Sockenkauf

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Sockenkauf – oder der etwas andere Spaziergang


Seit Jahren besuchen wir mit unserer Tochter ein Familienhotel im Sauerland. Wir fühlen uns dort sehr wohl und freuen uns immer wieder auf das gemeinsame Treffen mit befreundeten Familien.
Beim Frühstück wurde ich von Manfred gefragt: „Hey, sollen wir mit dem Rad zur Diemelquelle fahren?“
„Zur Diemelquelle? Wie weit ist das?“, wollte ich wissen.

Seine angewinkelten Arme auf den Oberschenkeln abgestützt, beugte er sich leicht zu mir herüber. Den Kopf hatte er leicht zur Seite geneigt und seine schmalen Lippen zuckten kurz.
Da war er wieder, sein unnachahmlicher Blick…den einfach alle mochten. Ich war neugierig auf seine Antwort, doch die ließ noch ein Weilchen auf sich warten.
Dann sagte er nur lapidar: „vier Kilometer…es sind nur vier Kilometer.“
„Wat meinste mit vier Kilometer? Nur dä Birg erop?“
Er wusste doch genau, dass ich nicht so sportlich war wie er. Vier Kilometer flach wären für mich ja noch ok gewesen. Aber ich kenne ihn nur zu gut… und was hieß bei ihm schon ‚flach‘. Wer auf dem Rad Höhenmeter um Höhenmeter erreichte, der gibt sich nicht mit vier Kilometer flach zufrieden. Da strampel ich mich ab wie irre, befürchtete ich.
„Nee, nee, lass mal, dat is nix für mich.“
„Gut, …soll ich dir einen Kaffee holen?“

Das Thema Rad schien erledigt.
Wir frühstückten gemütlich und unterhielten uns über Themen, die man so am Frühstückstisch bespricht. Sport war natürlich ein Thema, aber auch Politik und der Karneval. Manni, wie er liebevoll von seiner Frau genannt wird, hat richtig Spass am kölschen Fastelovend und ist oft beim Rosenmontagszug und bei „Loss mer singe“ dabei.
Auch das gemütlichste Frühstück findet irgendwann ein Ende.
Manfred blickte seine Frau an: „Ich benötige unbedingt ein paar Sportsocken.
Meinst du, ich sollte mal in den Ort gehen und mich dort danach umschauen?“
„Wenn du meinst…ja…geh mal.“
Er drehte sich lächelnd zu mir und klopfte mir auf die Schulter: „Was ist? Gehst du mit?“
„Sehr gerne,“ antwortete ich kurz.
Anders als mit dem Rad zu fahren , war mir ein Spaziergang in den Ort sehr willkommen.

Während unseres Urlaubs war ich sehr oft zu Fuß unterwegs und hatte mir durch die vielen Aufenthalte einige Routen zurechtgelegt, die ich so oft es ging abgegangen war. Daran hatte ich Spaß. So freute ich mich auf einen gemeinsamen Spaziergang.
Nur kurze Zeit später zogen wir los. Wegen der starken Bewölkung kam kurz die Frage auf, ob wir einen Schirm mitnehmen sollten.
Ne…auf einen Schirm hatte ich nicht so richtig Bock.

Recht bald hatten wir einen ersten Laden erreicht und prüften das Angebot an Socken. Da die richtigen Socken nicht zu finden waren, schlenderten wir zum nächsten Geschäft. Wir unterhielten uns über dies und das und besuchten noch weitere Geschäfte. Ohne Erfolg.
„Ich müsste noch kurz in den Fahrradladen am Ende des Ortes. Ist das ok für dich?“
Klar, was sollte ich dagegen haben.
„Ich warte hier auf der Bank auf dich,“ sagte ich, als wir das Fahrradgeschäft erreichten. Schnell hatte ich ein paar Mails geprüft und einige WhatsApp-Meldungen durchgeflitscht.
Manfred hielt sich nicht lange im Laden auf.
„Hömma…!“, sprach er mich in leichtem Ruhrpott-Dialekt an, „…soll‘n wir ma zur Diemelquelle spazieren? Das ist von hier nicht mehr weit und es ist ein anderer Weg als mit dem Fahrrad.“
Och nee…erst mit dem Fahrrad, jetzt zu Fuß.
„Wat willste eigentlich an der Diemelquelle? Wie weit is et denn bis dahin?“ , wollte ich wissen.
Denn zu Fuß war ich, ganz anders als mit dem Drahtesel, ziemlich gut unterwegs.
„Ungefähr vier Kilometer.“
„Dat sin ja jenau esuvill wie met däm Rad“, antwortete ich in reinstem Kölsch.
„Vier hin und vier zurück?“, fragte ich neugierig.
„Ja..ja…hin und zurück.“
„Jut, die acht Kilometer schaffe ich locker. Wenn mer nit permanent dr Birg erop müsse.“
„Nee…nee…alles ganz leicht und flach.“
Ich glaubte ihm und so marschierten wir los.

