Schöne Fragen - schöne Antworten

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Ohrenschützer

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Der Ohrenschützer ist derzeit sozusagen auf Bildungskarenz, die Audio- und Video-Podcasts sind aber weiterhin abrufbar, unter anderem auch der "Heilige Schriften"-Zyklus mit jeweils ein paar schönen Stellen aus der Bibel, dem Koran, dem Talmud, etc. Gestern erhielt ich zum Bibel-Videopodcast eine in Atheistenkreisen gern kursierende kritische Nachricht, die mich zu einer entsprechenden Antwort gekitzelt hat, wobei meine persönliche Religionsüberzeugung gar keine so große Rolle spielen dürfte. Ich schrieb dabei folgendes:

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Vielen Dank für Ihre freundliche E-Mail. Ich finde Ihre Fragen sehr interessant und versuche sie nach bestem katholisch-christlichen Wissen zu beantworten.

Sie schreiben zu Anfang "Wenn etwa jemand versucht seinen homosexuellen Lebenswandel zu verteidigen, erinnere ich ihn einfach an Leviticus 18,22, wo klargestellt wird, dass es sich dabei um ein Gräuel handelt". Homosexueller Lebenswandel ist zwar meinetwegen ein Gräuel (etwas das allgemein Grauen erregt), aber nicht zu verurteilen. Schließlich gibt es genug Anzeichen, dass Gott selbst schwul ist; heißt es doch „Du sollst deinen Nächsten (sic!) lieben wie dich selbst; ich bin der Herr.“ (Lev 19,18), was nicht nur die homosexuelle Liebe sondern auch die Selbstbefriedigung offenbar ausdrücklich empfiehlt. Außerdem hat Gott über die ganze Bibel hinweg eindeutig Männer bevorzugt, worauf die ganze patriarchalische Gesellschaft beruht.

Zu Ihren speziellen Fragen darf ich Ihnen die folgenden Ratschläge geben:

Frage a: Wenn ich am Altar einen Stier als Brandopfer darbiete, weiß ich, dass dies für den Herrn einen lieblichen Geruch erzeugt (Lev. 1,9). Das Problem sind meine Nachbarn. Sie behaupten, der Geruch sei nicht lieblich für sie. Soll ich sie niederstrecken?

Antwort a: Vorsicht, es könnte sich um Nachfahren des Propheten Amos handeln, der da sagte: „Ich bin euren Feiertagen gram und verachte sie und mag eure Versammlungen nicht riechen.“ Versuchen Sie besser, Ihre Nachbarn durch Barbecue-Abende von Ihren olfaktorischen Werten zu überzeugen.

Frage b: Ich würde gerne meine Tochter in die Sklaverei verkaufen, wie es in Exodus 21,7 erlaubt wird. Was wäre Ihrer Meinung nach heutzutage ein angemessener Preis für sie?

Antwort b: Ich fürchte, Sie haben die Stelle missverstanden; es heißt, sie soll „nicht wie andere Sklaven entlassen werden“. Es besteht also Kündigungsschutz.

Frage c: Ich weiß, dass ich mit keiner Frau in Kontakt treten darf, wenn sie sich im Zustand ihrer menstrualen Unreinheit befindet (Lev. 15,19–24). Das Problem ist, wie kann ich das wissen? Ich hab versucht zu fragen, aber die meisten Frauen reagieren darauf pikiert.

Antwort c: Anhand Ihrer Frage sieht man, dass Sie nicht mit der Allwissenheit Gottes verbunden sind. Intensives Gebet, optimalerweise über mehrere Jahre in völliger Einsamkeit, lassen Sie schließlich mühelos erkennen, ob sich eine Frau im paarungsbereiten Zustand befindet oder nicht.

Frage d: Lev. 25,44 stellt fest, dass ich Sklaven besitzen darf, sowohl männliche als auch weibliche, wenn ich sie von benachbarten Nationen erwerbe. Einer meiner Freunde meint, das träfe auf Belgier zu, aber nicht auf Niederländer. Können Sie das klären? Warum darf ich keine Niederländer besitzen?

Antwort d: Angesichts der EU-Erweiterungen sind die wirtschaftlichen Außengrenzen nunmehr sehr stark angewachsen. Ihren Niederländer werden Sie zwar zB an einen russischen Oligarchen verkaufen müssen, dafür stehen Ihnen die nordafrikanischen Staaten (ganz in alter Tradition) zur vollständigen Verfügung.

Frage e: Ich habe einen Nachbarn, der stets am Samstag arbeitet. Exodus 35,2 stellt deutlich fest, dass er getötet werden muss. Allerdings: Bin ich moralisch verpflichtet, ihn eigenhändig zu töten?

Antwort e: Das können Sie getrost Gott selbst überlassen. Er ist da sehr verlässlich, diskret, bisweilen sogar kreativ und hat keine Skrupel vor Haustier, Frau und Kind.

Frage f: Ein Freund von mir meint, obwohl das Essen von Schalentieren, wie Muscheln oder Hummer, ein Gräuel darstellt (Lev. 11,10), sei es ein geringeres Gräuel als Homosexualität. Ich stimme dem nicht zu. Könnten Sie das klarstellen?

