Zuerst einmal: Es ist gut. Auch nicht allzu kryptisch, obwohl das auch nicht schlimm wäre, viele lieben ja Metaphernverstecke, Rätsel.
Ich sorge mich eher um Vorwurfsattitüden - die ethische Schlagseite des sonst "interesselosen Wohlgefallens", des Ästhetischen.
Dieselbe abgestandene Luft
geeichtes Knarren der Pforten
Das beginnt nicht bloß beschreibend, sondern mit abwertenden Attributen, sogar schon das erste Wort, das Pronomen, fließt (und lenkt den Hörer, den Leser) "abwärts". Nun, warum auch nicht, es gehört zum Eindruck, also zur Anschauungsseite, und muß noch nicht das Wahrnehmen völlig ins distanzlose Werten hineinsaugen. Eine Spur von Widerwillen kann die ästhetische Distanz sogar verstärken.
das verstohlene Blättern
im Abgegriffenen
Ich denke schon, daß Du bei "verstohlen" das "stehlen" des Wortstamms mitnehmen wolltest. Und daß dem Dichter das "Abgegriffene" besonders zuwider ist: härtester Vorwurf innerhalb eines Gedichts.
Kaum ein Hirte riecht
nach seiner Herde
Ja, spätestens hier, mit dem Papst-Franziscus-Postulat-Zitat, wird deutlich, daß die Sonntagmorgenmesse gemeint ist. Also keine allgemeine Charakteristik einer Struktur (z.B. Geruch und Bewußtseinsfärbung des Sonntagmorgendlichen im Erinnerungsfeld), bei dem sich das thematische Subjekt erst durch die rhematische Prädizierung ergibt, sondern ein konkreter Sonntagmorgen: die katholische Messe. Doch, allgemein: in der wortverdichteten Essenz der dünnen langen Weile aus so vielen Besuchen.
und oben läuten
die Kanonen
Nun ja, die zu Glocken umgegossenen, während in Kriegen die Glocken zu Kanonen zerschmolzen werden. Die einen läuten, die andern eher nicht. Pflügen Schwerter das Feld? Schlagen Pflugscharen Wunden? In der metaphorischen Assoziation: Ja, gewiß.
Aber das ist dann Vorwurfslyrik. Es sei denn, die Kühle des (nicht ganz Widerwärtigen, aber zumindest) Bedenklichen schafft ästhetische Distanz, und dann ist es schön, "cool", mit pokerface-trockenem Fast-Schmunzeln an-gemerkt.