dennis petsch
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- Straubinger Bierschissgedanken -
Max Goldt fühlte sich einmal beflissen, den typischen Geruch von kleinen Kindern als eine Mischung aus Mandarinenschalen und Bierschiss zu charakterisieren. Mandarinen hatten wir keine getrunken gestern und so war es folglich Letzteres, das uns nun anheftete, wie einer dieser witzigen Zettelchen aus der Schulzeit, die man sich gerne mal in der großen Pause gegenseitig auf die kindlichen Rücken pappte, auf denen dann solch witzig-kindliche Genial-Aphorismen zu lesen waren wie etwa „Frau Meyer is’ doof!“ oder „Ich bin eine Schnapsdrossel!“
Kinder heutzutage telefonieren viel lieber stundenlang mobil, verstecken palettenweise Alkopops in den Kniekehlen ihrer Reinkackbaggies und benutzen Worte und Phrasen wie „chillig“ oder „Ey, Du alte Scheiße!“ Ehemalige Kiddies – also Teenies – halten dies kaum anders und sich anders ver-, nur darf ’s hier bitte noch ein kleines Stückchen bunter sein, immerhin ist man mittendrin, nicht nur dabei, in der grellen Spaß- und Speedgesellschaft; den traditionellen Ritus des sich Runterkiffens nach dem Einfahren mit inbegriffen, schließlich muss man am Montag wieder fit für Mathe sein!
Und so sitzen sie dann also rum mit ihren schnupfigen Näslein, chillen ein wenig vor sich hin, zupfen sich das Säcklein oder die Baggiepants zurecht und tauchen glasäugig ihre ghettobemützten Teenyschädel in den medialen MTV-Sumpf, mit all seinen windigen Windelrockbands und kollateralschädlichen Klingeltonkartharren. Was aber geschieht, wenn man den Teenies ihre Drogen wieder wegnimmt, beweist ein kurzer Check In ins Tokio Hotel: Dort spassten flachbrüstige Vorschulkreischgörengroupies kopflos durch die Korridore, während vier totaaaaaal süße C&A-Jungmodels in der Hotel-Lobby vergeblich versuchen, unter der Sprenkelanlage ihren Bartwuchs zu beschleunigen.
Gab es früher zumindest noch im Ansatz so etwas Ähnliches wie eine einigermaßen intakte Kinder- und Jugendkultur, hält man heute die Sesamstraße für eine Drogenmeile in Amsterdam, Samson für den Dealer und Liselotte für das zu ersteigernde Pulver.
„Hallo Spencer, ’s kann ruhig noch ein Grämmchen mehr sein, alte Scheiße!“ und ein graumelierter Bart stellt sich entrückt verklärt die tränendrüsende Frage, was nur aus Rolf und seinen Freunden geworden ist. „Das waren doch Julien, Dick, Ann und George und Timmy der Hund?“ wirft der bartlose Ergraute ein und schon ist die Verwirrung perfekt. Hätten Frank und ich gestern wohl besser doch ein paar Mandarinen geschält, anstatt uns wieder maßlos zu…- aber wenigstens haben wir immerhin noch den Enid Blyton-Wissensbonuswimpel im imaginären Herrgottswinkel hängen und nicht teenie-mäßig 50 Cent oder diese Gesichtsgurkenmaske Sido. Und das Timmy der Hund einst zweifelsohne als legitimer Erbe in die ehrwürdigen Pfotenstapfen von Lassie oder Rintintin getreten war, dürfte sogar selbst dem stursten Schwarz/Weiß-Altnazi neben der Fernbedienung auf dem chipskrümeligen Nostalgik-Fe-Tisch liegen.
Ein bisschen wie ein begossener Pudel schaut es auch aus, dieses geschlechtsneutrale Etwas, das da gerade auf der Mattscheibe durch den Monsun geht und den Monsun rockt. Weiter wird dieser Vergleich fürs erste jedoch nicht gesponnen werden, da den Einen der Ergrauten der Bierschiss weg von der Glotze hin in den Intim-Flügel des lauschigen Zweizimmer-Männerschlosses treibt.
Ich bin mal wieder in Straubing zu Besuch, und in Straubing zu Besuch sein bedeutet nicht nur eine geistige Komplettumstellung auf linguistischer Ebene, sondern ebenso eine körperliche, und zwar die seiner Trinkgewohnheiten, benetzt doch hier nach Überqueren des Weißwurstäquators nicht das altbekannte Pilsbier, dafür so genanntes „Helles“ die trockenen Kehlen dürstender Bajuwaren – ein Gesöff, dessen Genuss einen gestandenen Frankenbuben schon mal dazu hinreißen kann, Max Goldtschen Assoziationen zu frönen.