Antwort f: Wie bereits festgestellt, bezeichnet ein Gräuel nur etwas, das allgemein Grauen erregt (wie zB der Morgen oder das Haupthaar). Eine Klassifizierung ist naturgemäß schwierig; das Essen von schwulen Hummern würde ich jedenfalls vermeiden.

Frage g: In Lev. 21,20 wird dargelegt, dass ich mich dem Altar Gottes nicht nähern darf, wenn meine Augen von einer Krankheit befallen sind. Ich muss zugeben, dass ich Lesebrillen trage. Muss meine Sehkraft perfekt sein oder gibt's hier ein wenig Spielraum?

Antwort g: Solange Sie sich am Altar nicht eine Hodenquetschung (siehe Lev 21,20) zuziehen, weil Sie Ihre Brille vergessen haben, genügen vermutlich zwei oder drei Ave Maria, um Sie von Ihrer Sünde zu befreien.

Frage h: Die meisten meiner männlichen Freunde lassen sich ihre Haupt- und Barthaare schneiden, inklusive der Haare ihrer Schläfen, obwohl das eindeutig durch Lev. 19,27 verboten wird. Wie sollen sie sterben?


Antwort h: Möglicherweise durch ihren Friseur. Doch das weiß Gott allein.

Frage i: Ich weiß aus Lev. 11,7–8, dass das Berühren der Haut eines toten Schweines mich unrein macht. Darf ich aber dennoch Fußball spielen, wenn ich dabei Handschuhe anziehe?

Antwort i: Sie verwirren mich. Warum sollten Sie sich Lederhandschuhe anziehen, wenn Sie Ihre in Plastikschuhen steckenden Füße vor einem Plastikball schützen wollen? Dass die Hand Gottes keine Angst vor Berührung mit einem Fußball hat, sollte zum Allgemeinwissen gehören.

Frage j: Mein Onkel hat einen Bauernhof. Er verstößt gegen Lev. 19,19, weil er zwei verschiedene Saaten auf ein und demselben Feld anpflanzt. Darüberhinaus trägt seine Frau Kleider, die aus zwei verschiedenen Stoffen gemacht sind (Baumwolle/Polyester). Er flucht und lästert außerdem recht oft. Ist es wirklich notwendig, dass wir den ganzen Aufwand betreiben, das komplette Dorf zusammenzuholen, um sie zu steinigen (Lev. 24,10–16)? Genügt es nicht, wenn wir sie in einer kleinen, familiären Zeremonie verbrennen, wie man es ja auch mit Leuten macht, die mit ihren Schwiegermüttern schlafen? (Lev. 20,14)

Antwort j: Nein, es genügt nicht, ihn zu verbrennen, sonst stünde es so da. Wenn Sie Ihre moralischen Grundwerte mangels Hausverstand in einem über zweitausend Jahre alten Buch suchen, dürfen Sie sich nicht wundern, wenn es manchmal ein wenig unbequem ist (vor allem für Ihren Onkel). Aber es steht geschrieben: „Tut alles ohne Murren und ohne Zweifel“ (Phil. 2,14). Schalten Sie daher Ihren Denkapparat wieder aus, auf dass Sie als funktionierendes Rädchen in unserer aufgeklärten Demokratie dem Herrn wohlgefallen.

Ich hoffe, Ihnen damit behilflich gewesen zu sein und verbleibe mit bestem Gruß
 

jon

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:)
… allerdings fürchte ich, nicht jeder versteht das als Ironie.

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"eine in Atheistenkreisen gern kursierende kritische Nachricht" – Jetzt bin ich verwirrt: Bin ich nicht atheistisch genug, so dass die Nachricht nicht genug Vergnügen empfinden würde, auch bei mir zu kursieren, oder bin ich nur nicht im richtigen Atheistenkreis angemeldet? – Nein im Ernst: Ich musste ein ganzes Weilchen überlegen, was du wohl mit dieser Info meinst. Sicher bin ich noch immer nicht …
 

Ohrenschützer

Mitglied
Hallo jon, danke für die Rückmeldung.
Ironie ist in diesem Feld natürlich eine sehr gefährliche Sache, weil des einen Absurdität des anderen Religion ist. Dünnes Eis sowieso. Es hat mich unglaublich gekitzelt, auf diese humoristische Breitseite mit ernstem Kern noch eine gepfefferte Antwort draufzulegen. Die Schwäche liegt da sicher im schwammigen Standpunkt, der sich vielleicht noch am ehesten in den letzten Sätzen herauslesen lässt ("selber denken statt Moral nachlesen").

Ich vermute, bei der Wendung "eine in Atheistenkreisen gern kursierende kritische Nachricht" irritiert dich die Verwendung des Worts "gern". Eine kleine regionale Spezialität, wie mir jetzt bewusst wird: Ein Hund bellt "gern" oder ein Baby schreit "gern", im Sinne von "oft". Aus der Häufigkeit wird eine scherzhaft angenommene Leidenschaft abgeleitet. Daher kursiert die kritische Nachricht in Atheistenkreisen gern. Wenn man's jetzt noch verschwurbelt schreibt wie ich entsteht die Irritation. Danke für den Hinweis. :)
 



 
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