Steinzeit aktuell

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Steinzeit aktuell

Zuerst hat es der Mensch erfahren
vor etwa 100 000 Jahren,
grad nach dem letzten Eiszeiteinbruch:
Gar segensreich ist doch ein Steinbruch!
Der kam ihm da so recht zupass,
denn Steine gab es dort en masse.
Aus Feuerstein gewann er Klingen
und Äxt' und Beil' vor allen Dingen.

Viel später dann im Mittelalter,
da gab es nicht nur Steinespalter.
Schon längst gab es auch Steinpolierer
und außerdem auch Produzierer
von Schmuckwerk für die feine Dame,
fürs Eheweib, das tugendsame.

Auch ließen Steine sich benützen,
um gegen Unheil sich zu schützen.
Selbst die Hildegard von Bingen
wusst' ein Lied davon zu singen.
Der Spiritist der Gegenwart
hat neubelebt die Hildegard.

Im Bioladen nebenan
ein jeder nun erwerben kann
Talismänner gegen Mächte,
die verderben deine Nächte.
Man erwirbt sie ungeschliffen,
Beratung ist meist inbegriffen.

Gegen Krankheit und Gebrechen
lässt man sich allerhand versprechen.
Damit auch ich mehr drüber wüsste,
studiert' ich Hild'gards Werbeliste.

Ich staunte mächtig, als ich las,
es helfe schnell ein Chrysopras
gegen Zorn und gegen Gicht
und gegen Pickel im Gesicht.

Wenn euch quält die Gürtelrose
oder eine andre -ose
(wie etwa psych- und paradent-
oder was man sonst noch kennt),
dann, lieber Karo, liebe Karin,
versucht's doch mal mit Aqua-marin.

Damit kein schlechter Traum dich packt,
dann beuge vor mit 'nem Smaragd.
Lässt du ihn auf dem Nachttisch liegen,
wirst du den schlechten Traum nicht kriegen.
Per Smaragd ist's auch gelungen,
lahmzulegen böse Zungen.

Vor der Macht der bunten Steine
zieht sogar der Satan Leine.

Natürlich weiß man: Keinesfalles
hilft jeder Stein dir gegen alles.

Nach einer Nacht im schönen Harz
schenkt' er ihr einen Rosenquarz;
doch er blieb aus, der Kindersegen,
der Klapperstorch war recht verlegen.
Doch er meint': "Das nächste Mal
versucht's vielleicht mal mit Opal!"

Ins Leere geht die Kraft des Jade,
sticht Imme Imker in die Wade,
und ein Onyx, der hilft o(ch) nix;
hier hilft wohl ehr die Kraft des Honigs.

Vor Feindes List schütz' ein Granat!?
Dies meint nicht richtig der Soldat.
Viel besser sind da Handgranaten;
oft reichen Eier und Tomaten.

Dich aber drückt spezielles Leiden?
Ich denke schon, du kannst's vermeiden.
Du suchst was für Entwässerung?
Suchst bei Verstopfung Besserung?
Ach, prüf' doch selbst Hild'gardens Liste,
sie hat noch mehr in ihrer Kiste.

Nur Diamanten fehln darin.
Hat das einen tiefren Sinn?
Wir sind erheblich irritiert,
wieso sind sie nicht aufgeführt?

Indes weiß man aus alten Schriften,
dass man sich kann daran vergiften.
Weil Diamantstaub ihn verdorben,
sei Paracelsus dran gestorben.

Und Frankreichs Held Napoleon,
der hatte auch nur Ärger von:
Von einem Diamant verführt,
hatt' er den Rußlandkrieg riskiert.
Der schöne Stein bracht' ihm nur Schaden,
bei Moskau ging er gründlich baden.

Pech hatte auch der Juwelier,
ein Schmuckdieb stand vor seiner Tür.
Mit einem rohen Diamanten
verschafft' er sich die Brilli-anten.
Vom Dämon Habgier just geritten,
hat er das Panzerglas zerschnitten.

Wenn allzu edel sind die Steine,
wenn sie klar und lupenreine,
wenn sie glitzern fein geschliffen,
hat schnell die Bosheit zugegriffen.

