Sonettenkranz: Der alte Mann (gelöscht)

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Mir erscheint es als ein düsteres und gut durchkonstruiertes Sonett, teilweise ähnelt es inhaltlich einer Ballade.

Ich bin mir nicht völlig schlüssig, aber in mir entsteht ein Bild des Todes, des Verfalls, der Wehmut und einer romantischen Trauer, das wird wohl durch den elegischen Ton bestimmt (elegisch als Tonfall, nicht als Gedichtform.)

Ich hatte erst heute die Ruhe, es ohne Störung durchzulesen.

Ein wenig klingt die Maske des roten Todes an, zugleich aber ein ganzer Lebenslauf.
 

Janosch

Mitglied
hallo bernd,
ich danke dir für deinen kommentar und deine vage einschätzung. es ist wohl doch etwas zu viel so ein großes werk hier reinzustellen, immerhin liest man am rechner nicht so gerne und lange, wie wenn man ein buch in der hand hält. daher vielleicht auch die geringe reaktion.
gruß janosch
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das Gedicht ist sehr gut durchgestaltet und zieht einen "rein", es ist aber fürmich schwierig, eine angemessene umfangreiche Darstellung zu geben. Es enthält sie ja selbst.
Ich habe keine Fehler gefunden und es gefällt mir sehr.

Jedes einzelne Sonett ist vielschichtig.
Es beginnt mit "Murmeln" - das kleine Kind.
Schellen - der Narr, der alte Mann.
eine lederne Nacht - Bucheinbände sind aus Leder.
glühende Stirn, kalte Hand - Fieber, sei es durch Krankheit oder durch Arbeitswut oder durch Erregung.
Die zweite Strophe birgt dann eine unheimliche romantische Gefahr, persifiliert durch das unromantische "Köter".

Die Handlung ist unheimlich und bleibt in den nächsten Strophen unheimlich. Eingestreut sind hin und wieder Wörter, die die romantische und tragische Stimmung brechen, wie "fieses", "Köter", "ploppen".
Volkstümlich (aus Dialekt) "pflecht" statt "flecht".

Lasse Dich nicht verwirren durch kurze Anmerkungen.
Es ist natürlich schwieriger, ein langes Werk am Computer zu lesen. Das war auch der Grund, dass ich einige Zeit brauchte, um in Ruhe damit anfangen zu können.

Ich habe selbst ein sehr langes Werk verfasst. http://www.leselupe.de/lw/titel-Feinsliebchen-aus-Eisen-mit-Draehten-aus-Gold-12675.htm
Das ist bestimmt auch nicht einfach zu lesen - und noch offen zum Vervollständigen.

Ein Sonettenkranz ist in sich dann abgeschlossen durch die Meisterstrophe, die alle vereinigt und zusammenschnürt.
 

Janosch

Mitglied
hallo bernd,
meine aussage mit "geringer reaktion" war nicht auf deinen kommentar bezogen, sondern vielmehr als gesamtresonanz gemeint, die sich ja, auch hinsichtlich der wertungen, in grenzen hält. ich weiß also nicht so richtig woran ich bin, zumindest nicht in der leselupe. es muss ja keine ausführliche interpretation sein, das könnte man auch nie und nimmer verlangen, nicht bei diesem umfange :D, aber manchmal reicht ja schon ne kurze bewertung. so könnte nämlich auch der eindruck entstehen, dass sich der leser nicht motiviert fühlt weiter zu lesen oder abgeschreckt ist, vom inhalt oder sonstwas und sich von daher, da er ja das gesamtstück nicht kennt, nicht anmaßen will, zu bewerten, geschweige denn zu kommentieren.

auf jeden fall freu ich mich über deinen kommentar und deinen interpretationsansatz, natürlich gibt mir das viel. -> es ist für mich spannend zu sehen wie du die einzelbilder interpretierst, weil natürlich klaffen da klüfte zwischen intention des autors und interpretation des lesers. auf jeden fall schimmern eben durch derlei auslegungen durch, welche knöpfe man mit welcher wendung, mit welcher formulierung beim leser drücken kann und diese erkenntnisse sind natürlich wichtig für das verfassen weiterer stücke.