Eigentlich ist Straubing ein kleines, beschauliches Städtchen an der niederbayrischen Donau gelegen, mit schmucken Fachwerkhäusern, gelegentlichen Hochwassern und Römerschatz im Gäubodenmuseum. Sobald dort jedoch die Sonne vom weiß-blauen Himmel verschwindet und der Sandmann Herrn Fuchs und Frau Hase Gut’ Nacht gesagt hat, kriechen sie hervor zu Zehntausenden aus ihren schäbigen Loft- und Appartementlöchern, all diese hin gezüchteten Schickimicki-Mausis und Party-Manfreds, und führen stöckel- und lackbeschuht ihre Bisamhodenledertäschchen und Lacoste-Hemdchen - und natürlich auch sich selbst - von einer Szenekneipe in den nächsten In-Schuppen Gassi.
Da graumelierte Bärte und bartlose Ergraute sich von Natur aus eher dem Bodenständigen anheim fühlen und somit lieber mit dem gemütlich-rustikalen Feierlager zu koalieren geneigt sind, hatten Frank und ich an diesem Abend keine andere Wahl, als uns vor dieser schier übermächtigen Horde Straubinger Schickariarianer in einen absoluten Asselschuppen zu flüchten, in eben eine dieser Lokalitäten, in denen der Schweiß schon von der Decke tropft und es auf den Aborten noch so richtig schön old-school nach Klostein riecht. Und gibt es überhaupt etwas Schöneres und Geileres auf dieser Welt, als nach erfolgreicher Klosteinbestrahlung heroisch wieder das Python-Gehänge in der fünfzehn Jahre alten Pioneer-Jeans zu verstaun und sich Indiana Jones-like einen urinpfützenfreien Weg weg vom Pissoire zurück in die von Zigarettenschwaden, Buttersäure und düsteren Gitarrenriffs durchdrungene Feierwelt zu bahnen?
Dieses Adventure-Feeling geht denen doch total ab, in ihren steril gestylten Pathologen-Etablissements. Hier duftet es bei gents und ladies nach Lavendel, oder gar synthetisch, und die cremefarbene Marmorbefliessung ist so penetrant sauber gewienert, dass selbst Nichtösterreicher bedenkenlos vom Heiselboden essen oder unfruchtbare Partymiezen sich im Toilettenabteil vom fickenden Vorgängerpärchen befruchten lassen könnten, wenn sie sich nur entkleideten und im Evakostüm an den Kacheln entlang rieben.
Graumelierte Bärte und bartlose Ergraute fallen alleine schon anatomisch gesehen durch jedwede Schwangerschaftsraster und stehen ohnehin nicht sonderlich auf cremefarbene Marmorbefliessung, sondern vielmehr auf eben angesprochenes Sanitärium in der kleinen Kneipe, welche bei Peter Alexander praktischerweise gleich am Ende der Straße zum lebenswerten Zusammensein einlädt, hier in Straubing aber durchaus gut und gerne am andern Ende der Stadt angesiedelt sein kann.
Ob es nun aber der eine oder der andere der beiden Ergrauten gewesen ist, der sich nach diesem feucht-fröhlichen Abend die nur noch halbbezackte Schützenkrone des sich Die-Lichter-ausgeschossen-Habens auf das kopfschmerzende Alkaselza-Haupt setzen konnte und final, am anderen Ende der Stadt angekommen, mit einem seligen Rülpsen auf den bierigen Lippen in den königlichen Gemächern mit Morpheus Armen um die besten Logenplätze im wild rotierenden Traumkinokarusell ringen durfte, bleibt wohl auf Ewig in der nebelverhangenen Straubinger Morgenluft verborgen. Fest steht nur, dass der Schock tief saß, als man soeben - tags darauf - frisch reinkarniert, dem Dämon Alkohol entflohen, schon einem leckeren Schnitzelfrühstück frohlockend, sich des Spaßmediums Fernsehapparat bediente und einem eine windige Windelrockband namens Tokio Hotel den ersten Genickschuss des Tages verpasste, mitten ins Gehör und in den Magen zweier augenberingter Endzwanziger, denen nun die Münder weit offen- und in ihren entsetzten Minen die wortlose Frage stand: Was bitteschön zum Henker ist denn das nun schon wieder?