Die Hildegard hat das erkannt;
drum also wurd' der Diamant
aus ihrem Sortiment verbannt!

Mit Habgier hat es angefangen,
der Urmensch hatt’ schon das Verlangen
nach seines Nachbarn Hab und Gut,
und so erschlug er resolut,
wer ihm nicht gab, was ihm gefiel.
Es war und ist ein Trauerspiel.

Die Habgier wird erst überwunden,
wenn man den richt'gen Stein gefunden.
Ich tauf' ihn schon mal Mammonthyst.
Ob das der Stein der Weisen ist?

Doch vorerst geht es drunt- und drüber,
die Steinzeit ist noch nicht vorüber.
 

anbas

Mitglied
Sorry Eberhard,

das ist für mich eher eine gereimte Anleitung für den Gebrauch und über die Geschichte von Halbedelsteinen als ein Gedicht.

Die Pointe an sich gefällt mir gut. Doch der mittlere Teil ist einfach zu lang. Die ersten und letzten drei Verse könnten auch noch etwas gerafft werden, dann den mittleren Teil in einen Sechs-Zeiler zusammenfassen und das Ganze könnte aus meiner Sicht sehr gewinnen.

Liebe Grüße

Andreas
 
Steinzeit aktuell

Hallo Andreas!

Gut, es ist ein Versepos. Darin sind lange Aufzählungen durchaus üblich (siehe Eugen Roths Tierleben). "Quod licet iovi non licet bovi" magst Du zu Recht einwenden.
Ich sehe jedenfalls ein, dass Versepen für die Leselupe ungeeignet sind, weil eine gründliche Auseinandersetzung mit Baufehlern einzelner Strophen hier unzumutbar würde.
Ich werde also das Ganze stark verkürzen, möchte damit aber noch warten. Vielleicht gibt's ja doch jemanden, der Spaß an der Langfassung hat, wie z.B. der Besitzer eines Bensheimer Bioladens, dem ich mein Erzeugnis als "geschäftsschädigendes Dokument" überreichte. Der Empfänger hat sich sehr bedankt - und amüsiert.
LG Eberhard.
 
Auch Gallen- und Nierensteine kann man veredeln(polieren). Die bilden auch die Schlusszeile eines demnächst eingereichten Gedichts ("Strafe für L")
Im Übrigen gilt, was ich anbas geschrieben habe.
 
Steinzeit aktuell

Schon die Hildegard von Bingen
wusst' ein Lied davon zu singen,
von der Kraft der edlen Steine.
Ihr wisst ja sicher, was ich meine.
.
Im Bioladen nebenan
ein jeder nun erwerben kann
Talismänner gegen Mächte,
die verderben deine Nächte.

Gegen Krankheit und Gebrechen
lässt man sich allerhand versprechen.
Damit auch ich mehr drüber wüsste,
studiert' ich Hild'gards Werbeliste.

Ich staunte mächtig, als ich las,
es helfe schnell ein Chrysopras
gegen Zorn und gegen Gicht
und gegen Pickel im Gesicht.

Per Malachit sei’s auch gelungen,
lahmzulegen böse Zungen.
Vor der Macht der bunten Steine
zög sogar der Satan Leine.

Natürlich weiß man: Keines Falles
hilft jeder Stein dir gegen alles.

Nach einer Nacht im schönen Harz
schenkt' er ihr einen Rosenquarz;
Nur er blieb aus, der Kindersegen,
der Klapperstorch war recht verlegen.
Doch er meint': "Das nächste Mal
versucht's vielleicht mal mit Opal!"

Ins Leere geht die Kraft des Jade,
sticht Imme Imker in die Wade,
und ein Onyx, der hilft o(ch) nix;
hier hilft wohl ehr die Kraft des Honigs.
.
Dich aber drückt spezielles Leiden?
Ich denke schon, du kannst's vermeiden.
Du suchst was für Entwässerung?
Suchst bei Verstopfung Besserung?

Ach, prüf' doch selbst Hild'gardens Liste,
sie hat noch mehr in ihrer Kiste.

Nur Diamanten fehln darin.
Hat das denn einen tiefren Sinn?
Wir finden dieses recht obskur,
doch sind wir auf der richt’gen Spur:

Wenn allzu edel sind die Steine,
wenn sie klar und lupenreine,
wenn sie glitzern fein geschliffen,
hat schnell der Schmuckdieb zugegriffen.