und wie wir alle wissen gibt es bei einer interpretation im grunde kein richtig oder falsch -> das beste ist natürlich wenn der leser sein ganz persönliches werk daraus macht, seine ganz persönlichen kenntnisse und erfahrungen daraus zieht bzw. seine eignen kenntnisse und erfahrungen damit koppelt _> deshalb ist es ja auch so sinnvoll einige bilder und wendungen als autor offen und den text sich nicht selber interpretieren zu lassen. das würde vielleicht die denkfaulheit fördern, aber den eigenen lesegewinn schmälern. so glaube ich zumindest.
gruß janosch
 

Walther

Mitglied
Hallo Bernd & Janosch,

leider ist der Bereich "Feste Formen" nur noch spärlich besucht und kommentiert. Das ist generell so und ist nicht allein auf Deinen Text bezogen.

Das hat zum Einen damit zu tun, daß viele Haiku- und Senryu Versuche eingestellt werden, die, vorsichtig gesagt, fast samt und sonders grottenschlecht sind. Zum Anderen ist die Feste Form lyrisch "out". Die Musik spielt in den Unterforen "Ungereimtes" und "Experimentelles" sowie "Gereimtes". Die beiden anderen Rubriken - noch stärker das Unterforum "Fremdspr. u. MundArt", es ist fast "tot" - liegen am Rande des Leser- und Posterinteresses. Das ist schade, aber man darf die Augen nicht verschließen.

Ohne daß Bernd hier nicht immer wieder anschiebt, wäre das Forum "Feste Formen" wohl schon eingeschlafen, ähnliches gilt für "Experimentelles".

Zu Deinem Werk komme ich noch, da brauche ich mehr Muße ...

LG W.
 

HerbertH

Mitglied
Hallo Janosch,

zunaechst mal: Hut ab!

Thematisch scheint mir der Kranz eine runde Sache, der sich auch gut liest.

Leider hatte ich noch keine Zeit, wirklich in die Tiefe zu lesen, das habe ich mir aber vorgenommen.

Eine ausfuehrlichere Antwort drohe ich hiermit an ;)

Liebe Gruesse

Herbert
 
G

gitano

Gast
Hallo Janosch!
Ich selbst hatte nach Walthers Ankündigung zu kommentieren nicht mehr darauf geachtet, daß hier leider wenig geschieht. Die Feiertage waren sicher auch anderen Aktivitäten vorbehalten.

Natürlich erweise ich der "Arbeit" und "Mühe" so einen Text zu erstellen auch meinen Respekt erweise. Eine Fleißarbeit ist es allemal....ja, und auch ich hätte auf etwas mehr Resonanz gehofft.

Zum Text selbst:
ich habe mir den ganzen Text angeschaut und die ersten beiden Sonette sehr genau. Eine komplette Analyse würde sicher viele Seiten einnehmen.Deshalb erwähne ich danach Kritikpunkte, die mir auch über die ersten beiden Sonette hinaus aufgefallen sind.

Soentt 1
ABAB cdcd Efg Efg
Z3 fällt mir auf:
Die Nacht liegt ledern über Feld und Tann,
"liegt" ist länger als "Nacht", und "Ledern" ist in der ersten Silbe ähnlich lang wie "liegt"..nicht unbedingt ein Metrikproblem aber ein Rhythmusproblem bei Sprechen...in einem Klinggedicht.

In der gleichen Zeile "Tann", die Elision empfinde ich als störend weil sie nicht zum Rest des Sprachgestus passt.

Z4:
so wie auf glühnder Stirn....
wenn ich lese: so,/ wie auf glühnder Stirn
Eine andere Lesart erscheint mir kaum sinnvoll.
ich lese hier "so wie" eine Senkung (-v)...eine Tonbeugung im Metrum.
und eine weitere Elision im "glühnder"

In Z 9 lese ich eine weitere Tonbeugung in:
Und seine Augen sind wie Murmeln klar,
in "sind wie" ist das "wie" in Länge und Betonung stärker.