Als wir die Hauptstraße verlassen hatten, konnte es ja kaum anders sein. Die ersten Schritte abseits der Hauptstraße verliefen aufwärts. Gut, wir waren in Willingen und der Ort liegt eingebettet in einer schönen Mittelgebirgslandschaft. Da geht es halt schon mal rauf und runter, dachte ich bei mir. Doch konnte ich mir eine erste kleine Bemerkung nicht verkneifen.
„Ha…ha…wusste ich es doch… et jeiht direkt dr Birg erop.“
„Ja, aber nur hier, es wird gleich flacher,“ versuchte mich mein Wanderfreund zu beruhigen.
Ich lachte laut: „Hüür, dat kenne ich…esu eine Spruch han ich schon öfters jehooht. ‚Nach der Biegung wird es anders‘. Hüür op…ich ben jespannt.“
„Sollen wir zurückgehen?“ Seine Frage klang nicht so als wäre sie ernst gemeint. Natürlich wollte ich nicht zurück. „Jetzt gehen wir auch dahin.“
Glücklicherweise hielt sich das Wetter. Dichte Wolken, aber kein Regen.
Gefühlte drei Kilometer hatten wir bereits hinter uns und die Gegend deutete noch nicht darauf, dass wir bald auch nur ansatzweise in die Nähe einer Quelle kommen sollten. Unser Weg führte uns immer noch an Wohnhäusern, Restaurants und Cafés vorbei. Das hügelige Gelände um uns herum, ließ mich Arges erahnen. Plötzlich kamen wir an einen Wegweiser. Ich erblickte ihn sofort und konnte die Information kaum fassen.
Ich lachte laut los: „Ha..ha..Tsst…is doch nicht zu fassen. Hey Manni! Luur ens op dat Schild. Do bes dä letzte Heuler….“
Ein Holzpfahl mit verschiedenen Richtungspfeilen stand in etwa zehn Meter Entfernung vor uns. Auf einem Pfeil, der nach rechts zeigte, las ich: DIEMELQUELLE 5,2 km.
„Hey Manni! Hast du das jesehen?… 5,2 km…unglaublich.“
Er war selbst überrascht, so schien es mir jedenfalls.
Was hatte er mir gesagt? ‚Ach, nicht so schlimm, nur vier Klometer.‘ Nun waren wir aber schon drei Kilometer unterwegs. Die Entfernungsangabe bedeutete; anstatt vier Kilometer sind es nun rund acht Kilometer. Wohlgemerkt…eine Richtung. Also 16 Klometer hin und zurück. Da hatte ich ja Gottseidank die ‚richtigen Klamotten‘ an. Was natürlich bei Weitem nicht stimmte. In der Absicht in den Ort zu gehen, um dort Socken zu kaufen, hatte ich nur eine leichte Jacke angezogen. Die Sommerhalbschuhe hatten bereits schiefgelaufenen Absätze und waren für solch eine Wanderung nicht besonders geeignet.
Ich nahm es mit Humor: „Sockenkaufen! … Jetzt latsche ich 16 Kilometer durch die Landschaft. – Ich bin begeistert. – Gleich gibt es im Hotel leckere Waffeln und Kaffee und ich quäle mich hier durchs Gelände.“
Manfred wollte etwas sagen, aber ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. So polterte ich weiter, hatte aber meinen Humor nicht verloren: „Ich mache jede Wette, ab jetzt geht es nur noch bergauf. Warum tue ich mir das nur an?“
„Wir können auch umkehren,“ versuchte Manfred mich zu beruhigen.
„Abbrechen und umkehren?…ich glaub es geht los… Jetzt sind wir einmal unterwegs…jetzt ziehen wir das auch durch.“
Dat hätt dä keinem Doof jefleut, dachte ich.
„Weißt du, im letzten Jahr sind wir den ‚Hohen Eimberg‘ hoch. Eigentlich war nur ein Spaziergang geplant. Zunächst war auch alles ok. Der Weg führte mal flach oder mit leichten Steigungen und Gefällen an wunderschönen Weiden vorbei. Nach einer Weile ging es nur abwärts und ich ahnte bereits, dass es so nicht weiter gehen würde. So kam es dann auch. Nach einer Biegung ging es bergauf. Und was soll ich dir sagen…es ging nur noch aufwärts. Und nach jeder Biegung wurde es schlimmer.“
Manfred lachte.
„Dat is nit zom laache, leeve Freund.“
Ich erzählte weiter: „Damals sind wir im Stubaital gewesen. Dort sind wir dermaßen bergauf und bergab gegangen, dass ich die Nase gestrichen voll hatte. Vor allem, weil uns weitaus ältere Wanderer locker überholten. Das war echt peinlich und ich habe mir gesagt. So etwas sollte nicht mehr passieren.“
„Und von da an habt ihr fleißig trainiert?“, wollte Manfred trocken wissen.
„Trainiert? … Pass op do!…Wo denkst do hin? – Ich wollte nie mehr bergaufwärts gehen…so hatte ich es mir vorgenommen … un jetz laufe ich he durch et Jelände…unglaublich…noch 5,2 Km.“
Strammen Schrittes begaben wir uns auf den Weg.
„Ich hoffe doch sehr, dass es an der Quelle eine Hütte, einen Gasthof oder irgendeine andere Möglichkeit zur Einkehr gibt. Dann bruch ich nämlich e Bier.“
„Ich bin da immer mit dem Fahrrad hin. Eine Hütte ist mir nicht aufgefallen,“ gab Manfred endlich zu, dass es der gleiche Weg war, ob zu Fuß oder mit dem Fahrrad.
„Boh..ey…immer schön die Pedale rundtreten … und bloß kein Blick rechts oder links vom Weg. Pass op…wer ne Wanderung macht, muss auch mal eine kleine Pause machen.“
Die nächste Biegung ließ nicht lange auf sich warten. „Dä, wat hab ich jesagt? – Es geht wieder hoch…un wie… Käääl!…nä..nä.“
Nach einigen Minuten und ein gutes Stück weiter, aber immer noch bergauf, blieb ich stehen und blickte zurück.
„Hüür ens, Manni... mal im Ernst. Hier wolltest du also mit dem Rad hoch? … Mit mir? … Ist doch nicht dein Ernst. Wie soll ich denn mit dem Rad hier hoch kommen? Do bes e Käälche… eijeijeih.“
„Och, so schlimm ist das doch nicht. Hier fährst du ganz locker hoch…ist doch schön flach,“ antwortete Manfred voller Überzeugung.
„Janz flach…eh…wovon dräums do? Du fährst hier vielleicht locker rauf. Ävver ich doch nit. Do bes ene Optimist…nicht zu glauben.“
Ich schüttelte den Kopf und schleppte mich weiter bergauf, dabei wunderte es mich nicht, dass etliche Wanderer locker an mir
vorbeizogen. Übrigens war dies keine Frage des Alters. Ich war mir schon bewusst nicht der sportlich Ambitionierte zu sein, dass mich aber jede Person, und ich meine wirklich jede, locker überholte, hat mich doch ein wenig geärgert. Aber nur kurz, denn schon kam die nächste Kurve…und wie ging es weiter…natürlich bergauf. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, wo es aufwärts geht es auch irgendwann abwärts. Spätestens auf dem Rückweg.
Der arme Manfred musste währenddessen einen Redeschwall nach dem anderen über sich ergehen lassen. Ich redete und redete in einem durch. Meist Lustiges. Meinem Wanderfreund schien es zu gefallen…er lachte und lachte und lachte. Dabei hatte ich nie das Gefühl ihm auf die Nerven zu gehen, obwohl ich es Abschnittsweise gerne so gehabt hätte. Aber wir beide hatten Spaß und erzählten uns Witze.