Die Hildegard hat das erkannt;
drum also wurd' der Diamant
aus ihrem Sortiment verbannt!

Mit Habgier hat es angefangen,
der Urmensch hatt’ schon das Verlangen
nach seines Nachbarn Hab und Gut,
und so erschlug er resolut,
wer ihm nicht gab, was ihm gefiel.
Es war und ist ein Trauerspiel.

Die Habgier wird erst überwunden,
wenn man den richt'gen Stein gefunden.
Ich tauf' ihn schon mal Mammonthyst.
Ob das der Stein der Weisen ist?

Doch vorerst geht es drunt- und drüber,
die Steinzeit ist noch nicht vorüber.

__________________
 
Hallo anbas!

Möchte Dich darauf hinweisen, dass ich nun ein komprimiertes Werk eingestellt habe. Weitere grundlegende Kürzungen würden den Grundcharakter meines Erzeugnisses zerstören.
Ich liefere aber gern ein völlig anderes Gedicht, das die Kernaussagen der gegenwärtigen Fassung in 12 bis 16 Zeilen wiederspiegelt.
Bitte auch um Stellungnahme zum Thema Versepos in meiner ersten Entgegnung.
LG Eberhard
 

Juhser

Mitglied
Einst von den Bäumen gelockt?

Ist nett zu lesen, wie augenzwinkernd kritisiert werden kann. Schade, dass Eberhard nur seltenst öffentlich in seiner originellen Art vorliest.
 

anbas

Mitglied
Hallo Eberhard,

zu Versepen kann ich nicht viel sagen, da sie einfach nicht so mein Ding sind (wobei ich selber durchaus auch mal längere Gedichte schreibe ;). Ich meine aber, schon Epen in der LL gelesen zu haben, die sehr gut angekommen sind. Da würde ich davon ausgehen, dass diese Form der Dichtung in der LL nicht grundsätzlich fehl am Platz ist.

Was Deine gekürzte Fassung betrifft, so tue ich mich weiter schwer mit ihr. Tut mir leid, aber ich komme nicht rein, sie fesselt mich nicht.

Liebe Grüße

Andreas
 
Hallo Juhser!

Danke für Deinen Kommentar. Aber ich würde es lieber einem versierten Vortragskünstler überlassen, daraus etwas Lebendiges zu machen.
Gruß
Eberhard
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Eberhard,
mir gefällt Deine erste Fassung sehr gut, ich habe heute beide erst gelesen. Die gekürzte verliert eine wichtige Beziehung zum Titel.

Wir haben hier eine spezielle Form, bei der ein festes Schema mit vier Betonungen pro Vers existiert und mit sehr unterschiedlicher Füllung mit unbetonten Versen, die zugleich eine ständige Änderung der Satzmelodie bedingen. Hierbei ist es sozusagen "durchkomponiert".

Es ähnelt hierbei Knittelversen und Rap, die ähnliche Methoden verwenden.
Die Betonung ist dabei jedem einzelnen Vers angemessen und sehr genau, sie unterstützt die innere Komik und Leichtigkeit der Verse.
 
Danke Bernd für Deine wohltuende Kritik. Ich finde auch, dass in der gekürzten Fassung der Bezug zum Titel gelitten hat.
Ich werde also die erste Fassung wieder teilaktivieren. Andererseits hat mich die gekürzte Fassung von Gewissensbissen befreit. Bei der Erstfassung (von 1994) war wohl vor lauter Spaß an meinem Gedicht die Fantasie mit mir durchgegangen. Die beiden Strophen Paracelsus und Napoleon betreffend hielten einer Überprüfung leider nicht stand. Das tut mir echt weh, weil es so schön gepasst hätte.
Kleine Bemerkung am Rande:
Deine Hilfe zu 'Hier klicken' hat sich gelohnt (siehe Ende meines Beitrags 'Der Talkshowmaster' im Forum Kurzprosa).
 