Z 12:
Ausdruck
"Ihm ist, als wenn er hier schon einmal war"
eigentlich:
Ihm ist, als war er schon einmal hier
oder:
Ihm ist, als war er schon mal hier
etc.

Leider finde ich solche Formulierungs-Metrik- Gehilfen desöfteren.

Eine Conclusio vermisse ich. Denn die Formulierung " Er scheint auf was zu lauern" (eigentlich: er scheint auf etwas zu lauern) aknn unmöglich eine solche sein.
Was fällt mir weiterhin auf:
Es fehlt für einen Sonett der innere Disput , die Reflexion, die logische, stützende Argumentation, die dann in eine Schlußfolgerung mündet.

In Deinem Text finde ich eher das berichtende, erzählende Element einer Ballade.
Und so nehme ich auch den ganzen Text wahr:
Eine Ballade im teilweise formalen Gewand von Sonetten.
Reimschemata...der Vierfachreim ist eine weitaus höhere Anforderung und in einem Klinggedicht auch durchaus tragend.
Abweichungen davon gab es immerwieder...sicher aber sie bewiesen ihre Funktion , ihr "Muss"...dies finde ich in diesem Text nicht wieder.

Das sprachliche Niveau: Tonbeugung, Elisionen, Ausdruck erscheinen mir neben dem mangelndem Klangkonzept nicht auf Sonettniveau
...und ich lese kaum "bindende" Enjambements, die den Zeilenenden die Eckigkeit der Zeilenenden nehmen.


Sonett 2:
aBBa cDDc EEF gFg

Z1/2 erscheint mir im Ausdruck abermals sehr geschraubt / gedrechselt: besonders der Übergang von Z1 zu Z2:
Seit Stunden schon, er scheint auf was zu lauern,
der an des Tores Knauf....

rührt / verliert (Z2/3)ist kein Reimpaar...kaum eine Assonanz.

Z6:
gebückt, wie ein getretner Köter schwer,
Elision in "getretner"
Inversion auf "schwer"
Z13:
"doch eben, dass mans lässt
Elision (man es lässt)
Z14: Conclusio?

Entschuldige bitte den protokolarischen Stil...es ist eben doch viel Text und es gäbe noch eine Menge an Details zu benennen.

Ich ahne schon die Formaldiskussion...aber ein Sonett ist eben ein Sonett. Dein Text mag im Formalen problematisch sein. Er ist aber im Inneren nach meiner Sonettkenntnis ganz gewiß kein Sonett. Es fehlen ihm die inneren Werte eines Sonetts, die ich oben schon nannte...Eine Ballade in Endecassillabi...
Trotzdem eine fleißige Arbeit!
Im Sonettarchiv und anderswo finde ich Sonettkränze die sich qualitativ/formal deutlich von diesem Text hier absetzen.

Dennoch wäre ich sehr dafür, daß man dieser Umfangreichen Arbeit den Respekt erweist und sie zumindest in Teilbereichen genauer bespricht. Solchj eine besprechung gibt Dir als Autor sicher wertvolle Anhaltspunkte für Dein weiteres Schreiben.

Herbert hat ja bereits Mitarbeit angekündigt...vielleicht schlatet sich Walther noch mit ein?
Dann könntest Du verschiedene Meinungen hören und einige Details zu den Teiltexten.
Denn alle 15 Sonette mag ich nicht kommentieren...es sei denn, daß sich niemand anderes findet...würde aber dauern.

Auf der Leselupe empfinde ich eine zu liberale Haltung gegenüber dieser Gedichtform. Insbesondere wird häufig micht berücksichtigt, daß die inneren Anforderungen eines Sonetts eigentlich die wesentlichen und kennzeichnenden sind...und weniger die Formalen...die ja eher sehr leicht sind.
Beweisbar ist dies wenn ich ein Sonett en bloc schreibe, so bleibt es als Sonett erkennbar - auf Grund seiner inneren Kennzeichen! Nicht auf Grund von Formalia...(Aufteilung/ Grafik).

