Schmetterlinge

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anbas

Mitglied
Schmetterlinge

Mein Bauch war voller Schmetterlinge.
Doch dir ging das am Arsch vorbei.
Mein Bauch war voller Schmetterlinge.
Doch jetzt sind alle wieder frei.

Mein Bauch war voller Schmetterlinge.
Ich warf sie seufzend über Bord.
Mein Bauch war voller Schmetterlinge.
Inzwischen sind sie alle fort.

Mein Bauch war voller Schmetterlinge.
Das ist nun etwas länger her.
Mein Bauch war voller Schmetterlinge,
jetzt fühl ich mich ein wenig leer.

Mein Bauch war voller Schmetterlinge.
Die Wunden heilt bestimmt die Zeit.
Mein Bauch war voller Schmetterlinge.
Nur manchmal macht sich Sehnsucht breit.

Mein Bauch war voller Schmetterlinge.
Sie kommen wohl nicht mehr zurück.
Mein Bauch war voller Schmetterlinge –
jetzt bin ich frei und nenn' das "Glück".
 

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Mitglied
Ich mag die Idee und wie du das sprachlich umgesetzt hast, lieber Andreas!

Der Kontrast der knappen, nüchternen "Einsilbigkeit" jeder zweiten Zeile gegen das (klangliche) Flattern der Schmetterlinge!

Mein Bauch war voller Schmetterlinge.
Sie kommen wohl nicht mehr zurück.
Mein Bauch war voller Schmetterlinge –
jetzt bin ich frei und nenn' das "Glück".
Ich hätte vermutlich - um das Glück als noch aufrichtiger von LI bereits als solches empfunden zu wissen - anstelle von "sie kommen wohl nicht mehr zurück" eher etwas Entschiedeneres wie "ich will sie auch nicht mehr zurück" geschrieben (meine Oma sagte immer "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende" und das hat sich bei mir wohl festgesetzt und mich zum Schlussstrichtyp gemacht ;) ).

Aber der leise Zweifel deiner Version ergibt natürlich Sinn und meint eben etwas Anderes. Und der Nachhall ist bei deiner Version definitiv mehr gegeben..."und nenn das Glück" lässt ja durchaus anklingen, dass da jemand versucht, sich das so selbst zurechtzureden (daher auch das oftmalige Wiederholen der Schmetterlinge...sie sind eben noch omnipräsent ;) ): Eine Strategie, die ich gut nachvollziehen kann. Da kann man dem LI nur wünschen, dass das Gefühl vom "Nennen" bald zum "So-Empfinden" wird, damit es abschließen kann.

Schön, wenn ein Text, der auf den ersten Blick ein gelungenes Wortspiel und dessen Auskostung bietet, dann doch mehr leistet, als man es mit oberflächlicher Wahrnehmung ev. vermuten möchte. Das finde ich sehr gelungen.

Gerne gelesen!
LG,
Claudia
 

anbas

Mitglied
Hallo Claudia,

Aber der leise Zweifel deiner Version ergibt natürlich Sinn und meint eben etwas Anderes. Und der Nachhall ist bei deiner Version definitiv mehr gegeben..."und nenn das Glück" lässt ja durchaus anklingen, dass da jemand versucht, sich das so selbst zurechtzureden (daher auch das oftmalige Wiederholen der Schmetterlinge...sie sind eben noch omnipräsent
Genau das war meine Absicht. Ich freue mich sehr, dass Du diesen Aspekt für Dich "herausarbeiten" konntest :). Eine weiterer Aspekt könnte auch eine gewisse Trotzreaktion sein - wobei auch dahinter oft/meistens ein Zurechtreden/Schönreden der Situation steckt.

Vielen Dank für Deine Rückmeldung und den Sternenregen.

Liebe Grüße

Andreas
 

sufnus

Mitglied
Hi anbas!
Das ist ein schön und klug gefügtes Gedicht und natürlich ist es auch traurig.
Der "Trick" mit dem Schmetterlingsostinato ist ein wirklich sehr gescheiter Einfall und erzeugt nicht nur eine sehr coole Lesestruktur sondern transportiert auch perfekt den halb eingefrorenen Zustand des lyri. Ichs nach einem gescheiterten Glück.
Wenns ganz und gar nach mir ginge (gehts zum Glück nicht!), könnte ich ggf. übrigens auf die zweite Strophe verzichten, das Bild von über Bord geworfenen Schmetterlingen ist eher auf der kühnen Seite und für mich fühlt sich das Gedicht mit vier Strophen eigentlich am schlüssigsten an, aber das stört (auch mich) wirklich nicht ernsthaft (und sonst wahrscheinlich eh keinen :) ).
Also: Sehr gerne gelesen! :)
LG!
S.
 

anbas

Mitglied
Hi sufnus,

vielen Dank für Deine Rückmeldung und die Sterne, über die ich mich sehr gefreut habe. :)

Die von Dir angesprochene Stelle werde ich mir noch ein paarmal ansehen. Deine Anmerkung kann ich nachvollziehen - wenn auch bereits in der ersten Strophe mit "am Arsch vorbei" eine Formulierung steht, die derber ist, als die Sprache im übrigen Gedicht.
Die Strophe streichen möchte ich auf jeden Fall nicht. Es gibt eine kleine - vielleicht zu sehr "versteckte" - Entwicklung in dem Gedicht, in welcher das LyrIch immer mehr Abstand gewinnt. Der Sprung von Strophe eins zu drei wäre mir zu groß. Aber vielleicht finde ich ja eine andere Formulierung.

Liebe Grüße

Andreas
 



 
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