Fühlte sich Max Goldt einst beflissen, den typischen Geruch von kleinen Kindern als eine Mischung aus Mandarinenschalen und Bierschiss zu charakterisieren, throne ich jetzt meinerseits hier schon seit geraumer Zeit zwecks teilweiser in die Tat Umsetzung eben jener Meta-pher, fühle mich in meinem Treiben jedoch misslich sabotiert durch die noch immer deutlich wahrnehmbaren Klangfarben dieses eben zum ersten Male vernommenen Liedguts föhnfrisurter Teenie-Tokioter, welche aus dem Wohnzimmer zu mir hinüber ins Fäkalium schwappen. „Den Kiddies scheint’s zu gefallen!“ hat mir Frank noch hinterher gerufen, als die Schüssel und ich schon drauf und dran waren uns die Klinke in die Hand zu geben, und nun sitzt er da, der graumelierte Bart und grübelt angestrengt nach dem Wieso, Weshalb, Warum denn nur.
Ist er - also bin ich – denn für so was einfach schon zu alt? Oder hätte ich vor zehn, zwölf Jahren ähnlich reagiert, wenn man mir so gänzlich unverhofft den Monsun übers Gesicht gestreift hätte, um mich samt guten Geschmacks in die ewigen Teeniegründe zu drosseln? Oder liegt es gar an den Nachwehen des Straubinger Bieres, dass sie mir so übel aufstoßen, diese vier kleinen Ossi-Knäblein, welche allesamt just der Musikabteilung von Toys’R’Us entflohen zu sein scheinen, wo man gerade ein Casting für den neuen Clerasil-Spot abgehalten hatte?
Langsam spüre ich das Blut meinem Denkzentrum entfleuchend den wonnig umschüsselten Hämorriden entgegenströmen, kann mich jedoch des letzten immunschwachen Gedankens nicht erwehren, dass bei der ganzen Knabenchor-Sache eine frustrierte endvierzigjährige Avon-Beraterin ihre runzligen Finger mit im klangfarbenen Spiel hatte, um Sohnemann mal eben mächtig groß raus zubringen. Denn bevor der Kleine eh nur wieder zum Strohhalmpulver greift und beim Chillen mit den Jungs im Proberaumkeller ganz Magdeburg um den arbeitslosen Schlaf bringt - während Zwillingsbruderherz die nächste Elfjährige flachlegt -, wischt man lieber kurz mit dem Beautycase über die picklige Sprösslingsfratze, hält einem schleimigen Produzenten den endvierzigjährigen Arsch hin und fertig ist die Bravotitelseite, samt Plattenvertrag und bundesweitem Gehörsturz.
„So isser wenigstens runter von der Straße und kann sich die Geschlechts-OP selber zahlen!“ meint Mami Avon selbstgewiss, nur ein gerade in Straubing Bierscheißender Grauer wünscht’ sich ziemlich verkatert den guten alten Japsen-Schreck Godzilla auf den Plan gerufen und mal eben kurz aufs Tokio Hotel gestiegen.
Apropos Kino: Ist irgendjemandem schon einmal aufgefallen, dass trotz immer fortwährendem filmischen Realismuswahn in keinem einzigen Streifen, der das Leben eines auf einer einsamen Insel gestrandeten Neuzeit-Robinson portraitiert, aufgezeigt wird, wie der tapfer allen Widrigkeiten der Wildnis trotzende Protagonist sich nach erfolgreicher Verrichtung seiner Notdurft den schiffbrüchigen Anus mit irgendwelchem Tropengrün abwischte? Ein wahrlich interessanter Gedanke, den weiter zu spinnen mit Sicherheit den wohlverdienten Lohn einbrächte, wie auch immer der dann aussähe. Die Lokalität hierfür könnt’ keine bessre sein und auch Faktor Zeit wäre genug vorhanden: Solange nämlich dieser androgyne Mikrophon-vergewaltiger auch weiterhin so keck durch den Monsun geht und es da draußen am musikalischen Firmament noch immer donnert, grollt und blitzt, werde ich einfach noch ein Weilchen hier in meinem faradayschen Bierschisskäfig harren, Enid Blytons Fünf Freunde durchschmökern und mit Rolf Zuckowsky auf den Lippen warten, bis im Monsun der Stimmbruch einsetzt... Hinter der Welt, bis ans Ende der Zeit… alte Scheiße!