So weit erst einmal
Grüße aus dem Taunus und nochmals meine Hochachtung zu dieser enormen Arbeit! Es ist vielleich tein schrittweiser Prozess sich an ein "Ziel" heran zu tasten...
gitano
 
G

gitano

Gast
Im zweiten Teil möchte ich meine Kritik auf das "Innere des Sonett 1 nochmal aufgreifen:

Abschnitt 1:
Kern-Aussage:
Vor einem schwarzen Tor steht nachts ein alter Mann

Abschnitt 2:
Kern-Aussage:
steht in Z1/2
Der alte Mann aus Abschnitt 1 trägt eine Schelle an seinem Gürtel die sich meldet, abhängig Verhalten

Abschnitt 3:
die Augen des Mannes werden beschrieben

Abschnitt 4:
der alte Mann steht schon seit Stunden vor dem Tor, hat das Gefühl schon mal dort gewesen zu sein un scheint auf ETWAS zu lauern.

Dies ist nun wirklich nach allem was ich von Sonetten kenne keine "innere Konstellation" eines Sonetts...nicht annähernd -sondern die einer Erzählung in Versen - einer Ballade -gefüllt in Endecassillabi und Abschnitte mit Reimschemata.

Der Erzählstil ein "Geheimnis" zu installieren / anzubahnen ist sicher für eine inhaltlich neugierig machende Spannung in einer erzählenden VersDichtung wertvoll...Nur wer ein Sonett erwartet wird eher schwer irritiert sein.

Was ist das disputfähige (Disput auch im Sinne von Reflexion) Thema des Textes?
Wo ist die Positionierung der sich widerstrebenden Aspekte?
Wo ist die stützende, logische und schlüssige Argumentation zu den Aspekten des Diputthemas?
Was ist die Conclusio?
Wo ist die Rhetorik zu den Argumenten?
Welcher Art ist die Conclusio?
Wo ist die Spannweite der unterschiedlichen Aspekte?
Was ist ihre Aussage über die Grenzen des Textes hinaus (ethisch, moralisch, philosophisch, schließend / nicht schließend/ fragend, dialektisch, erkennend...)

Dies sind nur elementar kennzeichnende Fragen zum inneren Wesen des Sonetts. Sie greifen bei Deinem Text (Sonett 1) ins Leere und bleiben Antworten schuldig. Wie auch die folgenden Texte...
Ein Sonettkranz setzt sich nach meinem Wissen aus 14 Disputen/Reflexionen (mit Argumentationen nebst Conclusio)in Textform zusammen, die sich als Teilaspekte zu einem übergeordneten Thema transformieren oder daraus hervorgehen und somit den übergeordneten Disput formen.
Disput im Sinne von fragender oder erörternder Reflexion / Widerstreit / Erörterung / ...sehr vereinfacht: eine Auseinandersetzung mit einem Thema das unterschiedlich Aspekte hat.

Ist dies alles ein Riesenmißverständnis?

Ich begreife Deinen Text inzwischen -wie oben schon erwähnt- mehr als erzählend i.S. einer Ballade - mit anhaltenem Respekt für die umfangreiche Arbeit.
 

Janosch

Mitglied
@ walther: danke für deinen hinweis. bin ja nicht allzu oft hier und hab daher nicht den allerbesten überblick. :)

@ herbert: danke für deinen kommentar! ich werde den kranz vermutlich bald rausnehmen hier, da er in meinem nächsten buch erscheinen soll.

@ gitano: erstmal vielen dank für deine ausführliche auseinandersetzung mit dem text. das zeigt ja zumindest, dass er dich motiviert hat eben in die tiefe zu gehen und das freut mich natürlich.

"nacht liegt ledern" - ja, das ist metrisch nicht astrein, da fiel mir aber bisher noch keine andere lösung ein.

"tann" - ist keine elision, der tann ist synonym für wald oder forst.

das komma bei "so, wie" werde ich einbauen. ideal klingst dennoch nicht.

"Und seine Augen sind wie Murmeln klar" - hier sehe ich kein problem.