Hin und wieder blieben wir kurz stehen und schauten uns die wunderschöne Landschaft an. Trotz der ,Bergauf-Tour‘ gefielen uns die Ausblicke auf die weite Berglandschaft.
Wie weit wird es denn noch sein?…Keine Ahnung…Also weiter.
Plötzlich blieb Manni stehen und nahm einen tiefen Atemzug. Es schien so, als ob er die Landschaft in sich hineinsaugen wollte.
„Boh ey…ist das nicht schön hier? … Atme doch mal…du musst mal atmen….ach wie herrlich,“ forderte er mich auf.
„Atme doch mal!….Hüür,…atme doch mal …do jeck…. ich ben froh dat ich Luff krieje.“
Manfred lachte so herzlich über meinen Ausspruch, dass ich gar nicht anders konnte und ebenfalls lauthals zu lachen begann. Unser Lachanfall dauerte etwas mehr als eine Minute. Vorbeiziehende Wanderer wunderten sich kopfschüttelnd über uns, andere lächelten verhalten. Als wir uns beruhigt hatten gingen wir weiter. Nur eine Weile später sprach ich ganz ruhig: „Gleich kommt bestimmt ein Schild worauf geschrieben steht: ‚Die nächsten 2 km geht es nur bergauf‘.“
Manni lachte nur: „Aaaamin!…das schaffst du locker!“
„Hüür ens…weißt du wie wir hier rumlaufen? … Wir sind wie Spaziergänger gekleidet…Kein Wanderschoh, keine Rucksack, kein vernünftige Jack…un vor allem …nix zu drinke… Ne Spaziergang övver 16 Kilometer …. ich han se doch nit all. Dat muss ich keinem verzälle… glaubt niemand…nä …niemand.“
Ich sah Manfred nicht an. Es muss sich angehört haben als führte ich Selbstgespräche. Trotzdem war mir nicht entgangen, dass er richtig Spaß an meinen Sprüchen hatte.
Plötzlich blieb er stehen, klopfte mir auf die Schulter und sprach mir Mut zu. Den brauchte ich aber nicht, was ich brauchte war ein lecker Bierchen. Hoffentlich gab es eine Hütte in der Nähe der Quelle, damit wir dort etwas trinken konnten. Eine kurze Rast würde uns sicher gut tun. Schließlich mussten wir den Weg auch noch zurück laufen.
„Weißt du was?…Wenn es dort eine Hütte geben sollte, lade ich dich zu einem Bier ein. – Kölsch wird es sicher nicht geben, glaube ich.“
„Kölsch oder nit, dat es ejal…ich freu mich schon drop.“
Die Vorfreude ließ mich aber nicht vergessen, dass es noch ein gutes Stück Weg bis dorthin sein würde.
Wir gingen weiter und weiter und weiter.
Zwischenzeitlich gab es tatsächlich einen kurzen Streckenabschnitt, der kaum eine Steigung hatte. Es wird doch jetzt nicht etwa flach werden, dachte ich bei mir. Weit gefehlt. Nach der nächsten Biegung ging es munter weiter aufwärts.
Nä, bin ich beklopp…aber weiter gehts. Der Gedanke an eine kurze Bierrast hielt mich aber auf Kurs. So trotteten wir weiter und sahen uns dabei einige interessante Schilder an, die am Wegesrand aufgestellt waren.
Manfred hatte sicher Sorge, dass ich etwas sauer war, was aber ganz und gar nicht der Fall war. Er sprach davon, dass er sehr gerne am Fastelovend teilnimmt und die kölschen Lieder ganz toll findet. Sogleich stimmte er den Bläck-Fööss-Song ,Ming eetste Fründin‘ an. Ich war doch sehr erstaunt, wie textsicher er war. Wanderer, die uns entgegen kamen oder nach wie vor an uns vorbeizogen, staunten nicht schlecht über unser lautes Singen.