Dennis Petsch September 2005
Max Goldt fühlte sich einmal beflissen, den typischen Geruch von kleinen Kindern als eine Mischung aus Mandarinenschalen und Bierschiss zu charakterisieren. Mandarinen hatten wir keine getrunken gestern und so war es folglich Letzteres, das uns nun anheftete, wie einer dieser witzigen Zettelchen aus der Schulzeit, die man sich gerne mal in der großen Pause gegenseitig auf die kindlichen Rücken pappte, auf denen dann solch witzig-kindliche Genial-Aphorismen zu lesen waren wie etwa „Frau Meyer is’ doof!“ oder „Ich bin eine Schnapsdrossel!“
Kinder heutzutage telefonieren viel lieber stundenlang mobil, verstecken palettenweise Alkopops in den Kniekehlen ihrer Reinkackbaggies und benutzen Worte und Phrasen wie „chillig“ oder „Ey, Du alte Scheiße!“ Ehemalige Kiddies – also Teenies – halten dies kaum anders und sich anders ver-, nur darf ’s hier bitte noch ein kleines Stückchen bunter sein, immerhin ist man mittendrin, nicht nur dabei, in der grellen Spaß- und Speedgesellschaft; den traditionellen Ritus des sich Runterkiffens nach dem Einfahren mit inbegriffen, schließlich muss man am Montag wieder fit für Mathe sein!
Und so sitzen sie dann also rum mit ihren schnupfigen Näslein, chillen ein wenig vor sich hin, zupfen sich das Säcklein oder die Baggiepants zurecht und tauchen glasäugig ihre ghettobemützten Teenyschädel in den medialen MTV-Sumpf, mit all seinen windigen Windelrockbands und kollateralschädlichen Klingeltonkartharren. Was aber geschieht, wenn man den Teenies ihre Drogen wieder wegnimmt, beweist ein kurzer Check In ins Tokio Hotel: Dort spassten flachbrüstige Vorschulkreischgörengroupies kopflos durch die Korridore, während vier totaaaaaal süße C&A-Jungmodels in der Hotel-Lobby vergeblich versuchen, unter der Sprenkelanlage ihren Bartwuchs zu beschleunigen.
Gab es früher zumindest noch im Ansatz so etwas Ähnliches wie eine einigermaßen intakte Kinder- und Jugendkultur, hält man heute die Sesamstraße für eine Drogenmeile in Amsterdam, Samson für den Dealer und Liselotte für das zu ersteigernde Pulver.
„Hallo Spencer, ’s kann ruhig noch ein Grämmchen mehr sein, alte Scheiße!“ und ein graumelierter Bart stellt sich entrückt verklärt die tränendrüsende Frage, was nur aus Rolf und seinen Freunden geworden ist. „Das waren doch Julien, Dick, Ann und George und Timmy der Hund?“ wirft der bartlose Ergraute ein und schon ist die Verwirrung perfekt. Hätten Frank und ich gestern wohl besser doch ein paar Mandarinen geschält, anstatt uns wieder maßlos zu…- aber wenigstens haben wir immerhin noch den Enid Blyton-Wissensbonuswimpel im imaginären Herrgottswinkel hängen und nicht teenie-mäßig 50 Cent oder diese Gesichtsgurkenmaske Sido. Und das Timmy der Hund einst zweifelsohne als legitimer Erbe in die ehrwürdigen Pfotenstapfen von Lassie oder Rintintin getreten war, dürfte sogar selbst dem stursten Schwarz/Weiß-Altnazi neben der Fernbedienung auf dem chipskrümeligen Nostalgik-Fe-Tisch liegen.
Ein bisschen wie ein begossener Pudel schaut es auch aus, dieses geschlechtsneutrale Etwas, das da gerade auf der Mattscheibe durch den Monsun geht und den Monsun rockt. Weiter wird dieser Vergleich fürs erste jedoch nicht gesponnen werden, da den Einen der Ergrauten der Bierschiss weg von der Glotze hin in den Intim-Flügel des lauschigen Zweizimmer-Männerschlosses treibt.
Ich bin mal wieder in Straubing zu Besuch, und in Straubing zu Besuch sein bedeutet nicht nur eine geistige Komplettumstellung auf linguistischer Ebene, sondern ebenso eine körperliche, und zwar die seiner Trinkgewohnheiten, benetzt doch hier nach Überqueren des Weißwurstäquators nicht das altbekannte Pilsbier, dafür so genanntes „Helles“ die trockenen Kehlen dürstender Bajuwaren – ein Gesöff, dessen Genuss einen gestandenen Frankenbuben schon mal dazu hinreißen kann, Max Goldtschen Assoziationen zu frönen.
