Schluckauf (gelöscht)

ENachtigall

Mitglied
Hallo Kohlibri,

ich mag die Symmetrie, die Deine Lyrik gliedert und den Bildern einen festen Boden gibt. Dennoch habe ich einige Vorschläge bzw. Anregungen.

In der ersten Strophe finde ich das "umweht" lautlich unglücklich auf der ersten Silbe betont. Wie fändest Du verweht, das weniger drastisch aber ebenso auslöschend beschreibt?

In der zweiten habe ich ein ernstes Problem mit dem unpersönlichen "man". ..."während die eigenen Augen farbenblind sind" klänge verbindlich und klar.

In der dritten Strophe ist das wiedererinnern doppelt gemoppelt. Lass es einfach!

Hoffentlich fühlst Du Dich von meiner Kritik jetzt nicht verschüttet; denn nach wie vor überwiegt das prägnante lyrische Bild, das Du geschaffen hast. Der Rest ist Feinschliff.

Lieben Gruß von Elke
 

Kohlibri

Mitglied
verwegen - einen schritt vor den
anderen setzen, während ein
windstoß deine fassade verweht

verworren - einen roten faden
durch alle schwarz-weiß-maler
ziehen, während du farbenblind bist

vergessen - ein bildermeer in den
abgrund gießen und schluck für
schluckauf (wiedererinnern)



verwegen, verworren, vergessen

Liebe Elke,

ich habe deine Kritik als sehr angenehm empfunden
und bin dir daher auch sehr dankbar, dass du mir
auf diese Art und Weise deine Lesart und deine
Eindrücke näher bringst. Ich lerne ja dadurch, was
ich besser machen könnte, erfahre Anregungen etc.

In der ersten Strophe habe ich bewusst ein klangliches Hindernis konstruiert...es soll umwehen, umhauen. Verweht gefällt mir, es ist poetischer, weniger konstruiert...aber auch weniger radikal. Ich schlafe drüber...

In der zweiten Strophe sehe ich deine Kritik ebenso als gerechtfertigt an. Dich stört das unpersönliche "man" - ich hatte mir überlegt, dass sich in dem Gedicht ja ein Wandel vollziehen soll. Vom Persönlichen zum Unpersönlichen und dann völlig verschwinden....

In der dritten Strophe verstehe ich nicht ganz, was du mit doppelt gemoppelt meinst? Du meinst ich soll das Wort (wiedererinnern) ganz streichen...oder nur das wieder? Ich glaube da war ich terminologisch mal wieder stark von Proust beeinflusst...

Ich schlafe mal über alles.

Vielen Dank und liebe Grüße,
libri
 
P

penelope

Gast
liebe kohlibri,

wie enachtigall sage ich auch, eine feine, verwehende melodie durchzieht deine zeilen. es sind die wellen, die mir aus dem meer entgegen zischen, die du in den abgrund schüttest (ich hätte wahrscheinlich sogar das wort "abfluss" anstatt "abgrund" genommen, da sie noch härter und unserer kulturellen verlustbarkeit entspricht), doch es kommen alle zeichen bei mir an, zeichen, wort und bildgefüge sind stimmig und geleiten mich bis zur erinnerung, und dieses wirklich sowohl poetische als auch für mich origenelle bild des schluck für/schluckauf wiederinnern macht daraus ein gedicht mit echtem format. ich denke, auch hier hat elke recht: in dem wort erinnern ist der partikel "wieder" schon enthalten, deshalb die verdoppelung, die sie meint. insgesamt jedoch strudelt etwas natürliches dahin, nichts was quer oder gar künstlich erscheint. ich lerne mit deinen bildern nicht nur verwegen, verworren, vergessen zu sein, sondern, dass wir als endliche kreaturen, wie alle lebewesen halt, einmal auftauchen und wieder verschwinden werden...

lg penelope
 
T

Thys

Gast
Hallo Kohlibri,

im Prinzip finde ich den Text nicht schlecht. Aber in S2
habe ich so meine Probleme. Der "rote Faden" ist ein Bild
dafür, dass man sich nicht "verheddert", nicht vom Thema/Weg
abkommt. Ein Schwarz-Weiß-Maler muss nicht unbedingt den
"roten Faden" verlieren. Ein Schwarz-Weiß-Maler bezieht nur
extreme Randpositionen, kann die aber strikt und ohne den
roten Faden zu verlieren, beibehalten. Mit der Farbenblindheit
hadere ich auch etwas. S1 und S3 sind ok. Kannst Du mir einmal
Deine Gedanken zu S2 erläutern?

Gruß

Thys
 

Kohlibri

Mitglied
Liebe Penelope,
vielen Dank auch für deine sinnigen Anmerkungen und Einfälle!!!


Lieber Thys,
schade und schön, dass du dich mal wieder bei mir verheddert hast. Ich halte deine Kritik nicht für unklug und freue mich, dass du sie geäußert hast. Vielleicht ist die zweite Strophe tatsächlich eine Schwachstelle im Gedicht. Verworren.
Ein Schwarz-Weiß-Maler - vielleicht reicht diese Tätigkeit gar nicht zum Broterwerb - verliert den roten Faden nicht unbedingt; vielleicht jedoch alle Schwarz-Weiß-Maler. Ich spiele natürlich auf die "klassischen" Bilder an, aber versuche auch sie wieder zu verlassen, was problematisch sein mag. Offensichtlich gelingt es den Schwarz-Weiß-Malern meines Gedichtes nicht mehr zwischen Rot und Schwarz zu unterscheiden; alles verläuft sich in der Oberfläche (des Bildes), im Treiben der Welt, so ist es natürlich schwer zu überblicken, worauf es ankommt, wofür es sich lohnt in die Tiefe zu tauchen. Die Farbenblindheit bezeichnet in dieser Hinsicht vielleicht einfach, dass wir manchmal in der Lage sind Wege zu finden oder Farben zu entdecken, ohne dies überhaupt wirklich verstehen zu können, wir brechen aus etwas aus, weil wir etwas finden, was uns gerade das ermöglicht, ohne dass wir wissen, wie wir den Hals aus der Schlinge gezogen haben. Ich spinne das mal nicht weiter, sonst verliere ich mich noch irgendwo in trunkenen Worten...

Lg der Libri
 

ENachtigall

Mitglied
konstruktives Handeln

Hallo Kohlibri,

ich lese gerade Dein Gedicht erneut und finde es richtig gut; Du hast Dich auf Vorschläge und Anregungen eingelassen, Dir aber Zeit und Bedenken dazu genommen. Ein schönes Zeichen, dass zugunsten der Lyrik abgewägt wurde!

Jetzt möchte ich Punkte streuen.
Lieben Gruß, Elke
 
T

Thys

Gast
Hallo Kohlibri,

das ist nicht weiter tragisch, dass ich mich verheddert habe.
Passiert mir immer wieder einmal.

Vielen Dank für Deiner Erklärung. Jetzt wird es mir schon klarer,
wie Du das meinst und ich kann es sogar in gewisser Weise
nachvollziehen. Ist also soweit klar und ein Weiterspinnen
ist nicht nötig, wäre sogar gefährlich, wenn Du Dich wieder
in trunken Worten verlieren würdest. Damit würdest Du mich
nämlich unmittelbar geistig abhängen.

Gruß

Thys
 



 
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