Endlich erreichten wir offenes Gelände. Ich erblickte sofort, in ein paar hundert Metern Entfernung, einen etwas größeren Gasthof. Einige Wege führten dorthin und zahlreiche Wanderer zog es offensichtlich ebenfalls zur Hütte. Zunächst hatten wir aber noch ein gutes Stück zu bewältigen. Natürlich leicht bergauf, war ja klar.
Wir hatten Glück, trotz des großen Andranges, wurde uns ein Platz im Inneren des Gasthofes zugewiesen.
Allerdings wunderten wir uns, dass unser Tisch etwa acht Plätze hatte und wir alleine dort Platz nahmen. Schnell hatten wir das bestellte Bier serviert bekommen und nahmen einen kräftigen Schluck aus dem gläsernen Krug. Nach kurzer Zeit gesellten sich noch vier Männer zu uns an den Tisch. Sie schienen auch eine Wanderpause eingelegt zu haben.
Manfred fragte mich: „Und? Kannst du noch?…Ist doch gar nicht so schlimm, oder?“
Trotz des bisher überwiegend aufwärts verlaufenden Weges, hatte ich meinen Humor natürlich noch nicht verloren. Ich prostete ihm zu und antwortete ihm so, wie jemand spricht, dem rund acht Kilometer wie ein Aufwärmspaziergang vorkommen: „Das waren doch echt gemütliche 20 Kilometer. Schöne Wege, tolle Landschaft und vor allem alles schön flach. Echt super. War eine tolle Idee von dir. Die 30 Kilometer die wir noch vor uns haben, sind doch ein Kinderspiel und nicht der Rede wert.“ Ich übertrieb maßlos um die Tischnachbarn zu verwirren, man kann es auch veräppeln nennen. Es war für sie offensichtlich, dass wir keine Wandersleute waren. Schon gar nicht, weil wir überhaupt nicht wandermäßig ausgerüstet oder gekleidet waren.
Ich sah Manfred dabei an und bemerkte gleich, wie sich sein Gesicht zu einem Griemeln verzog. Gleichzeitig vermied ich es unsere Tischnachbarn anzusehen, bemerkte aber sofort, dass sich ihre Köpfe mit erstauntem, oder besser ungläubigen Blick, zu mir drehten. Sie wunderten sich wohl sehr über unsere anscheinend so große Wanderleistung, obwohl wir kleidungsmäßig nicht annähernd für solch eine Strecke ausgerüstet waren.
„Was meinst du, sollen wir bezahlen und dann zur Diemelquelle runter?“
„Ok. Machen wir. Die Quelle ist ja gleich da unten, und dann machen wir uns auf für die nächsten Kilometer.“
Wir zahlten, standen auf und wünschten unseren Tischnachbarn noch viel Spaß bei ihrer Wanderung. Verdutzt nickten sie nur kurz.
Vor dem Restaurant begannen wir laut zu lachen und machten uns auf den kurzen Weg zur Quelle, die wir bald erreichten. Ich war froh, dass wir endlich am Ziel waren. Die Quelle selbst macht jetzt nicht unbedingt großes her, aber wir waren da. Wie zahlreiche andere Menschen auch. Wir hielten uns auch nicht allzu lange dort auf. Schließlich mussten wir noch zurück.