Eigentlich ist Straubing ein kleines, beschauliches Städtchen an der niederbayrischen Donau gelegen, mit schmucken Fachwerkhäusern, gelegentlichen Hochwassern und Römerschatz im Gäubodenmuseum. Sobald dort jedoch die Sonne vom weiß-blauen Himmel verschwindet und der Sandmann Herrn Fuchs und Frau Hase Gut’ Nacht gesagt hat, kriechen sie hervor zu Zehntausenden aus ihren schäbigen Loft- und Appartementlöchern, all diese hin gezüchteten Schickimicki-Mausis und Party-Manfreds, und führen stöckel- und lackbeschuht ihre Bisamhodenledertäschchen und Lacoste-Hemdchen - und natürlich auch sich selbst - von einer Szenekneipe in den nächsten In-Schuppen Gassi.
Da graumelierte Bärte und bartlose Ergraute sich von Natur aus eher dem Bodenständigen anheim fühlen und somit lieber mit dem gemütlich-rustikalen Feierlager zu koalieren geneigt sind, hatten Frank und ich an diesem Abend keine andere Wahl, als uns vor dieser schier übermächtigen Horde Straubinger Schickariarianer in einen absoluten Asselschuppen zu flüchten, in eben eine dieser Lokalitäten, in denen der Schweiß schon von der Decke tropft und es auf den Aborten noch so richtig schön old-school nach Klostein riecht. Und gibt es überhaupt etwas Schöneres und Geileres auf dieser Welt, als nach erfolgreicher Klosteinbestrahlung heroisch wieder das Python-Gehänge in der fünfzehn Jahre alten Pioneer-Jeans zu verstaun und sich Indiana Jones-like einen urinpfützenfreien Weg weg vom Pissoire zurück in die von Zigarettenschwaden, Buttersäure und düsteren Gitarrenriffs durchdrungene Feierwelt zu bahnen?
Dieses Adventure-Feeling geht denen doch total ab, in ihren steril gestylten Pathologen-Etablissements. Hier duftet es bei gents und ladies nach Lavendel, oder gar synthetisch, und die cremefarbene Marmorbefliessung ist so penetrant sauber gewienert, dass selbst Nichtösterreicher bedenkenlos vom Heiselboden essen oder unfruchtbare Partymiezen sich im Toilettenabteil vom fickenden Vorgängerpärchen befruchten lassen könnten, wenn sie sich nur entkleideten und im Evakostüm an den Kacheln entlang rieben.
Graumelierte Bärte und bartlose Ergraute fallen alleine schon anatomisch gesehen durch jedwede Schwangerschaftsraster und stehen ohnehin nicht sonderlich auf cremefarbene Marmorbefliessung, sondern vielmehr auf eben angesprochenes Sanitärium in der kleinen Kneipe, welche bei Peter Alexander praktischerweise gleich am Ende der Straße zum lebenswerten Zusammensein einlädt, hier in Straubing aber durchaus gut und gerne am andern Ende der Stadt angesiedelt sein kann.
Ob es nun aber der eine oder der andere der beiden Ergrauten gewesen ist, der sich nach diesem feucht-fröhlichen Abend die nur noch halbbezackte Schützenkrone des sich Die-Lichter-ausgeschossen-Habens auf das kopfschmerzende Alkaselza-Haupt setzen konnte und final, am anderen Ende der Stadt angekommen, mit einem seligen Rülpsen auf den bierigen Lippen in den königlichen Gemächern mit Morpheus Armen um die besten Logenplätze im wild rotierenden Traumkinokarusell ringen durfte, bleibt wohl auf Ewig in der nebelverhangenen Straubinger Morgenluft verborgen. Fest steht nur, dass der Schock tief saß, als man soeben - tags darauf - frisch reinkarniert, dem Dämon Alkohol entflohen, schon einem leckeren Schnitzelfrühstück frohlockend, sich des Spaßmediums Fernsehapparat bediente und einem eine windige Windelrockband namens Tokio Hotel den ersten Genickschuss des Tages verpasste, mitten ins Gehör und in den Magen zweier augenberingter Endzwanziger, denen nun die Münder weit offen- und in ihren entsetzten Minen die wortlose Frage stand: Was bitteschön zum Henker ist denn das nun schon wieder?
