Seelenschlangen

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HerrK

Mitglied
Zwei Seelen wohnen, ach, in deiner Brust?
Sind es das Gretchen und die Wissenschaft?
Sind es die Studien und die Teufelshaft?
Wie sehr hätt' ich auf solche Klarheit Lust.

Denn tausend Seelen spuken in mir drin.
Bin Henker, Mutter, Leib und Todeskraft.
Auch Liebe, Schwerttanz, Gift und Lebenssaft
Und vieles mehr schlägt sich um meinen Sinn.

Wir trennen schreiend unsre Nähte auf
Und fördern lauter Darmgewürm zu Tag.
Es klettert an dem Baum des Lebens rauf

Dann frissts die braunen Blätter wie es mag
Und bohrt sich quer durch unsren Lebenslauf.
So klingt des Schicksals Schlangenzungenschlag!
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es ist stark verschlüsselt.
Es kann vieles bedeuten.
1.Krankheit
Nähte platzen auf, Wegfressen=Krebs, Schicksalslauf,
(auch Chirurgie), braune Blätter-Herbst des Lebens

2. Auseinandersetzung mit dem Faschismus (braune Blätter, Gewürm, Henker, "durchbohrter Lebenslauf),
...


Stark verdichtet, mit Metaphern angereichert
 

HerrK

Mitglied
Lieber Bernd,

ich finde es immer wieder interessant wie viele verschiedene Blickwinkel auf ein und den selben Text möglich sind.

Ich wollte in dem Gedicht über die Zerissenheit der Person schreiben, die die vielen verschiedenen Ströme in sich nicht (mehr) vereinbaren kann oder will. Deshalb zum Beispiel die Anspielung auf die zwei Seelen in der Brust (bzw das leicht abgewandelte Zitat), das Auftrennen der Nähte, das dem Eingestehen der verschiedenen "Teile" eines Menschen entspricht, welches aber auch mit Schmerzen verbunden ist oder die symbolische "Zerfressung" des Lebensbaumes.

Lg
HerrK
 



 
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