nehmt euch gut in acht!
Sonst schock' ich euch. Haha! Und gute Nacht.

FRAU MONUMENTAGUE. O Schreck, er spricht die Todesstrafe aus!

FRAU CABRIOLET. Ihr Männer seht, dass nicht nur die Gebrechen
sich furchtbar für manch Kindereien rächen!

CABRIOLET. Du hast mal wieder recht. Wir geh'n nach Haus.

POLIZISTEN (Im Akkord.)
Bei Batman, Robin Hood und Lucky Luke:
Die Polizei beendet jeden Spuk!
(Bürgermeister, Cabriolets, Prototybalt und Polizisten ab.)

MONUMENTAGUE. Da zieh'n sie hin, Halunken und Barbaren -
wie eine Wolke über diese Stadt!
Doch Neffe, sprich, wer hier begonnen hat?
Welch Unhold ließ als erstes Einen fahren?
Wer krümmte wem zuerst ein Achselhaar?

BENNO. (Energisch, zu laut.)
DIE ANDER'N HABEN ANGEFANGEN, KLAR?!

MONUMENTAGUE. Ruhig Blut, mein Freund, da kenn' ich keinen Zweifel.
Ich wollt' doch nur, ganz unbefangen, wissen:
Wer warf zur Kissenschlacht das erste Kissen?

BENNO. O - Prototybalt ist der Feuerteufel!
Doch war das jetzt so schwierig zu erraten!?
Ich kam hinzu, da war es schon im Gange:
Kaputio mimt den strammen Akrobaten
und Proto fackelt, wie man weiß, nicht lange.
Da war's ums schöne Parkidyll geschehen.

KAPUTIO. Ich mime? Wen? Das lass ich so nicht stehen!

FRAU MONUMENTAGUE. Und Romeo? Was ist mit meinem Sohne?
War er nicht hier? Er blieb doch unversehrt!?

BENNO. Ja ja, aus dem wird grade keiner schlau.
Der wirkt wie eine unbetret'ne Zone
von Moos und Überwucherung verzehrt. -
Womöglich fehlt ihm einfach eine Frau.

MONUMENTAGUE. Wer weiß. Auch ich vernahm des Knaben Gram,
die Antriebslosigkeit, die Sorgenfalten,
zerzaustes Haar, beim Pupen keine Scham
und insgesamt ein schrulliges Verhalten.

FRAU MONUMENTAGUE. Genau! Und immerzu schließt er sich ein!
Die meiste Zeit vergeudet er im Bette
mit Serien und Online-Spielerei'n.

MONUMENTAGUE. Und sieht man ihn mal, geht er auf Toilette -
in Unterhose - oder auf die Schnelle
zum Tiefkühlfach und dann zur Mikrowelle.

BENNO. Das klingt nicht gut. Was ist's, das ihn so plagt?
Der Gute ist doch noch so jung an Jahren
und wirkt bisweilen wie ein Greis zerfahren.
Wer hat ihm diesen Schrecken eingejagt?

MONUMENTAGUE. Ich weiß es nicht! Da bin ich überfragt.

FRAU MONUMENTAGUE. Ich weiß nur eins: Mein Sohn ist sehr empfindlich!

MONUMENTAGUE. Und Gott und Pubertät sind unergründlich.
(Romeo ist in der Ferne zu sehen - entgegen der Beschreibungen in durchaus zivilisierter Aufmachung.)

BENNO. Oha, da kommt ja unser Sorgenkind!
Ich schlage vor: Ich sprech' mit ihm im Stillen.
Des Freundes Ohr wird eher noch enthüllen,
was strenger Eltern Münder Rätsel sind.

MONUMENTAGUE. Nun ei, mein Neffe. Gut, versuch dein Glück.
Und bring' ihn möglichst wohlgestimmt zurück.
(Monumentagues und Kaputio ab.)

BENNO. Heißa, mein Freund! Welch seltenes Vergnügen!

