S-Bahn-Surfen ist geil. Klar, auch gefährlich. Aber, he, Alter, gestern hat mich so'n Scheißtyp vorm Kaufhaus abgezogen und auf'n Weg hierher hätte mich bald 'ne Horde Skins plattgemacht. Auch nicht gerade ein Hort der Sicherheit, das Leben sonst.
Haste mal 'ne Tüte, Alter? Nee? Fuck! Komm, wir fahren zum Corner Hermannstraße. Die anderen sind bestimmt schon dort.
Wohnst noch nicht lange in Berlin, hä? Hab dich das erste mal in der C-Base gesehen, auf der Bühne. Geiler Sound, Alter, aus eurer Band wird mal was.
Scheiße, diese Strecke ist einfach nur Scheiße. Die setzen nur noch neue Bahnen ein. Mit diesen Türen ohne gescheitem Griff und so. He, Mann, auf dieser Strecke ist nüscht mehr los. Die Crews gehen mehr auf die alten Strecken. Da pulsiert das Leben. Können ja morgen mal 'ne Tour machen.
Du bist noch nie gesurft? Klar, bei euch gibt's ja keine S-Bahnen. He, witzig, so'n Kaff, bei dem man's zu Fuß am Vormittag von einem Ende zum anderen schafft. Naja, möchte trotzdem nicht tauschen. Mir gefällt's hier. Dir wird's auch bald gefallen.
Wenn du nicht willst, dann laß es mit dem Surfen. Bringt nix, wenn die Schiss zu groß ist. Macht man nur Fehler, echt, Alter. Man hat nur 'n kleinen Halt. Wenn man den verliert, ist's aus.
Ich hab's mehr oder weniger von Micro gelernt. Der hat mich mitgerissen. Von einigen Sachen lasse ich aber auch die Finger. Dieses Hangeln von einer Tür zur anderen - nicht mein Ding, Alter.
Ich laß mich lieber abhängen, genieße die Fahrt. Ist echt 'n tolles Gefühl.
S-Bahn-Surfen ist wie das Leben irgendwie, nur schneller. Der Fahrtwind zerrt an dir und unter dir donnern die Räder. Ein irrer Sound. Du mußt schnell sein, wach, darfst den richtigen Zeitpunkt zum Reingehen nicht verpassen. Pfeiler, Sträucher, Stromschienen und so, beim Hangeln biste da nur in Action.
Drinnen schimpfen sie manchmal. "Laß das, du kommst noch um dabei!" oder "Verdammter Rotzbengel, geh lieber arbeiten!"
Echt, Alter, ich kann's nicht mehr hören. Sonst schert sich auch keine Sau. Aber großen Rabatz machen, wenn man draußen mitfährt! Dabei lassen sie uns doch sonst auch immer draußen stehen. Arbeiten, wenn ich das schon höre! Wo denn? Ich könnte kotzen!
Am geilsten ist's, wenn die ganze Crew einen Zug entert. Du hängst draußen und siehst die Leute vor dir und hinter dir, die teilweise irre Action machen. Klasse Feeling, sag ich dir. Es ist, als könne man die Leute da drin mitreißen, den ganzen Zug zum Partywagen machen. Bei 'ner Crew rühren die sich alle nicht mehr, da hört auch das Gezeter auf. Die gucken bloß noch, manchen kann man ansehen, dass sie's Klasse finden.
Einmal haben wir gesehen, wie sich so'n Mütterchen bekreuzigt und gebetet hat. He, Alter, wir haben so gelacht! Wann hat man das schon mal, dass einer für einen betet? Sonst guckt einen keiner auch nur mit'm Arsch an.
Micro ist immer erst kurz vor Ultimo reingegangen. Mann, die alten Bahnhöfe, wo die Mauern noch bis zur Bahnsteigkante vorgezogen sind - da musste aufpassen, sonst biste platt. Micro hat's immer auf die letzte Sekunde rausgezögert. Ich war manchmal froh, wenn ein paar Leute zwischen ihm und mir waren, denn zum Hinsehen war das nüscht.
Nee, Micro wird heut nicht da sein. Den kannste nicht mehr kennenlernen, der ist tot. Nee, nicht wegen der Surferei. Hat sich das Leben genommen. Ist nun fast schon 'n Jahr her. Fuck!
