Hallo Jon,
in der Tat rufe ich gerne alte Gedichtformen wie das Sonett ins öffentliche Gedächtnis. Es ist in Sizilien zur Zeit des Kaiser Friedrich II entstanden.
Es ist wesentlicher Teil des Dichterhandwerks, bei der Verwendung solcher Formen den Eindruck zu erwecken, der Text selbst sei „leicht“. Man soll die Mühen der Kunst und der Herstellung dem Werk nicht anmerken.
Der Trick ist, daß früher die Leser Gedichte rezitiert haben. Dieses den Text sich selbst laut Vortragen erschließt wie das Spielen eines Theaterstücks als solches weitere Ebenen, die im Text angelegt sind. Heute mag das Deklamieren lächerlich erscheinen.
Die im Text angelegten Widerhaken kommen aber erst bei näherer Betrachtung ans Licht. Und so ist die deutliche Sprache der letzten beiden Verse nicht nur das Augreifen der Shakespeare’schen „Moral von der Geschicht“ des letzten Verspaars. Es ist ein absichtsvoll kontrapunktiert gesetzter Ausruf der Wut und des Zorns, der als Konsequenz aus dem Diskurs zum Thema „Wie soll der Dichter das Thema Haß und Krieg aufarbeiten und steht er dazu nicht in der Pflicht“ entsteht: laut, schnell und eindeutig nämlich.
Das führt mitten in eine ganz andere Dimension der Kritik, die in Deinen Beiträgen angelegt ist: die Form und der Inhalt sowie ihr Zusammenspiel. Zum Einen verdient es festgehalten zu werden, daß hinter Deiner kritischen Anmerkung ein Kompliment verborgen ist.
Vielleicht, weil es alles so "glatt", so "wie geschmiert", so „routiniert“ daherkommt.
Zur Beherrschung der Form gehört Routine, damit ein Text in dieser Form mit einem fünfhebigen Jambus geschmeidig (= „geschmiert“) klingt, da muß der Schreiberling sein Kopfwerk schon „können“; damit sind wir bei der Definition von Sprach“kunst“ = Sprach“können“ angekommen. Glatt? Da verweise ich - s.o. - auf das laut sich selbst Vorlesen. Die Enjambements sorgen dafür, daß in der Kunstfertigkeit des Textes die Widerhaken greifen, die muß man aber „hören“. Sie gehen über Vers und der zweite sogar auch über die Strophe hinweg.
Und dann zum Anderen die letzten beiden Verse: Ja, ist es denn nicht in der Tat so, dass alle Krieger und Hassprediger in die Hölle gehören? Der Aufruf setzt ein Ausrufezeichen. Nicht lange überlegen und herummachen. Keine Zeit vergeuden. Eine Streitschrift schreiben. Nur noch Streitschriften!
Den Sprachhammer also auspacken und sie, die Antithesen, ganz altertümlich, zur Hölle wünschen. Denn da gehören sie hin, die ohne Not Kriege anzetteln und den Haß zur Leitschnur erklären, Handlungsweisen, Gefühle und Zustände, aus denen nichts kommt als Vernichtung, Zerstörung, Schmerz und Elend. Und die das Schlimmste aus dem Menschen hervorkehren, das er zu sein vermag.
Abendgruß W.