Schwarze Blässe (F)

Junkfoot

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Dies ist ein Prolog für einen Fantasy Roman, er entstand schon vor ca. 3-4 Jahren. Dann wusste ich nicht mehr, was ich weiterschreiben sollte. Jetzt wollte ich, bevor ich mich wieder daranmache, erstmal ein wenig Resonanz hören. Viel Spaß also, und Danke, dass ihr meine Geschichte lest.

Nur zögernd illuminierte der Mond das Gebeinfeld der Stadt Sharond-Bal im Königreich Meridae.
Dicke schwarzgraue Wolken verwährten einem Großteil des Mondlichts den Zugang zur Spähre der Sterblichen.
Eine Gestalt schritt über das Gebeinfeld und fluchte leise vor sich hin.
Olpar, der Totengräber verwünschte seine Arbeit, besonders in diesen schweren Zeiten, da eine furchterregende neue Krankheit im Lande von Meridae ihre Furchen zog.
Die Krankheit, von den führenden Heilern des Landes schwarze Nässe genannt, hatte wie wild gewütet und große Teile der Bevölkerung dahingerafft.
Die ersten, die von dieser unheilvollen Seuche ergriffen wurden, waren die Armen. Doch als die schwarze Nässe voranschritt und sich erdreistete, sogar in den reicheren Vierteln der Stadt um sich zu schlagen, reagierte König Meridae sofort.
Er ließ eine meterhohe Mauer errichten, um die Armenviertel Sharond-Bals von den Quartieren der Adligen abzuriegeln. Plötzlich hatte das königliche Heer ganz andere Sorgen, als den König zu schützen.
Stein um Stein schleppten sie, und so dauerte es nicht lange, und ein Wall von Tausenden und Abertausenden Kalksteinen umgab das dunkle Viertel, wie es unter den höhergestellten Herrschaften herablassend genannt wurde.
Das Geschäft von Olpar hatte plötzlich Hochkonjunktur, was zur Folge hatte, dass der Totengräber bis spät in die Nacht hinein zu tun hatte, um die ganzen Leichen in der Erde zu versenken.
Am Anfang, als die ersten Toten “geliefert” wurden, sträubten sich sogar dem hartgesottenen Olpar die Nackenhaare.
Olpar hatte sich gerade hingesetzt, um sein Abendmahl zu sich zu nehmen, falls man die harten Brotkanten und den angeschimmelten Käse, zusammen mit einer ordentlichen Portion Brackwasser überhaupt so nennen konnte, als es an seiner Tür klopfte.
Olpar stand nicht auf. “Verflucht sei der, der zu so später Zeit noch an mein Tor klopft”, dachte er, “meine Arbeit für heute ist getan, und überhaupt: bei der schlechten Bezahlung können sie sich bald einen Anderen suchen!”
Wieder klopfte es. Dieser war hartnäckig. Stumm machte sich Olpar über sein Essen her.
“Endlich hat er aufgegeben,” dachte Olpar, als ihn plötzlich ein TockTock gegen seine Fensterscheibe zusammenfahren ließ.
“Ja! In Thergons Namen! Ja, doch!” schrie der Totengräber entnervt. “Immer mit der Ruhe, oder wollt ihr die Toten noch aufwecken?”
Er öffnete das Tor und der Geruch, der im entgegenschlug, raubte ihm fast den Atem.
Der junge Eddrick stand in der Tür und hatte einen feuchten Lumpen um die untere Gesichtshälfte geschlungen. Hinter ihm stand, wie üblich sein Leichenkarren.
“Tut mir schrecklich leid,” begann er, Olpar konnte ihn durch die Lumpen kaum
verstehen, “aber ich habe Arbeit für dich. Eine schrecklich Seuche ist ausgebrochen, der grimme Schnitter schwingt Sense viel zu oft in diesen Tagen und Halm für Halm, Leib für Leib werden die Menschen aus dem Leben gerissen. Männer, Frauen, Kinder... die Seuche macht nicht mal vor den Adligen Halt. Aber bestimmt lässt sich der König etwas einfallen, um den Wogen des Schreckens, die über unserer Stadt zusammen zu schlagen drohen, Einhalt zu gebieten.”
Dann sah Olpar es.
Mindestens fünfzehn Leiber lagen zusammengepfärcht auf dem Karren des Jungen. Die Haut war eingefallen, so dass es schwer war, irgendwelche Altersunterschiede zu erkennen.
Alle Körper waren über und über mit wiederlichen schwarzen aufgeplatzten Beulen bedeckt, aus denen der Eiter quoll.
Doch das schlimmste waren die Augen, wenn man überhaupt noch von Augen reden konnte.
Das einzige, was von ihnen noch überiggeblieben war, waren kleine eingetrocknete, erbsengroße Kügelchen, die noch an der zusammengeschrumpelten Sehne hingen.
Olpar drehte sich um und gab ein eindeutiges Würgen von sich. Er hatte ja schon viel gesehen. Aber so etwas. Nur mit Mühe konnte er damals seinen Mageninhalt bei sich behalten. Und jetzt, in der Zwischenzeit war ihm das egal, irgendwann stumpfte man gegen sowas einfach ab.