Fühlte sich Max Goldt einst beflissen, den typischen Geruch von kleinen Kindern als eine Mischung aus Mandarinenschalen und Bierschiss zu charakterisieren, throne ich jetzt meinerseits hier schon seit geraumer Zeit zwecks teilweiser in die Tat Umsetzung eben jener Meta-pher, fühle mich in meinem Treiben jedoch misslich sabotiert durch die noch immer deutlich wahrnehmbaren Klangfarben dieses eben zum ersten Male vernommenen Liedguts föhnfrisurter Teenie-Tokioter, welche aus dem Wohnzimmer zu mir hinüber ins Fäkalium schwappen. „Den Kiddies scheint’s zu gefallen!“ hat mir Frank noch hinterher gerufen, als die Schüssel und ich schon drauf und dran waren uns die Klinke in die Hand zu geben, und nun sitzt er da, der graumelierte Bart und grübelt angestrengt nach dem Wieso, Weshalb, Warum denn nur.
Ist er - also bin ich – denn für so was einfach schon zu alt? Oder hätte ich vor zehn, zwölf Jahren ähnlich reagiert, wenn man mir so gänzlich unverhofft den Monsun übers Gesicht gestreift hätte, um mich samt guten Geschmacks in die ewigen Teeniegründe zu drosseln? Oder liegt es gar an den Nachwehen des Straubinger Bieres, dass sie mir so übel aufstoßen, diese vier kleinen Ossi-Knäblein, welche allesamt just der Musikabteilung von Toys’R’Us entflohen zu sein scheinen, wo man gerade ein Casting für den neuen Clerasil-Spot abgehalten hatte?
Langsam spüre ich das Blut meinem Denkzentrum entfleuchend den wonnig umschüsselten Hämorriden entgegenströmen, kann mich jedoch des letzten immunschwachen Gedankens nicht erwehren, dass bei der ganzen Knabenchor-Sache eine frustrierte endvierzigjährige Avon-Beraterin ihre runzligen Finger mit im klangfarbenen Spiel hatte, um Sohnemann mal eben mächtig groß raus zubringen. Denn bevor der Kleine eh nur wieder zum Strohhalmpulver greift und beim Chillen mit den Jungs im Proberaumkeller ganz Magdeburg um den arbeitslosen Schlaf bringt - während Zwillingsbruderherz die nächste Elfjährige flachlegt -, wischt man lieber kurz mit dem Beautycase über die picklige Sprösslingsfratze, hält einem schleimigen Produzenten den endvierzigjährigen Arsch hin und fertig ist die Bravotitelseite, samt Plattenvertrag und bundesweitem Gehörsturz.
„So isser wenigstens runter von der Straße und kann sich die Geschlechts-OP selber zahlen!“ meint Mami Avon selbstgewiss, nur ein gerade in Straubing Bierscheißender Grauer wünscht’ sich ziemlich verkatert den guten alten Japsen-Schreck Godzilla auf den Plan gerufen und mal eben kurz aufs Tokio Hotel gestiegen.
Apropos Kino: Ist irgendjemandem schon einmal aufgefallen, dass trotz immer fortwährendem filmischen Realismuswahn in keinem einzigen Streifen, der das Leben eines auf einer einsamen Insel gestrandeten Neuzeit-Robinson portraitiert, aufgezeigt wird, wie der tapfer allen Widrigkeiten der Wildnis trotzende Protagonist sich nach erfolgreicher Verrichtung seiner Notdurft den schiffbrüchigen Anus mit irgendwelchem Tropengrün abwischte? Ein wahrlich interessanter Gedanke, den weiter zu spinnen mit Sicherheit den wohlverdienten Lohn einbrächte, wie auch immer der dann aussähe. Die Lokalität hierfür könnt’ keine bessre sein und auch Faktor Zeit wäre genug vorhanden: Solange nämlich dieser androgyne Mikrophon-vergewaltiger auch weiterhin so keck durch den Monsun geht und es da draußen am musikalischen Firmament noch immer donnert, grollt und blitzt, werde ich einfach noch ein Weilchen hier in meinem faradayschen Bierschisskäfig harren, Enid Blytons Fünf Freunde durchschmökern und mit Rolf Zuckowsky auf den Lippen warten, bis im Monsun der Stimmbruch einsetzt... Hinter der Welt, bis ans Ende der Zeit… alte Scheiße!
Dennis Petsch September 2005