ROMEO. (Geknickt, neurotisch.)
O weiche, Mensch. Wieso die Euphorie?

BENNO. Nun ja, du machst dich rar und wirst vermisst!

ROMEO. Und wenn die Leute Purzelbäume schlügen:
Was wär's schon als vertane Energie.
Wozu die Müh'? Nichts steht, nichts fällt, nichts ist.

BENNO. Was sprichst du da? Welch Umschwung im Gedanken!
Du machst mir Angst! - Hast du 'nen Geist geseh'n?

ROMEO. In etwa, ja. Nur war er wunderschön.
Mich dünkt, du stehst vor einem Liebeskranken.

BENNO. O weh, du bist verliebt in einen Geist?
O daher rührt dein sonderlich Gebaren,
dass grad' der Liebe Spuk in dich gefahren,
der dich betrübten Auges blicken heißt?
Doch nur die Ruh': Ich kenn' da Exorzisten,
den Geist in deinem Geist zu überlisten!

POLIZISTEN. (Im Akkord hinter der Bühne.)
Bei Batman, Robin Hood und Lucky Luke:
Die Polizei beendet jeden Spuk!

ROMEO. Nein nein, du Depp, ich liebe eine Frau!
Ein Erdending wahrhaftigster Gestalt,
mit echten Beinen, Oberschenkeln: Wow!
Und Armen, Ellenbogen: wie gemalt.
Vor solcher Schönheit kann man nur erblassen
und drum, wie einen Geist, sie nicht ganz fassen.

BENNO. Nun, nun, ok - ich sehe das Problem,
das sich wohl in zwei Hauptaspekte gliedert:
Du liebst und deine Lieb' wird nicht erwidert.

ROMEO. (Genervt.)
Genau! Jetzt steigst du hinter das System ...

BENNO. ... das alle Lösungsstrategien verneint
als diese hier: Du lenkest deine Blicke
auf and'rer hübscher Mägdelein Geschicke.

ROMEO. O nein! Du hilfst mir nicht! Nicht Freund noch Feind,
nicht Polizei, nicht Arzt noch Feuerwehr
wird jemals meine Liebe unterbinden.
Mich dünkt, mein Kummer wiegt unendlich schwer:
Man müsst' um mich die Welt schon neu erfinden.



ZWEITE SZENE

Eine Straße

Para-Graf Eifelturm lehnt an einer Laterne, in sein Handy vertieft.

PARA-GRAF EIFELTURM. Ei, ei, was weiß mein Handy zu berichten:
Von meinen Schuldnern keine Reaktion!
Der Sportclub kann den Stürmerstar verpflichten;
acht Likes für die Serviettenkollektion.

Doch was ist das?! Welch Eyecatcher im Feed!
Welch Hallo-Wach beim seelenlosen Scrollen!
Ein Bild, vor dem ein Jeder niederkniet,
ein Thread von Kommentaren angeschwollen.

Welch seltenes Geschöpf: Die will ich haben!
Die Julia ..., ach was! - Cabriolet!?
Vom Alten, den ich hin und wieder seh'!?
Wie wärs wohl, seine Tochter anzugraben?

O großes Glück! Da ich mein Like platziert,
kommt just besproch'ner Senior anspaziert!
(Cabriolet tritt auf.)

CABRIOLET. Der Para-Graf! Ist alles denn im Lot?
Was macht die Kunst? Die Liebe? Alles schön?
Ihr wirkt etwas erregt, die Wangen rot ...

PARA-GRAF EIFELTURM. Ich hatte ihre Tochter auf dem Screen.

CABRIOLET. Na hör'n sie mal!

PARA-GRAF EIFELTURM. Nein nein - nicht, was sie denken!
Ich sah ihr Bild und wollte für sie sterben,
sie adden, sie retweeten, abonnier'n
und tausendfach mit Favs und Likes beschenken!
Jetzt möcht' ich mich in real um sie bewerben,
zum Mann an ihrer Seite avancier'n.