Er starrt über das nächtliche Gebeinfeld auf die ganzen notdürftig zusammengschusterten Holzankhs, die überall wie Pilze aus dem Boden geschossen zu sein schienen. “Jetzt werde ich dann wohl bald Massengräber schaufeln dürfen, wenn das so weitergeht!” dachte er gedankenversunken als er unvermutet mit dem Fuß an etwas hängenblieb. “Verdammt, muss ich mich jetzt auch noch um das Unkraut auf diesem, von allen Tugenden verlassenen, Totenacker kümmern.
Er beugte sich hinunter, um die Wurzel, die seinen Fuß umschlang, zu entfernen, als ihm etwas auffiel. Es war gar keine Wurzel, es waren fünf Wurzlen, nein moment, diese Dinger lebten! Es waren keine Wurzel, es war eine Hand!
Verdutzt starrte Olpar auf die Hand, die sein Bein umklammert hielt, als er sah, wie sich vor ihm die Erde bewegte. Wie ein Maulwurfshügel schob sie sich nach oben und wurde von einer weiteren Hand zur Seite gepresst. Zielstrebig suchte diese Hand, Olpars anderes Bein zu umklammern.
Olpar trat darauf und ein Zucken ging durch die erste Hand, die er entdeckt , beziehungsweise, die ihn entdeckt hatte.
Geistesgegenwärtig riß er seinen Fuß nach oben, um sich loszureißen, was ihm auch gelang. Damit hatte er nicht gerechnet und stürzte nach vorne.
Mit dem Gesicht voller Dreck richtete er den Kopf auf und blickte auf etwas, dass ihn an eine der Ruinen in der verwunschenen Stadt Skara Brae erinnerte. Selbstverständlich war er noch nie dort gewesen, aber er hatte Holzstiche davon gesehen.
Direkt vor ihm war etwas aus dem Boden gewachsen, dass wie ein grotesk verunstalteter Knollenpilz aussah. Olpar brauchte ein paar Sekunden, um zu realisieren, dass es ein Kopf war. Panisch sprang er auf und bemerkte dabei dass sich dieser Kopf auf einem abgemergelten Torso befand, der sich ebenfalls schon aus der Erde geschoben hatte. Die zittrigen Klauen dieses zerfledderten Alptraums bewegten sich in seine Richtung. Wie versteinert starrte Olpar auf das was sich vor ihm abspielte. Er konnte es nicht glauben.
Eine Leiche war dabei, sich aus ihrer modrigen Gefangenschaft zu befreien, und er sah es mit eigenen Augen.
Ein dumpfes Röcheln drang aus der Kehle der Kreatur und kleine Erdklümpchen fielen ihr aus dem Mund, den man eigentlich als solchen gar nicht bezeichnen konnte, da keine Lippen mehr vorhanden waren.
Bevor die Klauen sein Hosenbein erreichten, erwachte Olpar aus seiner Starre und taumelte einige Schritt rückwärts, fort von dieser unheiligen Kreatur, fort von dieser Bestie.
In der furchterfüllten Todespanik, die ihn einhüllte, wie die Hebamme ein Neugeborenes, wollte er sich umdrehen und davonstürzen, weg, nur weg.
Dann fiel ihm der Nebel auf.
Ein giftgrüner Nebel hatte sich über das ganze Gebeinfeld ausgebreitet und waberte nun um die Grabsteine und Ankhs, als Olpar aus dem Augenwinkel eine Gestalt auf sich zukommen sah.
Erleichtert, jemanden gefunden zu haben, der ihm Helfen konnte stürzt Olpar auf sein Gegenüber zu.
“Thergon stehe uns bei!” schrie er “Habt ihr das gesehen, es war grauenhaft, wie sich die...”