"Ihm ist, als wenn er hier schon einmal war" - hier auch nicht.


allgemein gebe ich dir recht, dass es eher einer ballade, einer sich aufbauenden geschichte ähnelt, eben im formellen gewand des sonetts, des kranzes. ich finde das überhaupt nicht schlimm, mir persönlich ist eine geschichte sogar lieber als aufgesplitterte einzelteile, die lose herumbaumeln. wenn das ganze spannung erzeugt und der leser dabei ist, dann ist es doch völlig gleich, ob man hier die hundertprozentige these antithese synthese probematik einhält - es geht doch auch darum, dass es unterhält und berührt und ich denke dem allgemeinem leser wird der "wissenschaftliche" aspekt gänzlich gleich sein.

dass ich keine enjambements benutze ist bewusst, da ich sie nicht sehr mag. ich mag es wenn das ende der zeile auch das (teil-)ende eines gedankens ist, enjambements empfinde ich normalerweise eher als krücke, wenn man mal nicht das rechte reimwort zur hand hat etc. - das wollte ich vermeiden.

zu sonett 2:

wenn du einen kranz hast, musst du irgendwo immer drechseln, ich finde aber hier nicht gerade, dass es mir misslungen ist.

"rührt/ verliert", solche reimpaare findest du zuhauf bei goethe etc. - ich versuch das zwar auch zu vermeiden, empfinde es aber mittlerweile nicht mehr als schlimm, zumal es für mich den lesefluss nicht stört und sich klanglich doch ineinander fügt.

wie gesagt ist das sonett nicht darauf aus eine conclusio zu haben. es ist eine geschcihte, die in teilgeschichten, abschnitten erzählt wird. nicht mehr und nicht weniger. darum ist dein fordern nach einer conclusio, zumindest in diesem gedicht, meiner meinach nach etwas fehl am platze.
die letzte zeile ist ein aufhänger, eine einleitung für das nächste sonett.


zu deinem 2. kommentar: ich verstehe nicht, warum du es unbedingt so einkategorisieren musst. ein schöner text ist ein schöner text, ganz gleich unter welchen formalen maßstäben du ihn betitelst. ich hatte hier lediglich vor eine geschichte zu erzählen und zog dazu die form des sonettes, des kranzes zu rate. alles weitere wäre vielleicht eine aufgabe für später mal.
dann ist es eben eine ballade in sonettform, weiß aber nicht, was daran schlimm sein soll. alles weitere hab ich glaube ich versucht zu sagen.

auf jeden fall danke nochmal für deine ausführliche auseinandersetzung mit dem ganzen.

gruß an alle
janosch
 
G

gitano

Gast
Hallo Janosch!
Danke für Deine Reaktion!
Einige meiner Anmerkungen zu Metrik und Elisionen / Inversionen sind anscheinend nicht so recht bei Dir angekommen...sei es drum...

allgemein gebe ich dir recht, dass es eher einer ballade, einer sich aufbauenden geschichte ähnelt, eben im formellen gewand des sonetts, des kranzes. ich finde das überhaupt nicht schlimm, mir persönlich ist eine geschichte sogar lieber als aufgesplitterte einzelteile, die lose herumbaumeln.
ok, damit bin ich völlig einverstanden...

ob man hier die hundertprozentige these antithese synthese probematik einhält - es geht doch auch darum, dass es unterhält und berührt und ich denke dem allgemeinem leser wird der "wissenschaftliche" aspekt gänzlich gleich sein.
Schlegels Postulat meine ich auch nicht. Dies steift Sonette nur ein. Aber ob ein Sonett ein Sonett ist , ist keine Frage von wissenschaftlicher Bedeutung. Ein Lyriker sollte die Formen kennen mit denen er arbeitet
Du hast den Text einen Sonettkranz genannt.
Ich habe nur bemerkt, daß meines Wissens nach keiner ist.
Ein Farrad ist kein Lkw
Wer vorgibt muß auch liefern...oder anders gesagt: Was drauf steht sollte auch drin sein.


