Sie, mit dem sonnenblumengelben Sommerkleid

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Art.Z.

Mitglied
Sie, mit dem sonnenblumengelben Sommerkleid

Der Tag war unentschieden, ob er lachen oder weinen sollte. Immer wieder kam Regen im Wechsel mit der Sonne, und durch auf- und wieder zugeklappte Regenschirme wurde es verdammt windig. Man sagt, der Flügelschlag eines Schmetterlings kann einen Sturm auslösen. Nun, in diesem Fall lösten die Regenschirme recht wenig aus. Außer ein paar umgekippten Cafe-Stühlen und einem beflügelten Dauerwellen-Toupet hellbrauner Färbung mit blonden Strähnchen fühlten sich nicht viele Dinge dazu bewegt, in den Tanz des Windes miteinzustimmen.
Der Stadtpark war fast leer. Ein paar mürrische Hundebesitzer wurden von ihren Lieblingen an der Leine Gassi geführt und ein müder Jogger, in viel zu engen Hosen, schleppte sich im Schritttempo über den Gehweg und drehte Runde um Runde. Auf einer Bank saß ein Obdachloser. In den Bäumen zwitscherten Vögel über ihren Alltag und besprachen vielleicht, wo es zu Mittag die besten Würmer gab. Wer weiß das schon so genau?
Jedenfalls gab es nichts wirklich Bemerkenswertes, was diesen Park zum Schauplatz einer guten Geschichte machen könnte. Doch dann kam sie.
Die Sonne war gerade wieder nach einem leichten Nieselregen hinter den Wolken hervorgekommen und strahlte mit ihrem Kleid um die Wette. Ein sonnenblumengelbes Sommerkleid flatterte im Wind, der seine Stärke nach vom Schirmaufschlag eines Rentners am anderen Ende der Stadt ausgelöst wurde. In ihren Ohren steckten Kopfhörer und sie nickte zum Beat, den nur sie hören konnte. Auf ihrem Gesicht tanzte ein Lachen, das gekonnt die volle Tanzfläche nutze, nicht nur schnippend in der Ecke stand. Es drehte und wirbelte von den Mundwinkeln über die rötlichen Wangen, an den Lachfältchen die Nase entlang und erreichte spielerisch die Augen, die leicht verengt mitlachten und mittanzten. Immer wieder formte ihr Mund tonlose Silben, die der lautlosen Musik folgend, ein scheinbar sehr heitere Liedstrophe anstimmten.
Einer der Gassi geführten Hundebesitzer starrte sie an. Der Grund dafür war, dass sie beim Vorbeigehen ihr Lachen mit ihm teilte. Überrumpelt von dieser Freundlichkeit schwankte er zwischen der Vermutung, sie sei gerade einer Irrenanstalt entflohen oder wollte ihn anmachen. Beides bereitet ihm großes Unbehagen – zweiteres, da er nach seinem letzten Ausrutscher in der Kneipe, seine liebe Ehefrau mit einem Fernglas hinter jeder Ecke vermutete – sich also auf ganz dünnem Eis wusste. Also suchte er schnell das Weite.
Die Unbekannte ging aber unbeirrt weiter, genoss die Musik, die Sonne und den blauen Himmel, der wieder etwas freizügiger wurde. Vor einer Wiese voller Blumen hielt sie an und schaute sie verträumt an. Sie beugte sich herunter und pflückte eine Blume. Führte sie an ihre Nase und roch vorsichtig an ihr. Der Duft verleitete sie erneut zu einem Lachen. Sie ging ein paar Schritte weiter und pflückte noch ein paar Blumen, bis sie einen schönen, vollen Strauß hatte. Mittlerweile wurde der Park immer voller. Von der Sonne angezogen kamen immer mehr Spaziergänger und sogar ein paar bleiche Jugendliche schleppten sich über den Gehweg, die Augen auf ihre Smartphones gerichtet, mehr Energie darauf aufwendend, mit dem Daumen zu scrollen, als mit den Füßen vorwärtszukommen. Viele schaute die Frau mit dem Blumenstrauß verwundert an. War das überhaupt erlaubt, Blumen im Park zu pflücken? Sollte man nicht die Polizei rufen um dieses vandalistische Vergehen zu unterbinden? Gott sei Dank befanden sich keine Paragraphenfanatiker oder übereifrige Senioren im Park. (Sie wachten zwei Straßen weiter an der Ampel, um sträfliche Passanten zu ermahnen, die bei Rot die Fahrbahn überquerten: „Was sind Sie bitte für ein Vorbild – wenn Kinder das sehen!“)
Die Frau mit dem Blumenstrauß wusste nichts davon. Sie schien auch all die Blicke nicht zu beachten. Mit ihrem Strauß ging sie weiter über den Gehweg und hörte nun dem Vogelzwitschern zu. Die Kopfhörer waren verschwunden. Aber ihr Gang war nicht mehr tänzerisch und ziellos. Offensichtlich hatte sie nun ein Ziel ins Auge gefasst. Etwas nervös blickte sie beim Gehen zu Boden, doch sie machte weiter Schritt um Schritt. Dann holte sie tief Luft, als ob sie all ihren Mut zusammennehmen würde, und blieb vor der Bank stehen. Vor der Bank mit dem Obdachlosen.
Sie lächelte ihn an und streckte ihm den Strauß entgegen: „Hallo, das hier ist für Sie“, sprach sie mit einer etwas zitternden Stimme.
Der Obdachlose hob seinen Kopf. Er schaute die Frau an und war sichtlich irritiert. Sein Mund stand ein Stück weit offen, als ob er etwas sagen wollte, aber keine Worte parat hätte. Sie lächelte ihn unaufdringlich an. Er schaute nach links und nach rechts, dann wieder zu ihr. Seine rechte Hand streckte sich wie automatisch den Blumen entgegen und griff nach ihnen. Jetzt konnte er sich nicht mehr entscheiden, wen er anschauen sollte. Hektisch huschte sein Blick von den Blumen zum Gesicht der Frau und wieder zurück. Er sah sehr verunsichert aus – die Situation überforderte ihn, unter anderem auch, weil Vorbeigehende jetzt stehen blieben und das ungleiche Paar ansahen. Sie murmelten und tuschelten, zeigten mit dem Finger und stupsten sich gegenseitig an.
Die Frau setzte sich zu dem Obdachlosen und begann mit ihm zu reden. Er nickte und erwiderte etwas auf ihre Frage, was man aber nicht mehr hören konnte, da die Menschen drum herum zu laut flüsterten. Langsam wurde die Körpersprache des Obdachlosen lockerer und mehr zusammenhängende Wörter kullerten über seine Lippen. Er lachte zusammen mit der Unbekannten
und plötzlich wurden seine bärtigen Wangen nass. Ob er weinte oder nicht kann ich nicht mehr genau sagen, weil es wieder zu nieseln begann. Vielleicht waren es auch nur Regentropfen auf seinem Gesicht. Die Menschenmasse um die Bank löste sich langsam auf und auch mir erschien unhöflich, ihn weiter anzustarren, und ich joggte weiter.
 