Er blickte auf das ewige Grinsen eines abgefaulten Totenschädels, als sich die Klauen des Zombies wie zwei Stahlzangen um seine Oberarme schlossen...

Ganz in Gedanken versunken streichelte sich König Meridae seinen Bart.
Seine Stirn runzelte sich über den stahlblauen Augen. Links und rechts von ihnen fiel wogte das braune, gelockte Haar des Regenten unter der mit roten Rubinen verzierten Goldkrone hervor.
“Einen Vorteil kann man der Seuche nicht absprechen,” wandte er sich an seinen Berater Nubert. “Sie sorgt immerhin dafür, dass der Durchschnittsreichtum in unserer Hauptstadt in ungeahnte Höhen steigt.”
“Ja, Herr,” entgegnete Nubert, “aber doch auch nur, weil sie sogut wie alle Armen dahingerafft, und die Adligen größtenteils verschont hat.”
Er blickte Richtung Fenster.
“Eine geniale Idee von euch, mein Herrscher, die Sache mit der Mauer!” fügte er hinzu.
“Habt Dank, Nubert!” Es läuft genauso, wie ich es geplant hatte...” sagte der König geschmeichelt, “die Seuche wütet nun nicht mehr gar so wild, wie noch vor zwei Wochen”.
Es war die Idee des Ratgebers gewesen, die Mauer zu errichten. Aber über solche Kleinigkeiten sah der König gerne hinweg.

“Mitternacht! Und alles ist still” verkündete Malik, der Nachtwächter in die Dunkelheit Sharond-Bals hinaus, während er durch die düsteren Gassen marschierte. Bald kam der ungemütlichste Teil seiner Arbeit.
Malik hasste es, wenn seine Patrouille am Gebeinfeld vorbeiführte. Er hatte immer ein ungutes Gefühl dabei, war er doch ziemlich abergläubisch.
Es machte ihn immer unruhig, wenn er die ganzen Holzankhs, die heiligen Symbole Thergons, die seit neuesten in aller Hast dutzendweise auf dem Acker errichtet worden waren, ansehen mußte. Sie erinnerten ihn nur daran, dass er vor drei Tagen sein geliebtes Weib an die schwarze Nässe verloren hatte. Das Wasser wollte ihm in die Augen schießen, aber er riß sich zusammen. Er war ja bei weitem nicht der einzige in diesen schweren Zeiten. Doch dieser Gedanke spendete ihm nicht viel Trost. Aber immerhin.
Der König hatte eine Mauer errichten lassen, um die Armen von den Reichen zu trennen. Immer wenn er an der Mauer vorbeikam hörte er das Protestgeschrei des Pöbels auf der anderen Seite der Mauer. Der König hatte, nur zur Sicherheit, noch Soldaten an der Mauer postiert, um darauf zu achten, dass kein Bettler das Gefängnisviertel, wie es jetzt genannt wurde, verlassen konnte. Malik war sich nicht sicher, was er von dieser Mauer halten sollte.
“Was soll‘s,” brummelte er vor sich hin. “Das ist das Leben. Das Schwert des Schicksals schlägt ganz unbarmherzig zu. Früher oder spät muß jeder über seine Klinge springen.”
Er bog um die Ecke.
“Komischer Nebel heute,” dachte er und beschleunigte seinen Schritt. “Ganz grün, wiederlich!”
Er näherte sich dem Tor, welches zum Totenacker führte.
Die beiden Statuen, gewaltige Ungetüme mit riesigen Schwingen, die das Tor säumten, schienen ihn mit ihren Blicken zu durchbohren.
Nasskalter Schweiß begann, ihm den Rücken herunterzurinnen, er konnte es sich nicht verkneifen. Das war immer so, wenn er am Gebeinfeld vorbeimußte.
“Ich verstehe nicht, wie Olpar mit dieser Arbeit zurechtkommt,” murmelte er vor sich hin, während er das Tor passierte. Er bemühte sich redlich, keinen weiteren Blick an den Totenacker zu verschwenden. Dies gelang ihm vorzüglich und endlich war er vorbei. Der Schweiß begann langsam zu trocknen.
Malik bemerkte nicht, wie sich hinter ihm nach und nach die Straße mit mechanisch zuckenden Gestalten füllte, die langsam aus einer dunklen Seitengasse taumelten...