Steinzeit aktuell

Zuerst hat es der Mensch erfahren
vor etwa 100 000 Jahren,
grad nach dem letzten Eiszeiteinbruch:
Gar segensreich ist doch ein Steinbruch!
Der kam ihm da so recht zupass,
denn Steine gab es dort en masse.
Aus Feuerstein gewann er Klingen
und Äxt' und Beil' vor allen Dingen.

Viel später dann im Mittelalter,
da gab es nicht nur Steinespalter.
Schon längst gab es auch Steinpolierer
und außerdem auch Produzierer
von Schmuckwerk für die feine Dame,
fürs Eheweib, das tugendsame.

Auch ließen Steine sich benützen,
um gegen Unheil sich zu schützen.
Selbst die Hildegard von Bingen
wusst' ein Lied davon zu singen.
Der Spiritist der Gegenwart
hat neubelebt die Hildegard.

Im Bioladen nebenan
ein jeder nun erwerben kann
Talismänner gegen Mächte,
die verderben deine Nächte.
Man erwirbt sie ungeschliffen,
Beratung ist meist inbegriffen.

Gegen Krankheit und Gebrechen
lässt man sich allerhand versprechen.
Damit auch ich mehr drüber wüsste,
studiert' ich Hild'gards Werbeliste.

Ich staunte mächtig, als ich las,
es helfe schnell ein Chrysopras
gegen Zorn und gegen Gicht
und gegen Pickel im Gesicht.

Wenn euch quält die Gürtelrose
oder eine andre -ose
(wie etwa psych- und paradent-
oder was man sonst noch kennt),
dann, lieber Karo, liebe Karin,
versucht's doch mal mit Aqua-marin.

Damit kein schlechter Traum dich packt,
dann beuge vor mit 'nem Smaragd.
Lässt du ihn auf dem Nachttisch liegen,
wirst du den schlechten Traum nicht kriegen.
Per Smaragd ist's auch gelungen,
lahm zu legen böse Zungen.

Vor der Macht der bunten Steine
zieht sogar der Satan Leine.

Natürlich weiß man: Keines Falles
hilft jeder Stein dir gegen alles.

Nach einer Nacht im schönen Harz
schenkt' er ihr einen Rosenquarz;
doch er blieb aus, der Kindersegen,
der Klapperstorch war recht verlegen.
Doch er meint': "Das nächste Mal
versucht's vielleicht mal mit Opal!"

Ins Leere geht die Kraft des Jade,
sticht Imme Imker in die Wade,
und ein Onyx, der hilft o(ch) nix;
hier hilft wohl ehr die Kraft des Honigs.

Vor Feindes List schütz' ein Granat!?
Dies meint nicht richtig der Soldat.
Viel besser sind da Handgranaten;
oft reichen Eier und Tomaten.

Dich aber drückt spezielles Leiden?
Ich denke schon, du kannst's vermeiden.
Du suchst was für Entwässerung?
Suchst bei Verstopfung Besserung?
Ach, prüf' doch selbst Hild'gardens Liste,
sie hat noch mehr in ihrer Kiste.

Nur Diamanten fehln darin.
Hat das einen tiefren Sinn?
Wir sind erheblich irritiert,
wieso sind sie nicht aufgeführt?

Pech hatte einst ein Juwelier,
ein Schmuckdieb stand vor seiner Tür.
Mit einem rohen Diamanten
verschafft' er sich die Brilli-anten.
Vom Dämon Habgier just geritten,
hat er das Panzerglas zerschnitten.

Wenn allzu edel sind die Steine,
wenn sie klar und lupenreine,
wenn sie glitzern fein geschliffen,
hat schnell die Bosheit zugegriffen.

Die Hildegard hat das erkannt;
drum also wurd' der Diamant
aus ihrem Sortiment verbannt!

Mit Habgier hat es angefangen,
der Urmensch hatt’ schon das Verlangen
nach seines Nachbarn Hab und Gut,
und so erschlug er resolut,
wer ihm nicht gab, was ihm gefiel.
Es war und ist ein Trauerspiel.

Die Habgier wird erst überwunden,
wenn man den richt'gen Stein gefunden.
Ich tauf' ihn schon mal Mammonthyst.
Ob das der Stein der Weisen ist?

Doch vorerst geht es drunt- und drüber,
die Steinzeit ist noch nicht vorüber
 



 
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