CABRIOLET. Nun, nun, ich freu' mich ob der Euphorie
um meiner Lenden holden Früchte willen,
die ich mit Glanz und Akribie erzieh'
und einer teuren Amme gab zum Stillen.
Doch ist das Ding grad' dreizehn Jahre alt!
Und damit widerspräch's dem Paragraphen,
der sich Verführer Minderjähr'ger krallt.
Die Kinder soll'n im eig'nen Bette schlafen.

PARA-GRAF EIFELTURM. Da habt ihr das Gesetz nicht recht durchkämmt!
Und grad' als Reicher solltet ihr doch wissen:
Je mehr Millionen euer Konto stemmt,
ja, umso jüng're Mädchen dürft ihr küssen!
Ganz offiziell! So steht es schwarz auf weiß!
Und damit sind Gefühle grundsolide,
die ehrenwerten Männern sonst zu heiß:
Doch Money macht Geschlechtsverkehr valide.

CABRIOLET. (Erst geschockt, dann nachdenklich.)
Ok, mein Herr ..., was meint ihr vorzubringen,
um jene dreizehn Jahre aufzuwiegen?!

PARA-GRAF EIFELTURM. Nun ja, ich mag mich ungern selbst besingen,
doch and'rerseits will ich ja auch nicht lügen.
Ich sag mal so: Ich hab schon heftig Zaster
und Mädchenträume würden bei mir wahr.
Freigebigkeit ist, ach, mein großes Laster -
bis fünfstellig bezahle ich in bar.
Was soll's denn sein? Ein Pferd? Ein Elefant?
Ein ganzer Zoo? Ein Kino oder Park?
Auf Wunsch errichte ich Schlaraffenland!
Mein Portemonnaie ist viele Welten stark.
Ich übersteig' von Luxus die Idee,
denn bin ich Boss von Chelsea, dem FC.

CABRIOLET. Ein Fußballclub?! Sie haben mich erwischt!
Bin selbst ein großer Fan von dem Verein!
Das sind ja mal recht deft'ge Leckerei'n,
die ihr uns in Gedanken aufgetischt!
Wer da nicht grübelt, wär' ein echter Tor.
Doch wollt ihr meinen ungeteilten Segen,
so seid um letzte Antwort nicht verlegen,
denn eines irritiert mich nach wie vor:
Belehret mich, mein Herr, der Ambition,
die Richtige am bloßen Bild zu wählen.
Ist Liebe denn ein Klick, eine Funktion,
ein Like in Social-Media-Kanälen?

PARA-GRAF EIFELTURM. Nun, freilich hilft hier keine Hauptplatine,
kein Ram, kein Bit, kein Byte, kein Gigahertz
und auch kein Guide, Gefühl zu installieren.
Doch was ich seh', ist ja keine Maschine.
Ich sehe Grübchen, Augen und - kein Scherz -
in diesen kann ich mich auch „On“ verlieren.
Doch lasst das einfach meine Sorge sein.

CABRIOLET. Nun gut, ich will'ge ihrem Antrag ein.
(Von Eifelturm abgewandt, bei sich.)
In Anbetracht der guten Konditionen
will ich dem Stalker seinen Irrsinn lassen.
(Wieder Eifelturm hingewandt, mit übertrieben empfangender Geste.)
Und um ihr Glück schon bald „in real“ zu fassen,
empfehl' ich heut'ger Feier beizuwohnen,
die wir in unser'm schönen Haus bestreiten.
Dort könnt ihr reichlich Julia beäugen
und nach 'nem Wein, nach einem Tanz beizeiten
höchstselbst von eurer Neigung überzeugen.
(Eifelturm mit zustimmender Geste; beide ab, wobei Eifelturm beim Laufen auf sein Handy starrt. Romeo und Benno kommen, wobei Romeo beim Laufen auf sein Handy starrt.)