“Herr, Herr, seht euch das an!” platzte es aus dem Glöckner heraus, der soeben in den Altarraum der Kathedrale gestürmt kam und den Kleriker War-d‘Alog aus der Meditation riß.
“Was ist denn los, Harold? Siehst du nicht, dass du mich beim Gebet störst?” fragte der Kleriker noch halb benebelt von der Trance, in der er sich gerade gewiegt hatte.
“Es ist schrecklich Herr, seht nur, folgt mir, ihr werdet es nicht glauben, wenn ihr es nicht mit eigenen Augen gesehen habt, also ich war gerade auf dem Glockenturm, um unsere Glocke zu untersuchen, weil sie doch heute so merkwürdig geklungen hat, als mein Blick zufällig...” es klang also ob er zehn Sätze auf einmal sagen wollte.
“Halt ein, Harold,” unterbrach ihn War-d‘Alog. “Was soll ich mir ansehen?”
“Kommt mit nach oben...” stotterte Harold, dessen Gesicht von Minute zu Minute mehr Ähnlichkeit mit der weißen Robe des Kleriker anzunehmen schien.
“Ich kann es nicht beschreiben...”
Kopfschüttelnd folgte der Kleriker dem Glöckner nach oben in den Glockenturm. Die weiße Robe flatterte um seine Beine.