Frag mich nicht, warum. Keine Ahnung. Micro war 'n bisschen komisch in der Zeit, bevor das passierte. Wollte aber nicht mit der Sprache raus.
An seinen Alten konnte es nicht liegen, dachten wir. Mit denen war er lange fertig. Kroatische Aussiedler. Die Mutter war Putze und ständig auf Achse, der Vater bekam 'ne Hauswartstelle und soff. Die hatten keinen Nerv auf Micro. Kannten sich nicht aus.
Fast hätten sie ihn nicht zur Schule angemeldet. Solche Dinge machte später entweder Micro selbst oder keiner.
Als der Krieg da unten losging, bekam sein Alter auf einmal 'n Patriotischen und er wollte zurück. War nicht Micros Ding, schätze ich mal. Ob's das war, weiß ich nicht. Jedenfalls hängte er sich auf.
Nee, wir waren nicht zur Beerdigung. War uns nüscht, dort seine Alten zu treffen und dann dieses ganze Ritual und womöglich noch Fragen, was wir dort zu suchen hätten. Wahrscheinlich hätten sie uns eh draußen stehen lassen.
Wir sind einen Tag später ans Grab gegangen. Haben seine Schwester dort getroffen. Als wir sagten, dass wir Freunde seien, fiel sie in Ohnmacht. Konnte sie gerade noch auffangen. Da lag sie dann und keiner traute sich, irgendwas zu tun. Aber sie kam bald wieder zu sich und das war irgendwie noch schlimmer. Erzählte, dass sie vor 'nem Jahr geheiratet hätte. Hatte ihn nachholen wollen, weg von den Alten, nach Falkensee. Er hätte vielleicht im Laden des Schwagers jobben können. So war's abgesprochen. Aber dann kam ein Kind, wie das eben so geht... Sie machte sich Vorwürfe.
Jesus, wir hätten lieber zur Beerdigung gehen sollen. Die Frau heulte Rotz und Wasser. Sie hat ihn wirklich geliebt.
Was tatsächlich war, weiß keiner. Vielleicht hat sie ja Recht und er hatte die Hoffnung aufgegeben, nachziehen zu können. Keine Ahnung. Leben ist wie Surfen irgendwie. Man hat nur 'n kleinen Halt. Wenn man den verliert, ist's aus.
He, Alter, nächste müssen wir raus. Mal sehen, ob die anderen schon am Corner sind.
Haste mal 'ne Tüte, Alter? Nee? Fuck! Komm, wir fahren zum Corner Hermannstraße. Die anderen sind bestimmt schon dort.
Wohnst noch nicht lange in Berlin, hä? Hab dich das erste mal in der C-Base gesehen, auf der Bühne. Geiler Sound, Alter, aus eurer Band wird mal was.
Scheiße, diese Strecke ist einfach nur Scheiße. Die setzen nur noch neue Bahnen ein. Mit diesen Türen ohne gescheitem Griff und so. He, Mann, auf dieser Strecke ist nüscht mehr los. Die Crews gehen mehr auf die alten Strecken. Da pulsiert das Leben. Können ja morgen mal 'ne Tour machen.
Du bist noch nie gesurft? Klar, bei euch gibt's ja keine S-Bahnen. He, witzig, so'n Kaff, bei dem man's zu Fuß am Vormittag von einem Ende zum anderen schafft. Naja, möchte trotzdem nicht tauschen. Mir gefällt's hier. Dir wird's auch bald gefallen.
Wenn du nicht willst, dann laß es mit dem Surfen. Bringt nix, wenn die Schiss zu groß ist. Macht man nur Fehler, echt, Alter. Man hat nur 'n kleinen Halt. Wenn man den verliert, ist's aus.
Ich hab's mehr oder weniger von Micro gelernt. Der hat mich mitgerissen. Von einigen Sachen lasse ich aber auch die Finger. Dieses Hangeln von einer Tür zur anderen - nicht mein Ding, Alter.
Ich laß mich lieber abhängen, genieße die Fahrt. Ist echt 'n tolles Gefühl.
S-Bahn-Surfen ist wie das Leben irgendwie, nur schneller. Der Fahrtwind zerrt an dir und unter dir donnern die Räder. Ein irrer Sound. Du mußt schnell sein, wach, darfst den richtigen Zeitpunkt zum Reingehen nicht verpassen. Pfeiler, Sträucher, Stromschienen und so, beim Hangeln biste da nur in Action.