A

aligaga

Gast
Hallo Art,

das ist eine gute Idee und eine hübsche Geschichte. Leider bis du ein Tickchen zu ausführlich bei fast allem; du nimmst dem Leser damit die Mögölichkeit, sein eigenes Kopfkino in Betrieb zu nehmen und sich von deinen Sonnenmädchen inspirieren zu lassen.
Außer ein paar umgekippten Cafe-Stühlen und einem beflügelten Dauerwellen-Toupet hellbrauner Färbung mit blonden Strähnchen fühlten sich nicht viele Dinge dazu bewegt, in den Tanz des Windes miteinzustimmen.
zum Besipiel,
In den Bäumen zwitscherten Vögel über ihren Alltag und besprachen vielleicht, wo es zu Mittag die besten Würmer gab. Wer weiß das schon so genau?
oder
In ihren Ohren steckten Kopfhörer und sie nickte zum Beat, den nur sie hören konnte. Auf ihrem Gesicht tanzte ein Lachen, das gekonnt die volle Tanzfläche nutze, nicht nur schnippend in der Ecke stand. Es drehte und wirbelte von den Mundwinkeln über die rötlichen Wangen, an den Lachfältchen die Nase entlang und erreichte spielerisch die Augen, die leicht verengt mitlachten und mittanzten. Immer wieder formte ihr Mund tonlose Silben, die der lautlosen Musik folgend, ein scheinbar sehr heitere Liedstrophe anstimmten.
oder
Der Obdachlose hob seinen Kopf. Er schaute die Frau an und war sichtlich irritiert. Sein Mund stand ein Stück weit offen, als ob er etwas sagen wollte, aber keine Worte parat hätte. Sie lächelte ihn unaufdringlich an. Er schaute nach links und nach rechts, dann wieder zu ihr. Seine rechte Hand streckte sich wie automatisch den Blumen entgegen und griff nach ihnen. Jetzt konnte er sich nicht mehr entscheiden, wen er anschauen sollte. Hektisch huschte sein Blick von den Blumen zum Gesicht der Frau und wieder zurück.
sind neben vielem anderen einfach "too much". Wäre es ein Bild, würde man es "zu Tode gemalt" bezeichnen. Besser wäre es wohl, du würdest manches nur andeuten und damit der Fantasie des Lesers Raum lassen. Show, don't tell!

Ein bisschen fehlt's auch noch an der Logik - wenns regnet, klappen die Blümchen ihre Blüten zu, und die Wiese ist patschnass. Die kurze Zeit, während der es in dem G'schichterl nicht tröpfelt, kann daran nichts ändern.

Dass sich eine "Menschenmasse" versammelt und mit dem Finger zeigt, wenn jemand mit einem Penner parliert, ist kaum glaublich; auch "laut flüstern" geht nicht.

Der Schluss ist dir ein bisschen missglückt.
Die Menschenmasse um die Bank löste sich langsam auf und auch mir erschien unhöflich, ihn weiter anzustarren, und ich joggte weiter.
Es war von Anfang an unhöflich, sich in die imaginäre Menge zu stellen und zu glotzen.

Für die Geschichte und die Idee, die dahinter steckt, brauchts das ganze Brimborium nicht. Mach es einfacher, dann wirkt sie wirklich!

Gruß

aligaga
 

Art.Z.

Mitglied
Hallo aligaga,

danke für deinen ausführlichen Kommentar.
Bei dieser Geschichte bin ich wieder in alte Muster verfallen und habe wahrscheinlich zu sehr mit Worten gespielt. Das ist sicher nicht jedermanns Geschmack (mich lesen auch eher Frauen), aber irgendwie schaffe ich es nicht, eine gute Mitte zwischen sachlich und poetisch zu finden. Entweder sind die Texte zu "kahl" oder sie wuchern aus in unbändigen Lockenkuddelmuddel.

Deine Anmerkung zu show don't tell hab ich nicht ganz verstanden. Du führst unter anderem Stellen auf, wo ich Dinge ganz genau zeige (z.B. das Lächeln) und nichts erzähle.
 



 
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