“Diese Adelsbrut! Was denken die eigentlich, wer wir sind?” schimpfte Balus. Er starrte auf die frisch errichtete Mauer. Der Grund, warum er so erzürnt war, war ganz einfach, dass er auf der falschen Seite stand. Die Faust, mit der er zur Untermalung seiner Worte in der Luft herumfuchtelte zitterte. “Wie eine Haufen Schweine, zusammengepfercht, sind wir gezwungen, hier in diesem Gefängnis herumzuvegetieren! Lasst uns raus!!!” brüllte er, in der Hoffnung, die Wächter auf der anderen Seite des mit spitzen Zacken gekrönten Walls mögen seine Worte hören.
Der Wall bot ein erschreckendes Bild.
Wochenlang schon hatten die Leute versucht, hinüberzusteigen. Doch wenn sie nicht abrutschten und aufgespießt wurden, hielten sie plötzlich in der Bewegung inne, taumelten und fielen rückwärts wieder hinunter. Durchbohrt von den Pfeilen der Garde.
Balus, der Bettler, betrachtete, nun schweigend, die groteske Szenerie, die sich ihm darbot. Entlang der ganzen Mauer eine unüberschaubare Anzahl von Toten.
“Nichtmal begraben können wir unsere Toten, der Friedhof liegt in einem anderen Viertel, und hier türmen sich die Leichen in den Gassen!” dachte er verdrießlich. In der Tat war man den Anblick der toten Körper fast schon gewohnt.
Und alle sahen gleich aus: zusammengeschrumpelt, bis zur Unkenntlichkeit gealtert, mit schwarzen Beulen übersäht. Ein Heer von Fliegen hatte sich zum Festmahl versammelt und sich wie ein schwarzer Teppich über das Viertel der Armen Sharond-Bals gelegt.
Die schwarze Nässe wütete um sich, wie keine andere bekannte Krankheit zuvor. Balus wunderte sich, dass er noch nicht angesteckt worden war.
Gerade wollte er wieder zu einer seiner Hasstiraden gegen den einheimischen Adel (und den Adel allgemein) einsetzen, als ihm im allgemeinen Wutgeheul, dass er schon den ganzen Tag gehört hatte plötzlich eine Neuerung auffiel.
Er vernahm ein kehliges Röcheln, offenbar von vielen Mündern gleichzeitig ausgestoßen. Es kam eindeutig von der anderen Seite der Mauer.
Um ihn herum wurde es still.
Der Pöbel lauschte.

Malik, der Nachtwächter wirbelte herum. Verflucht! Eine Sackgasse.
Wie konnte das passieren? Er war doch in diesem Viertel aufgewachsen.
Schattehafte Gestalten torkelten auf ihn zu.
Panisch sah er sich um. Links und rechts von ihm Wände, die Fenster im Erdgeschoß: verriegelt. Hinter ihm ein etwa drei Meter hoher Holzzaun.
Er trommelte gegen die Fenster. Licht leuchtete hinter einem von ihnen auf.
Malik sah ein bleiches Gesicht, welches ängstlich durch den Spalt der beiden Holzladen spähte. “In Thergons Namen, öffnen sie das Fenster, ich flehe sie an!” schrie Malik verzweifelt, während er weiterhin auf die Holzläden einschlug.
Die Augen der Gestalt hinter der Scheibe weiteten sich und Malik spürte, wie sich eine kalte Hand auf seine Schulter legte. Sofort reagierte er und tauchte nach rechts weg, weiter in die Sackgasse hinein.
“Bloß gut, dass diese Bestien nicht gerade von der schnellen Sorte sind.” dachte Malik.
Vor ihm erhob sich der Holzzaun.
Da fielen ihm die achtlos aufgestapelten Holzkisten auf. In seiner Panik hatte er sie ganz übersehen.
Hastig begann er, eine Art Treppe zu errichten, um auf die andere Seite des Zaunes zu gelangen. Hinter sich hörte der ein bedrohliches, unmenschliches Brummen, das immer mehr anschwoll.
Er riskierte einen Blick hinter die Schulter, nur um zu sehen, dass die erste Reihe der Gestalten gerade noch drei Meter von ihm entfernt waren.
Die stechenden, verkümmerten, kleinen Äuglein der Zombies funkelten ihn bösartig an.
Schweiß schoß ihm in Kaskaden über die Stirn und rann seinen Nasenrücken hinunter.
Er betrat die bedrohlich wackelnde Konstruktion, die er da entwickelt hatte. Fast erreichten seine Hände die Oberkante des Zaunes. Er mußte nur springen, und schon wäre er in Sicherheit. Vorerst.
Ein Ausdruck der puren Verzweiflung legte sich über Malik’s Gesicht, als er die andere Seite des Zauns erblickte. Die Gasse dahinter war mit zuckenden Leiber gefüllt, die sich auf ihn zubewegeten.
So saß Malik auf dem Zaun, gebrochen. Tränen der Resignation füllten seine Augen. Ihr salziger Geschmack war das letzte, was der Nachtwächter in seinem Leben schmecken sollte.
Die Gestalten hatten den Zaun erreicht.