Ein Richtungsschild zeigte uns, dass es nach Willingen acht Kilometer sein werden. Meine Hoffnung, dass es nun meist bergab ging wurde jäh zerstört.
Manfred zeigte auf einen anderen Weg: „Lass uns diesen nehmen. Der Weg ist kürzer.“
„Hey Manni. Das ist ja nicht dein Ernst. Guck mal wo es da hin geht. Dr Birg erop.“
„Komm, das ist nur das erste Stück. Dann wird es flacher.“
„Dat jläuvs do doch selver nit. Ja. ja, kürzer; im Lääve nit. Wahrscheinlich sind es 7,9 anstatt 8 Km. Dafür jeiht et ööntlich erop. Hüür op. Do bes einmalisch.“
Natürlich gingen wir den vermeindlich kürzeren Weg. Dabei redete und redete ich immer weiter. Bis heute weiß ich nicht, wo ich die Luft dafür hernahm. Ich brauchte sie doch so dringend für den Rückmarsch, der zunächst, wie könnte es auch anders sein, bergauf verlief.
Gleich zu Beginn des Rückweges zog Manfred sein Handy und schaltete das Navi ein. Mir schwante Böses. Ob er selbst nicht weiß wo es lang geht?
Zwischenzeitlich versuchte er immer wieder meinen unendlichen Redeschwall zu unterbrechen und fragte nach weiteren kölschen Liedern. Er wollte wissen, von welcher Band welcher Song war. Den einen oder anderen sangen wir auch. Für eine kurze Zeit vergaß ich die langsam müde werdenden Füße.
„Manni, kennst du eigentlich eines der schönsten kölschen Wörter?“
Ich wartete seine Antwort nicht ab und sagte: „Mömmes. Noch schöner ist Mömmes flitsche.“
Manfred lachte und fragte: „Was ist denn Mömmes flitsche?“
„Na...du weißt doch was ein Popel ist. Mömmes ist das kölsche Wort für Popel. Und wenn du jetzt solch einen Popel, also ne Mömmes, aus der Nase fingerst und ihn zwischen Zeigefinger und Daumen zu einer Kugel formst, bevor du ihn mit den Fingern wegschnibbelst – dat nennt man ,Mömmes flitsche‘.“
Mömmes flitsche! – Ihr habt Wörter – herrlich“, lachte Manni.
Wirklich, der Weg wurde flacher und teilweise führte er uns ein Stück bergab. Was für eine Wohltat. Auch wenn ich nicht richtig überzeugt davon war, dass der Rückweg tatsächlich kürzer sein sollte, hatten wir viel Spaß. Wir sangen nicht nur, sondern erzählten uns auch Witze. Im Witze erzählen ist Manni ein wahres Talent. Alleine die Frage ,Kennst du den?‘, bringt einem schon zum Lachen.
„Mensch Manni...ich schwitze und bin klatschnass.“
„Du hast auch nicht die richtige Jacke an, mein Freund. Die ist ja gar nicht atmungsaktiv.“
„Ach ja – wat do nit säähs. Du erinnerst dich? – Wir wollten nur Socken kaufen“, antwortete ich etwas verständnislos.
Bekanntermaßen ist ein Rückweg gefühlt immer kürzer und schneller als der Hinweg. Wir kamen an interessanten Plätzen und Orten vorbei. So erreichten wir bald ein Biathlon Stadion. Wir gingen teilweise über die Strecke. Die kurzen Steigungen, die man im Fernsehen gar nicht so richtig einschätzen kann, hatten es wirklich in sich. Das Stadion faszinierte uns sehr und so hielten wir uns eine ganze Weile dort auf. Wir hatten einen sehr schönen Blick über die gesamte Anlage und sprachen darüber, wie toll es sein würde, im Winter als Zuschauer bei einem Wettkampf der Athleten dabeisein zu können.
Bald näherten wir uns unserem Hotel, doch es war immer noch ein ganzes Stück bis dorthin. Manfred hielt sein Handy immer wieder hoch um so einen besseren Empfang zu haben.
Plötzlich fragte er mich: „Soll ich Karin anrufen, damit sie dich abholt?“
Eh…das meinte er voller Überzeugung.
„Spinnst du. Ich lass mich doch jetzt nicht abholen.“
Für einen kleinen Moment dachte ich; will er sich am Ende wohl selbst abholen lassen? – Nein, das konnte nicht sein. Aber auch ich wollte auf keinen Fall aufgeben.
„Jetz maschiere mer och zoröck. Do Vogel“ – So weit kommt das noch“, antwortete ich lachend.
Kurz darauf erreichten wir einen befestigten Weg. Jetzt konnte es ja nicht mehr allzu weit sein. Was aber auf jeden Fall hieß, irgendwann geht es etwas steiler abwärts. Durch unsere vielen Aufenthalte kannte ich den Weg und mir war klar, was runter geht muss auch noch einmal aufwärts. Aber eben nur noch einmal.
Manfred meinte: „Du bist ein Kämpfer. – Wie du das durchhältst und deinen Humor nicht verlierst. Alle Achtung.“
Ich musste lachen. „Durchhalten? Von Durchhalten kann hier keine Rede sein. – Das ist reiner Zweckoptimismus.“
Wir lachten beide und schritten die letzte Steigung zum Hotel hinauf.