Drinnen schimpfen sie manchmal. "Laß das, du kommst noch um dabei!" oder "Verdammter Rotzbengel, geh lieber arbeiten!"
Echt, Alter, ich kann's nicht mehr hören. Sonst schert sich auch keine Sau. Aber großen Rabatz machen, wenn man draußen mitfährt! Dabei lassen sie uns doch sonst auch immer draußen stehen. Arbeiten, wenn ich das schon höre! Wo denn? Ich könnte kotzen!
Am geilsten ist's, wenn die ganze Crew einen Zug entert. Du hängst draußen und siehst die Leute vor dir und hinter dir, die teilweise irre Action machen. Klasse Feeling, sag ich dir. Es ist, als könne man die Leute da drin mitreißen, den ganzen Zug zum Partywagen machen. Bei 'ner Crew rühren die sich alle nicht mehr, da hört auch das Gezeter auf. Die gucken bloß noch, manchen kann man ansehen, dass sie's Klasse finden.
Einmal haben wir gesehen, wie sich so'n Mütterchen bekreuzigt und gebetet hat. He, Alter, wir haben so gelacht! Wann hat man das schon mal, dass einer für einen betet? Sonst guckt einen keiner auch nur mit'm Arsch an.
Micro ist immer erst kurz vor Ultimo reingegangen. Mann, die alten Bahnhöfe, wo die Mauern noch bis zur Bahnsteigkante vorgezogen sind - da musste aufpassen, sonst biste platt. Micro hat's immer auf die letzte Sekunde rausgezögert. Ich war manchmal froh, wenn ein paar Leute zwischen ihm und mir waren, denn zum Hinsehen war das nüscht.
Nee, Micro wird heut nicht da sein. Den kannste nicht mehr kennenlernen, der ist tot. Nee, nicht wegen der Surferei. Hat sich das Leben genommen. Ist nun fast schon 'n Jahr her. Fuck!
Frag mich nicht, warum. Keine Ahnung. Micro war 'n bisschen komisch in der Zeit, bevor das passierte. Wollte aber nicht mit der Sprache raus.
An seinen Alten konnte es nicht liegen, dachten wir. Mit denen war er lange fertig. Kroatische Aussiedler. Die Mutter war Putze und ständig auf Achse, der Vater bekam 'ne Hauswartstelle und soff. Die hatten keinen Nerv auf Micro. Kannten sich nicht aus.
Fast hätten sie ihn nicht zur Schule angemeldet. Solche Dinge machte später entweder Micro selbst oder keiner.
Als der Krieg da unten losging, bekam sein Alter auf einmal 'n Patriotischen und er wollte zurück. War nicht Micros Ding, schätze ich mal. Ob's das war, weiß ich nicht. Jedenfalls hängte er sich auf.
Nee, wir waren nicht zur Beerdigung. War uns nüscht, dort seine Alten zu treffen und dann dieses ganze Ritual und womöglich noch Fragen, was wir dort zu suchen hätten. Wahrscheinlich hätten sie uns eh draußen stehen lassen.
Wir sind einen Tag später ans Grab gegangen. Haben seine Schwester dort getroffen. Als wir sagten, dass wir Freunde seien, fiel sie in Ohnmacht. Konnte sie gerade noch auffangen. Da lag sie dann und keiner traute sich, irgendwas zu tun. Aber sie kam bald wieder zu sich und das war irgendwie noch schlimmer. Erzählte, dass sie vor 'nem Jahr geheiratet hätte. Hatte ihn nachholen wollen, weg von den Alten, nach Falkensee. Er hätte vielleicht im Laden des Schwagers jobben können. So war's abgesprochen. Aber dann kam ein Kind, wie das eben so geht... Sie machte sich Vorwürfe.
Jesus, wir hätten lieber zur Beerdigung gehen sollen. Die Frau heulte Rotz und Wasser. Sie hat ihn wirklich geliebt.
Was tatsächlich war, weiß keiner. Vielleicht hat sie ja Recht und er hatte die Hoffnung aufgegeben, nachziehen zu können. Keine Ahnung. Leben ist wie Surfen irgendwie. Man hat nur 'n kleinen Halt. Wenn man den verliert, ist's aus.
He, Alter, nächste müssen wir raus. Mal sehen, ob die anderen schon am Corner sind.