Atemlos erreichte War-d’Alog den Glockenturm und bahnte sich seinen Weg auf dem schmalen Holzsteg, der um die Glocke herumführte.
Stolz betrachtete er die große Messingkonstruktion und dankte Thergon dafür.
Diese Glock war erst vor zwei Wochen in Betrieb genommen worden und war allein durch die Spendengelder der gläubigen Bürger Sharond-Bals finanziert worden. Komischerweise hatte die Glocke heute Mittag irgendwie hohl geklungen, ja fast schon – falsch?
“Seht nur, Meister!” sagte Harold. Es klang merkwürdig gepresst.
Und War-d’Along sah es.
Das Gebeinfeld, der Totenacker, die Übergangsstelle vom Reich der Lebenden in die Sphäre der Toten.
Es wuselte, einem Ameisenhaufen gleich bewegten sich hunderte von Körpern durch einen seltsamen, giftgrünen Nebel, und ein stetiger Strom von ihnen quoll durch die Tore des Totenackers.
“Was ist da unten los, Meister?” fragte Harold.
Der Kleriker blickte fasziniert nach unten.
“Harold, was du dort siehst ist ein Wunder Thergons. Mit seiner göttlichen Macht hat er uns ein großes Geschenk gemacht. Er hat die Leichen für uns wiederauferweckt, auf dass wir unseren totgeglaubten Mitmenschen wieder in die Arme fallen mögen...” seine Finger schlugen ein Ankh in die Luft.
“Bei Thergon, ich kann es nicht glauben! Auf, Harold, wir müssen diese verlorengeglaubten Seelen in unserer Sphäre begrüßen” sagte der Kleriker und machte sich auf, die steile Wendeltreppe, den Glockenturm hinab. Harold folgte ihm zögernd.

Das Röcheln wurde lauter, als einer aus der Menge des Pöbels herausbrach und auf die Mauer zustürmte. Mit allerlei akrobatischen Geschick schwang er sich auf die obere Seite des schrecklichen Schutzwalls, ohne sich überhaupt für die Zacken zu interessieren, die diese Schöpfung Meridaes krönten. Vereinzelte Jubelrufe umgaben den jungen Athleten.
Doch als er die andere Seite des Walls betrachtete, fand seine, und die Euphorie der Zuschauer ein jähes Ende. Zutiefst erschüttert sank er auf der Mauer zusammen.

Fast hätte Harold den überraschten War-d’Along über den Haufen gerannt, so unvermittelt blieb der Kleriker stehen und blickte auf das, was sich im Mittelschiff der Kathedrale abspielte.
Die Toten hatte die schweren Tore aufgebrochen und bahnten sich ihren Weg in die Richtung des Altarraum, auf sie zu. Dabei zerstörten sie die sündhaft teueren Weihwasserbecken und die Bänke, auf denen am Thergonstag immer hunderte von gläubigen Mitbürgern Platz nahmen.
Ein Stich ging durch das Herz des Klerikers, und jedesmal, wenn er das Geräusch eines der am Boden zerschellenden Marmorbecken hörte, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Er griff sich an die Brust.
“Willkommen!” rief er.
Ein Röcheln ging durch den Saal, als sich ein paar Dutzend Köpfe in seine Richtung drehten.

Die Soldaten, die es nicht geschafft hatten, zu entkommen, fielen den Toten zum Opfer. Sie waren unter einem Haufen lebendiger Leichen begraben, die sich über ihre Eingeweide hermachten. Grausam verstümmelte Körper oder deren Teile lagen über die ganze Szenerie verstreut. Der junge Athlet saß auf der Mauer und blickte über dieses bizarre Schlachtfeld. Er erblickte einen einsamen Darm, der an einem Laternenmasten baumelte und im Mondlicht rötlich schimmerte.
Angewidert sah er nach unten und blickte in die Augen eines Soldaten, der Richtung Himmel starrte. Seine Nase war abgebissen worden und hinterließ ein groteskes Loch in der Mitte seines Gesichtes. Das war schlimm. Doch dies war nicht der Grund, warum dem Athleten so übel wurde.
Der Körper des Soldaten lag einige Meter entfernt. Seine Gliedmaßen fehlten.