ROMEO. Ei, ei, was weiß mein Handy zu erzählen:
Viel Lachen hilft bei einer Depression ...
Haha! Ein Werkzeug zum Bananeschälen;
vom Jump 'n' Run gibt’s eine Free-Version.

Doch was ist das?! Ein Link zur Feindes-Seite:
Ein großes Fest im Haus Cabriolet ...
Und sie nimmt teil! O Mann! Das ist ja heute!
Das ist die Chance, dass ich sie wiederseh'!

Bei ihrem Anblick hab' ich Schmetterlinge
und Motten grade unter den Herzkammern,
an die sich häuptlings Fledermäuse klammern
und Schnecken, Käfer, Stiefel, and're Dinge.

Ich hab im Bauche quiekende Delphine
bei deinem zarten Anblick, Schakkeline.

BENNO. O nein, mein Freund, du willst da doch nicht hin?
Der Feind wird dich mit Pauken und Trompeten
und Dudelsäcken vor die Türe treten.

ROMEO. O doch - ich muss! Denn alles, was ich bin
manifestiert sich in dieser Person.
Denn ist sie fern, so reißen jene Stunden
als grobe Schubsereien größ're Wunden.
Schon ein „Hallo“ wär' aller Mühe Lohn.

BENNO. Nun ja, begeistert bin ich davon nicht.
Doch wenn du gehst, dann will ich dich flankieren
und als Trojan'sches Pferd uns präparieren:
Komm, kleb' dir diesen Schnurrbart ins Gesicht
und diese puschelweichen Augenbrauen.
(Bei sich.)
Vielleicht ist so 'ne Feier nicht verkehrt,
denn gibt’s dort sicher weit're schöne Frauen,
nach denen sich ein junger Mann verzehrt.
Da kommt er mal auf andere Gedanken
und eine feste Meinung schnell ins Wanken.



DRITTE SZENE

Julias Zimmer

Julia liegt mit übergeschlagenem Bein auf ihrem Bett, in ihr Handy vertieft.

JULIA. Ei, ei, was weiß mein Handy zu berichten:
Ein neues Video der Beauty-Queen;
vom Promi-Pärchen schlüpfrige Geschichten;
mein Kommentar im Online-Magazin.
(Es klopft an der Tür.)
Doch was ist das?! Es klopfet an der Türe!
Das war kein Klingelton, kein Sound im Chat!
Ein echtes Klopfen geht mir an die Niere.
„Was ist denn los? Ich liege noch im Bett!“
(Frau Cabriolet steht mit Julias Amme vor der Tür.)

FRAU CABRIOLET. Was sagst du da? „Der Sieger ist doch nett?“

JULIA. (Lauter.)
Nein nein! Ich sag: „Ich liege noch im Bett!“

AMME. Wat sachtse nu? „Ich wieche noch was Mett?“

JULIA. Nicht doch! Ich sag: Ich liege noch im Bett!

FRAU CABRIOLET. „Der Jüngling ist kokett“?

AMME. „Un gut im Bett?“

JULIA. (Nun auch mit sächsischem Dialekt.)
MEEN GOTT! Ich sach: „Ich liiieche noch im Bett!!!“

AMME. Achsou! Se meint, se lieche noch im Bett.

FRAU CABRIOLET. Dann ist's ja gut. Dann kommen wir herein.
(Öffnet langsam die Tür. Tritt ein, die Amme eilig hinterher.)

JULIA. (Richtet sich erzürnt auf.)
Was soll denn das? Was stört ihr mich zur Stunde?!

FRAU CABRIOLET. Nur ruhig, mein Kind. Wir wollen freundlich sein.
Wir bringen dir nur allerbeste Kunde.
Doch was zunächst uns auf dem Herzen liegt:
Wie ist's um deine Reifezeit bestellt?
Ist's schon soweit, dass Neugier überwiegt
und dich um deine zarte Unschuld prellt?

AMME. De gute Frau, se spricht in Hüroglüfn!
Se fragt, ob de bereits Intresse hast,
um deinen Unnorleib zu üborprüfn.
Sag: Hat ä Bube dich schon angefasst?

