Hi Stoffel,
dies ist ein klassisches Betroffenheitsgedicht. Ich habe zwar schon ein wenig Distanz schaffen können zum Thema, sicherlich ist es für Verallgemeinerungen zu früh (wenn diese bei solchen Themen überhaupt jemals erreicht werden können).
Das Leben ist so lakonisch wie diese Aufzählung, die ich für die Beschreibung des Ereignisses gewählt habe. Es ist bereits über das Ereignis und die zu beklagenden Opfer zur Tagesordnung übergegangen. In wenigen Wochen wird dieser Text ganz anders gelesen werden, da viele Leser das Ereignis selbst unter der Chiffrierung nicht mehr erkennen, sehr wohl aber die Hoffnungslosigkeit und das Erschrecken dessen, was beschrieben wird, nachvollziehen können werden.
Der Text muß in diesem Zusammenhang gesehen werden, auch wenn es vielleicht dafür jetzt noch zu früh und schon zu spät erscheint. Am Ende bleibt die allgemeine Aussage des Texts:
* Schicksal wird als Urteil gesehen. Es ist (fast) immer ungerecht.
* Die Natur ist und bleibt die unberechenbare Größe im Tun und Handeln des Menschen, der so gern vergißt, daß er ein Teil von ihr ist.
* Menschliches Handeln bleibt unvollkommen, aus welchem Grund auch immer. Manchmal reicht schon die Nachlässigkeit aus, Absicht ist dazu nicht vonnöten.
* Zwischen Freude und Trauer ist nur ein Augenblick, zwischen Leben und Tod verstreicht ein Moment.
* Einen gerechten Gott in solchen Ereignissen zu suchen, macht sprachlos und zornig.
Unsere Zeit ist lakonisch, die Hoffnungen und der Idealismus, die Naivität und der Glaube sind dem realen Sein, dem pragmatischen Managen eines Lebens in komplexen Umwelten gewichen. So ist auch dieses Gedicht, in dem selbst die Trauer ihre emotionale Tiefe einbüßt.
Bei mir sollte man immer unterstellen, daß das, was zu lesen ist, in meiner Lyrik auch so beabsichtigt ist. Dadurch entsteht die zweite Ebene in meinen Texten, in denen humorvolle Ironie und einer leiser, manchmal fatalistischer Sarkasmus den Überschwang der Gefühle gerade noch rechtzeitig dämpfen.
Einen dennoch gesegneten Tag und ein gutes Jahr 2006 wünscht Dir und allen
grüßend
W.