Søren Kierkegaard zum 200. Geburtstag

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Herr H.

Mitglied
I

Die Schwermut war sein täglicher Begleiter
im Leben, von dem Vater her ererbt.
Sie hat sein Schrifttum dunkel eingefärbt
und stempelte ihn rasch zum Außenseiter.

Er trug sein Stigma auch als Glaubensstreiter.
Die Kirche Dänemarks schien ihm verderbt.
Ihr hat er scharfzüngig das Fell gegerbt
und ihren Stolz gegeißelt wie kein zweiter.

Das trug ihm Widerstand und Unmut ein.
Man schmähte ohne Rücksicht und Pardon
ihn auf der Straße wie im Feuilleton.

Als Opfer des infamen, bösen Spottes
stand er – wie Jeremia einst – allein,
ein Märtyrer und Rufer seines Gottes.



II

Sein großes Thema war die Existenz
des Menschen in der Leere dieser Zeit,
die Angst, Verzweiflung und Zerrissenheit
und die durch Prunk getarnte Dekadenz.

Dagegen kämpfte er mit Vehemenz
und war zu keinem Kompromiss bereit.
Er forderte den Mut zur Einsamkeit
vor Gott dem Herrn in letzter Konsequenz.

Ihm ging es nicht um Beifall noch um Ruhm.
Ihn störte der Verrat am Christentum,
die Flucht vor einem ehrlichen Geständnis

der Sünde und reeller Selbsterkenntnis.
Für ihn stand fest: Nur jenseits der Fassade
wird der Mensch frei und findet bei Gott Gnade.
 

Herr H.

Mitglied
I

Die Schwermut war sein täglicher Begleiter
im Leben, von dem Vater her ererbt.
Sie hat sein Schrifttum dunkel eingefärbt
und stempelte ihn rasch zum Außenseiter.

Er trug sein Stigma auch als Glaubensstreiter.
Die Kirche Dänemarks schien ihm verderbt.
Ihr hat er scharfzüngig das Fell gegerbt
und ihren Stolz gegeißelt wie kein zweiter.

Das brachte ihm viel Groll und Unmut ein.
Man schmähte ohne Rücksicht und Pardon
ihn auf der Straße wie im Feuilleton.

Als Opfer des infamen, bösen Spottes
stand er – wie Jeremia einst – allein,
ein Märtyrer und Rufer seines Gottes.



II

Sein großes Thema war die Existenz
des Menschen in der Leere dieser Zeit,
die Angst, Verzweiflung und Zerrissenheit
und die durch Prunk getarnte Dekadenz.

Dagegen kämpfte er mit Vehemenz
und war zu keinem Kompromiss bereit.
Er forderte den Mut zur Einsamkeit
vor Gott dem Herrn in letzter Konsequenz.

Ihm ging es nicht um Beifall noch um Ruhm.
Ihn störte der Verrat am Christentum,
die Flucht vor einem ehrlichen Geständnis

der Sünde und reeller Selbsterkenntnis.
Für ihn stand fest: Nur jenseits der Fassade
wird der Mensch frei und findet bei Gott Gnade.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich habe das Gedicht mehrmals gelesen und mir auch die Biografie Kiergegards angesehen, es scheint mir sehr gut umgesetzt und die Sonettform stärkt auch den Eindruck der Schwermut.

Jeweils eine Zeile fällt aus dem Rhythmus:

ein Märtyrer und Rufer seines Gottes.
...
wird der Mensch frei und findet bei Gott Gnade.
Ist das Absicht?
In der ersten wird "Märtyrer" "falsch" betont, man muss die Zeile also anders sprechen, um nicht stilistisch beim "schleischen Schwan" Friederike Kempner zu landen.

Beim zweiten ist es "der". Durch die vorgegebene Betonung bedeutet "der" "dieser". Das kann beabsichtigt sein. Aber es steht nicht da, welcher Mensch gemeint ist, der Zeiger führt ins Leere. Oder ich erkenne es nicht richtig.
 

Herr H.

Mitglied
Hallo Bernd,

vielen Dank für deinen Kommentar. Du hast ganz recht; der Rhythmus ist in beiden Fällen unsauber. Ich habe den Text deshalb ein wenig abgeändert.

LG von
Herrn H.
 

Herr H.

Mitglied
I

Die Schwermut war sein täglicher Begleiter
im Leben, von dem Vater her ererbt.
Sie hat sein Schrifttum dunkel eingefärbt
und stempelte ihn rasch zum Außenseiter.

Er trug sein Stigma auch als Glaubensstreiter.
Die Kirche Dänemarks schien ihm verderbt.
Ihr hat er scharfzüngig das Fell gegerbt
und ihren Stolz gegeißelt wie kein zweiter.

Das brachte ihm viel Groll und Unmut ein.
Man schmähte ohne Rücksicht und Pardon
ihn auf der Straße wie im Feuilleton.

Als Opfer des infamen, bösen Spottes
stand er – wie Jeremia einst – allein,
ein unbeugsamer Bote seines Gottes.



II

Sein großes Thema war die Existenz
des Menschen in der Leere dieser Zeit,
die Angst, Verzweiflung und Zerrissenheit
und die durch Prunk getarnte Dekadenz.

Dagegen kämpfte er mit Vehemenz
und war zu keinem Kompromiss bereit.
Er forderte den Mut zur Einsamkeit
vor Gott dem Herrn in letzter Konsequenz.

Ihm ging es nicht um Beifall noch um Ruhm.
Ihn störte der Verrat am Christentum,
die Flucht vor einem ehrlichen Geständnis

der Sünde und reeller Selbsterkenntnis.
Für ihn stand fest: Nur jenseits der Fassade
wird jeder frei und findet bei Gott Gnade.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
"wird jeder frei und findet bei Gott Gnade."
Diese Zeile wäre rein formal ebenfalls unsauber, aber hier ist eine inhaltlich begründete Betonungsverschiebung

von
"wird jeder frei und findet bei Gott Gnade."
zu
"wird jeder frei und findet bei Gott - Gnade."

möglich, man kann es also "natürlich" sprechen.
Dabei entsteht eine unbetonte leere Stelle zwischen "Gott" und "Gnade", während "...det" und "bei" zusammengezogen werden.
 



 
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