dass ich keine enjambements benutze ist bewusst, da ich sie nicht sehr mag. ich mag es wenn das ende der zeile auch das (teil-)ende eines gedankens ist, enjambements empfinde ich normalerweise eher als krücke, wenn man mal nicht das rechte reimwort zur hand hat etc. - das wollte ich vermeiden.
Enjambements dienen auch der Koppelung von Zeilen- ohne die übeliche Stimmenabsenkung. Damit kann man den Sprechrhythmus beschleunigen / variieren. Ansonsten entseht ja eine in Sprechtakiten "leierkastenartige" Wiederkehr von Zeilen - so monoton daß es eigentlich nur in der Satire erträglich ist - aber nicht über 15x 14 Zeilen.
Darin warst Du konsequent. >Es gibt nicht ein Enjambement

Das Binden / Verbinden von Zeilen ist für Sonette übrigens recht typisch um der genannten Monotonie der stetigen Stimmensenkung am Zeilenende zu entgehen....und natürlich nicht nur in Sonetten. Auch kann damit die Sprachgeschwindigleit variiert werden.

wenn du einen kranz hast, musst du irgendwo immer drechseln, ich finde aber hier nicht gerade, dass es mir misslungen ist.
Der Kranz ist eine Meisterform einer Gedichtform die ansich nicht leicht ist...dies rechtfertigt aber nicht, daß Du einen Kranz drechselst. Es sei denn, Du nennst diese Arbeit dann anders.

"rührt/ verliert", solche reimpaare findest du zuhauf bei goethe etc. - ich versuch das zwar auch zu vermeiden, empfinde es aber mittlerweile nicht mehr als schlimm, zumal es für mich den lesefluss nicht stört und sich klanglich doch ineinander fügt.
Es mag neu sein für Dich, aber auch die angeblich großen haben viele Texte mit formalen Fehlern hinterlassen. UND: ich möchte daran erinnern, daß durch die Lautverschiebungen und regionalen Dialekte die Texte DAMALS anders gesprochen wurden als heute.
Es ist schon schwach keinen Vierfachreim zu benutzen - so wie eigentlich bei Sonetten erwartet wird -aber dann auch noch in Paarreimen solche "Rechtfertigungen" zu flicken...oh, nein.

Ich liefere Dir noch ein paar Argumente betreff Deiner Sprachvariabilität nach...

da Du ja Argumente nicht gelten läst, mache ich es mal mit Zahlen:
In Text 1 bis 4:
6x "Da" als Zeilenanfangswort/ Satzanfangswort
einmal abziehen, da formal notwendige Wiederholung : bleiben fünf,
UND:
die rhythmische Monotonie ist mit häufigen einsilbigen Zeilenanfängen kaum zu überbieten - auch ein zeichen der metrischen Unsicherheiten:
In Text 1: alle Zeilenanfänge! 14x
In Text 2: 13x
In Text 3: 12x
In Text 4: 11x
In Text 5: 13x

usw.
also keine Einzelheit - sondern klare Tendenz
Wenn Du noch mehr Fakten wünscht...


ich weiß nicht woher Du folgendes Postulat hast- ich wäre aber sehr an der Quelle interessiert - denn es beschreibt Seiten vom Sonett die sicher alle Kenner, Lyriker und Gelehrten in Erstaunen versetzt:
wie gesagt ist das sonett nicht darauf aus eine conclusio zu haben. es ist eine geschcihte, die in teilgeschichten, abschnitten erzählt wird. nicht mehr und nicht weniger. darum ist dein fordern nach einer conclusio, zumindest in diesem gedicht, meiner meinach nach etwas fehl am platze.
die letzte zeile ist ein aufhänger, eine einleitung für das nächste sonett.
Hier zeigt sich dann doch, sorry meine Offenheit: das die Form dich beherrschen mag - Du aber die Form nicht beherrscht bzw. zu wenigh von ihr weißt um damit beim Schreiben nicht zu drechseln - und trotzdem noch zu wissen wo Du bist.