“Bitte geht vorsichtig um mit den Besitztümern Thergons!” bat War-d’Along, nun doch etwas verstört über das Verhalten der Gestalten, die sich auf ihn und den fassungslosen Harold zubewegten.

Als sich der Junge Mann, der so tapfer auf die Mauer geturnt war, von seinem Schock erholt hatte, drehte er sich um, um den anderen von dem grauenhaften Geschehen zu berichten – und hielt inne.
Hinter den Reihen der Zuschauer sah er, wie sich die Leichen, die man achtlos in der Gosse liegenlassen hatte, bewegten.

König Meridae hatte sich in seine königlichen Gemächer zurückgezogen, in der Sicherheit, dass die schwarze Nässe vor seiner, über alle Maßen erhabenenen, Burg haltmachen würde.
Nubert’s Stimme riß ihn aus seinen Träumen. Eigentlich war es eher ein Schreien.
“Milord!” brach es aus Nubert hervor. “Die Toten kommen. Sie sind auferstanden, um uns zu holen. Die Rache Thergons ist über uns gekommen!”
“Jetzt mach mal halblang, Nubert.” sagte König Meridae verärgert, während er sich den Schlaf aus den Augen rieb. “Was hat man dir denn heute in deinen Mitternachtstrunk geschüttet?”
“Nichts, Herr. Kommt doch auf den Balkon und seht es euch selber an!”

Knarrend öffnete sich die breite Pforte, die auf den königlichen Balkon hinausführte.
Würdevoll schritt Meridae im königlichen Schlafrock auf den Balkon, wobei Nubert die ganze Zeit wirres Zeug plapperte und aufgeregt um ihn herumrannte, wie ein Huhn, dem man gerade den Kopf abgeschlagen hatte. Der König schüttelte den Kopf- und hielt jäh inne, als er die unheilige Prozession sah, die den steilen Schloßberg hinaufzuckte. Soldat um Soldat wurde von ihnen einfach überrannt. Es mußten hunderte, ja tausende von Untoten sein, die sich ihren Weg in die Richtung seiner Burg, dem Herz Sharond-Bals, bahnten. Die Pfeile, die von den Brüstungen der Burg ohne Pause abgeschossen wurden, brachten nicht mal ansatzweise Erfolg. Der Pfeilhagel, der auf die Welle der Untoten herniederregnete, prallte einfach ab.
Der König blickte auf und entsetzen spiegelte sich in seinem Gesicht wieder.
Sharond Bal brannte.
Hunderte von Flammen, die zusammen fast schon ein Meer ergaben, machten die Nacht zum Tage. Deutlich erkannte Meridae die Straßenschlachten, die dort unten stattfanden. Unbeholfen Bürger seines Königreichs brandeten gegen die Mauer von Untoten an, die sich durch die Straße schob. Traurig betrachtete der König, wie eine Gruppe von Bürgern, die soeben eine Straße mit allerlei Karren barrikadiert hatte, um vor den Kreaturen der Nacht geschützt zu sein, sich umdrehte und von einer anderen Horde dieser unheiligen Bestien aufgerieben wurde.
Ein markerschütterndes Röcheln erklang, als die gehirnlosen Geschöpfe das Schloßtor erreichten, und begannen, darauf einzuschlagen.

Die Untoten hatten Blut geleckt...
 

rolarola

Mitglied
Hallo Junkfoot!

Haben Harold und War-d'Along überlebt?
Ist Olpar geholfen worden?
Sitzt Malik noch am Zaun?
Wird der Gott Thergon eingreifen?
Braucht König Meridae eine neue Inneneinrichtung?

Fragen über Fragen, die nur du beantworten kannst!

LG,

rolarola
 



 
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