JULIA. (Noch wütender.)
Nie! Nimmer! Nein! Was soll die Fragerei?
Ich bin noch nicht mal vierzehn Jahre alt!
Und wäre ich in einen Kerl verknallt -
ich gäb's gewiss zum Schnattern euch nicht frei!

AMME. Ohou, de Dame hält sich wohl bedeckt!
(Zu Frau Cabriolet.)
'N gutes Zeichn is ne kecke Schnutn,
denn was sich hindor großm Groll vorsteckt:
'Ne selbstbewusste Frau un Mounatsblutn!

FRAU CABRIOLET. Und damit wär' die Pubertät belegt:
Mit erstem Blute schwillt die Blüte an.
Sobald dich jede Kleinigkeit erregt,
bist du gewiss bereit für einen Mann. -

AMME. Lass mich orzähln! Ich bin ganz ausm Häusschn!
Es geht um den bekanntn Para-Grafn,
dor grad um deine junge Hand anhält!
Gescheit issor. Un gut gebaut, mein Mäusschn!
Bei souner Aussicht gönnt i nimmor schlafn!

FRAU CABRIOLET. Ich bin mir sicher, dass er dir gefällt.

JULIA. Und wenn's so wär', dann hat's euch nicht zu scheren!
Bei Männern brauch ich keinen Denkanstoß!
Und auch mein Zyklus kann euer entbehren:
Ein Kind wird in der Regel selber groß.
(Von ihrem Handy ertönen Klopfzeichen.)
Doch lasst nun eure Julia mal in Ruhe.
(Deutet auf ihr Handy.)
Die Freundinnen, die weiblich sind - ihr wisst -
und feminin und reichlich ungeküsst.
Wir sind zwar schon verliebt - doch nur in Schuhe!

FRAU CABRIOLET. Nun, wie du meinst. Doch heut' bei uns'rer Fete
bekommst du ohnehin ihn zu Gesicht ... -

AMME. De wirst schou sehn: Dor Bub is ä Gedicht!
Un obndrein besitztorn Haufn Knete!
Na, wenn ä Mädl da nich wuschich wird?!

FRAU CABRIOLET. Man könnt' sich ja zunächst mal unterhalten! -

AMME. Un dann de Kraft dor Liebe frei entfaltn,
wenn sich ä Blick gen Housnstall vorirrt. -

JULIA. Genug jetzt! Schluss! Da drüben ist die Tür!

AMME. (Sanft, sich entschuldigend.)
Abor mein Gind: Mir gönn da doch nix für!
Mir wolln doch nur das Beste für das Mädl.
Ich seh dich noch im Stramplor nüborrennen -
un trügste nu ä Schleior, müsst ich flennen!

FRAU CABRIOLET. Gewiss. Im Schleier machtest du dich edel.
(Julias Handy tönt nun wiederholt und penetrant.)

JULIA. Wie dem auch sei: Ich bin noch nicht so weit!
Doch euch zu Liebe werd' ich mich bemühen
und mir für heut' was Nettes drüberziehen.
Doch seid so gut und gönnt mir jetzt die Zeit.

AMME. Na fein, mein Schatz. Da sehmor uns ja spätor.

FRAU CABRIOLET. Und hoffentlich dann ohne viel Gezeter.
(Frau Cabriolet und Amme ab.)

JULIA. Da! Endlich sind sie fort! Die Plagegeister!
(Wirft sich wieder auf's Bett, schlägt ein Bein über das andere und widmet sich ihrem Handy.)
Uh! Anton schreibt! Der Ex von Désirée
und Freund vom Süßen aus der Klasse D! -
Der mit den Stoppeln unter'm Kinn: Wie heißt der?

[...]

Die komplette Geschichte: https://www.amazon.de/Romeo-Julia-R..._nuuGgSirT6e6Avtacw3FbVIxO3wOhHXeYc8so3xA5OBU
 



 
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