zu deinem 2. kommentar: ich verstehe nicht, warum du es
unbedingt so einkategorisieren musst. ein schöner text ist ein schöner text, ganz gleich unter welchen formalen maßstäben du ihn betitelst. ich hatte hier lediglich vor eine geschichte zu erzählen und zog dazu die form des sonettes, des kranzes zu rate. alles weitere wäre vielleicht eine aufgabe für später mal.
dann ist es eben eine ballade in sonettform, weiß aber nicht, was daran schlimm sein soll. alles weitere hab ich glaube ich versucht zu sagen.
Weil ein Farrad kein Lkw ist, weil ein Meisterwerk (in Meisterform) keine geschmadderte Skizze ist.
[red]Was angekündigt wird sollte drin sein[/red]
Weil es gut ist, zu wissen man tut, damit es gelingen kann...und Meisterformen auch meisterhaftes handwerk und Umgang erfordern...und nicht nur das Möchten.
Weil sich in alldem Respekt im Umgang und Wahrhaftigkeit im angestrebten "Handwerk" zeigt und weniger "Bühnenglanz".
Weil sich auch in all dem die Liebe zeigt- zu dem was man tut- zumal, wenn man es veröffentlicht.

Auch von mir erwartet jeder eine saphische Ode - insofern ich sie angekäündigt hätte.


Jeder darf natürlich eigene Formen postulieren..und versuchen durchzusetzen.

In einer Aussage möchte ich noch eine Nachdenken meinerseits mischen: wahrscheinlich ist Dein Text mehr Fabel als denn eine Ballade. Den Eindruck habe ich jedenfalls bisher gewonnen.


Was ich jedoch nach wie vor betonen möchte:

So ein Text - auch eine Ballade oder Fabel in diesem formalen Gewand - ist eine sehr umfangreiche Arbeit.
Leider oft für Lyrikforen zu umfangreich - als das von Forenseite her der Respekt einer Auseinandersetzung mit allen Textteilen praktiziert würde. Aus der vollständigen Auseinandersetzung mit Deinem Text würden Dir sicher weitere wichtige Hinweise für Dein weiteres Schreiben zukommen.

Bis dahin ersteinmal
Grüße aus dem Taunus
gitano
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die Sonettform hat sich über viele Jahrhunderte entwickelt - und in verschiedenen Ländern durchaus unterschiedlich.

Ich will mal den Fahrrad-Vergleich aufnehmen:
Das Arbeitsamt fragt in seinen Unterlagen: Fahren Sie ein Fahrzeug? und gibt einige Fahrzeuge vor. Das Fahrrad ist nicht dabei.

Trotzdem ist es ein Fahrzeug.

Der Begriff "Sonnett" hat sich stark entwickelt. In der deutschen Sprache ist der Reim nicht mehr entscheidend.
Es gibt auch Halbreime und ungereimte Sonette. Der Expressionismus beendete inhaltliche Einschränkungen.

Ein anderer Vergleich:

Es gab Marmelade. In Englisch hatte "Marmalade" eine andere Bedeutung. Die EU zwang die englische Bedeutung den Firmen auf und man durfte die klassische Marmelade nicht mehr Marmelade nennen, weil sie nicht aus ZZitrusfrüchten bestand. Ein Österreicher Wirt, der abgemahnt wurde, weil er Marmelade Marmelade nannte, wehrte sich, jetzt darf man auch in Deutschland wieder Marmelade als Marmelade verkaufen, wenn auch nur in Ausnahmefällen. Der Vergleich hinkt natürlich.

Ich denke, der Sonettenkranz ist sowohl formal als auch inhaltlich ein Sonettenkranz. Hier habe ich persönlich eine andere Meinung als Gitano.

Ich gebe hier mal ein Zitat von Literaturwissenschaft-Online:

http://www.literaturwissenschaft-online.uni-kiel.de/hilfsmittel/glossar.asp?letter=S


"Sonett
... als ›deutsches Sonett‹ gilt die Erweiterung der Quartette auf vier Reime (abba cddc oder abab cdcd). ..."

Den kompletten Abschnitt kann man dort nachlesen. Man sieht schnell, dass die Form relativ offen ist und in verschiedenen Ländern unterschiedlich adaptiert worden ist.

Die Frage des Enjambements wurde sehr unterschiedlich behandelt, zum Teil wurde es in der Vergangenheit für das Sonett abgelehnt, zum Teil gefordert.