Es war später Nachmittag geworden und Manfred rief seine Frau an und bestellte für uns, bevor die Nachmittagstafel geschlossen wurde leckere Waffeln.
Unsere lieben Urlaubsfreunde, die immer noch im Restaurant saßen, begrüßten uns mit einem großem ,Hallo‘.
Die bestellten Waffeln standen für uns auf dem Tisch bereit.
„Was habt ihr denn gemacht? – Wo seid ihr denn gewesen?“, wurden wir gefragt.
Ich sagte nur kurz: „Wir sind an der Diemelquelle gewesen. – Zu Fuß.“
Ein kurzen Moment abwartend, erzählte ich weiter. „Es war richtig toll – und vor allem war es ein sehr schön flacher Weg – kaum Steigung, alles ganz flach. Wirklich für jeden zu empfehlen.“
„Karin schaute Manfred an und fragte: „Hast du die Socken bekommen?“
„Ne – wir müssen morgen nochmal los – nicht wahr Aaamin?“, antwortete er knapp und lächelte dabei.
Alle lachten herzerfrischend.
Meine Füße brannten, ich war müde und auch kaputt.
Trotzdem war der ,Sockenkauf‘ ein außergewöhnliches Erlebnis.
Gerne werde ich mich daran zurück erinnern.
 
