Schlaglichtgewitter
Lieber Walther,
ein Gedicht, das zu lesen sich möglicherweise lohnt. Wäre da nicht - ich muss es wohl nicht sagen, was du anscheinend für den Gipfel des individualistischen Schreibens hältst, dein Spleen, zusammengesetzte Wörter unbedingt trennen zu wollen, ohne dass hierfür ein wie auch immer gearteter Sinn ersichtlich ist. Schade. Das beschädigt nicht nur das Äußere, sondern letztlich auch das Inhaltliche, der Autor macht sich, umgangssprachlich, du wirst verzeihen, selbst zum Klops. Aber wem sage ich das.
Es geht um den Krieg, um den Atomkrieg. Die animalische Angst des Menschen vor dem atomaren Menschenmord, der aktuell möglich sein könnte, wird mit hinreichend Bekanntem ausgesprochen: der Pilz (nicht: die Pilze) wächst in den Himmel, falsch: Kein Licht, das brennt - es brennt ein Licht, und zwar ein so ungeheuer weißes, dass der Hineinschauende erblindet, ehe er verglüht. Ich weiß nicht, ob du schon mal im Fernsehen die Explosion einer Atombombe gesehen hast oder ob du dir die Sache nicht doch ein wenig zu harmlos vorstellst. Zumindest ist die Hölle nach der Explosion perfekt, man hat für sie einfach kein Wort mehr. Und dieses Höllische fehlt mir noch etwas im Gedicht, ein wenig kommt es so gemütlich daher wie ein Sonntagnachmittagsspaziergang, der ärgerlicherweise durch einen betrunkenen Amokläufer versaut wird. Du hast versucht, das "Normale" des kleinstädtischen Lebens dem Infernalischen gegenüberzustellen, was ich ganz in Ordnung finde, aber dem von dir tatsächlich beschriebenen Gegensatz fehlt doch ein wenig der Gegensatz.
Völlig lässt du das politische Umfeld aus. Das solltest du aber benennen, wenn dein Gedicht ernst genommen werden soll. Ohne diese Nennung bleibt das Gedicht im Schwammigen, Unverbindlichen, es erschöpft sich in schön gemeinter Rhetorik.
Ein paar Überlegungen zum Technischen:
Überflüssig meiner Ansicht nach die Zeilen 10-12, wo du versuchst, etwas zu beschreiben, was nicht beschreibbar ist, es bleibt einfach zu unbildlich und damit zu schwach.
Strophe "Auf dem Marktplatz der Straße": Hier würde ich "der Straße" streichen, wo sonst soll der Marktplatz denn sein als auf der Straße.
Dann "die kleine Hand": Erinnert ja sehr an das bekannte Lied von Bettina Wegener, würde ich rigoros streichen.
Die Conclusio drückt noch einmal das ganze Unklare, dieses Nicht-Stellungbeziehen-Wollen der Gedankengänge des Autors aus. Nicht die Kinder spielen mit dem Atomkrieg, Krieg als Spielzeug ist sowieso ein falscher Vergleich, mit einem Panzer oder sogar einer Bombe kann man spielen, man kann aber "Krieg spielen", also hier stimmt sprachlich etwas nicht. Was du ausdrücken willst, leuchtet mir schon ein, aber dann tu es auch.
Wenn ich diesen Text kurz charakterisieren sollte, würde ich sagen: Der Autor hatte eine gute Absicht.
Schöne Grüße, Fettauge