---

Mit einer vollständigen schriftlichen Auseinandersetzung mit dem Text fühle ich mich im Moment überfordert.

Dafür brauche ich mehr Zeit. Es ist keine SMS.
 

Janosch

Mitglied
lieber gitano,
ich muss ehrlich zugeben, dass bei mir langsam der eindruck entsteht, dass du meinen kranz krampfhaft kaputt reden möchtest. deine formalen hinweise ziehen nicht wirklich, das ist eben meine art zu schreiben, wenn ich keine enjambements mag und einsilbig gerne meine zeilen beginne - was im übrigen aber alles nicht bewusst gesetzt ist, sondern sich im fluss des schreibens so ergibt.

den von dir zitierten beitrag zum sonett und der conclusio bezog ich lediglich auf mein sonett, das zweite glaube ich in dem fall, und womöglich auch noch weitere, und darauf, dass ich durchaus die hände in die luft hebe, wenn du mit der formpistole auf mich zeigst: ja, es wird kein sonett in dem sinne conclusio, these, antithese, synthese und wie auch immer sein, das sagte ich ja bereits und das war auch nicht mein ziel.

"Es ist schon schwach keinen Vierfachreim zu benutzen - so wie eigentlich bei Sonetten erwartet wird"

da ich in einem sonettenkranz versuche, jedes reimwort, das sich auf die anfangs- bzw endzeilen bezieht, nur ein einziges mal zu verwenden (das ist mir hier bis auf das reimwort "an" gelungen - gibts in sonett 3 und sonett 14), wäre es unmöglich einen kranz, mit abba baab aufzuziehen -> da würden sich die wörter viel zu oft wiederholen, was ich persönlich als störend empfinden würde (du bräuchtest quasi für jedes im meistersonett vorkommende reimwort, wenn ich richtig gezählt habe, 12 verschiedene wörter mit der selben reimendung und das ist unmöglich). so einen kranz kann ich dir gerne schreiben, aber es entspricht nicht meinem ästhetischen empfinden, etwas so oft zu wiederholen.

wie gesagt, von mir aus sei es eine ballade in der form eines sonettenkranzes, eine ode, eine erzählung, ein stück, ein fleisch, ein stück fleisch oder auch eine fabel. obgleich ich dachte, dass bei einer fabel meist auch tiere agieren und da frage ich mich, wo da für dich die tiere sind. ist der mond ein tier, das vom himmel bellt? oder die pfütze, die sich katzengleich selber aufzuschlabbern vermag?

gruß janosch
 

Label

Mitglied
lieber Janosch

nach so viel expertenhaftem Diskurs und Betrachtung durchs Rasterelektronenmikroskop getraue ich mich fast nicht meine unbedarfte Meinung zu äußern.

Ich will es mal so ausdrücken, stünde dein -Gedicht- ;) zum Verkauf, ich würde es kaufen, was nicht auf Sonette im allgemeinen zutrifft, den die sind mir meist zu gedrechselt und verschraubt.

Oder anders ausgedrückt, falls ich mich für den Verlauf einer Jagd interessieren sollte, würde ich mich nicht für eine Erzählung in der Jägersprache entscheiden.

mit einem lieben Gruß
Label
 

Janosch

Mitglied
hallo label,
ich freue mich, dass dir mein kleines werk zusagt. ich habe den text jetzt erstmal aus gründen der exklusivität herausgenommen. der lyrikband, in dem der kranz nebst anderen stücken und meinem 1. sonettenkranz enthalten sein wird, soll demnächst erscheinen. weitere infos dazu in kürze auf http://www.jan-lindner.de :)
freu mich, dass interesse besteht. :)
gruß janosch
 

Janosch

Mitglied
hey walther,
schade, dachte es kommen dann doch keine kommentare mehr, hätte mich über eine genauere analyse von dir gefreut...

danke übrigens für den link. super, dass es hier eine spezielle kategorie für sowas gibt, das wusste ich nicht und ich werde sicher davon gebrauch machen. :)

gruß jan
 



 
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