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Lokterus

Mitglied
Hallo Armin,

es ist mir eine Freude dich in der Leselupe willkommen zu heißen. Du wirst bereits festgestellt haben, dass diese Plattform sich bestens für jede Art von Textenthusiasten, Wortakrobaten und Leseratten eignet. Ich wünsche dir viel Spaß und viele gute Erfahrungen.

Erlaube mir nun, einige Worte über deinen Text zu verlieren.

Leider muss ich gestehen, dass mich die Geschichte nicht abholen konnte. Ich nehme an, dass es sich hierbei um eine wahre Begebenheit handelt, welche sich dir aufgrund der ungewöhnlichen Umstände und der vollbrachten Leistung besonders ausdrucksstark ins Gedächtnis gebrannt hat. Du schaffst es aber nicht, diesen Ausdruck zu transportieren. Zwar bringt der eingesponnene Dialekt etwas Abwechslung, schafft es insgesamt aber nicht der Geschichte ausreichend Farbe zu verleihen.

Der Text liest sich wie ein Bericht, als hättest du eine Stichpunktliste abgearbeitet. Zu diesem Eindruck tragen auch die vielen Leerzeilen bei. Versuche in deinen nächsten Texten, nicht allzu rasch in der Handlung voranzukommen. Verweile ruhig öfter bei einer Szene und gib ihr mehr Substanz, indem du mehr Beschreibungen hinzufügst. Gib dem Leser mehr Möglichkeiten das Bild, das du mit deinen Worten malen möchtest in seinen Gedanken nachvollziehen zu können.

Liebe Grüße
loki
 
Hallo Lokterus,
lieben Dank für Deine herzlichen Begrüßungszeilen.
Stimmt, es ist eine Erlebniserzählung. Schade, dass sie Dich nicht erreicht hat. Vielleicht hätte ich wirklich den Text mehr ausweiten sollen. Zu einem anderen Text (Buch) hat man mir die genaue Beschreibung einzelner Abschnitte als zu umfangreich bewertet. So liegt es am Leser, wie und was er an Geschichten, Erzählungen oder Texten im allgemeinen empfindet. Ich finde es sehr wichtig, dass man entsprechende Rückmeldungen erhält und bedanke mich sehr gerne für Deine Stellungnahme und die Bewertung.
(Du siehst, es geht auch ohne Leerzeilen:))
Liebe Grüße
Armin
 



 
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