Uschi Sieberichs
Mitglied
Sturm der Gedanken
von Ursula Sieberichs
Es wurde Herbst. Sie merkte es ganz deutlich. Es war kalt und nass, wenn sie morgens zu Ihrem Auto ging. Die Nässe kroch durch jede Faser ihrer Kleidung. Sie hasste dieses Wetter. Es war nun mehr als 3 Jahre her, dass sie ihren Mann im September früh morgens tot auffand. Seit dieser Zeit kämpfte sie für sich und ihre kleine Tochter, um allen Dingen des Lebens gewachsen zu sein, auch solchen, die eigentlich "Männersache" waren und um die sie sich früher nie kümmern musste. Sie merkte, z.B. bei der Gartenarbeit, dass sie immer und immer wieder an ihre natürlichen Grenzen stieß. Sie wollte sie aber nicht wahrhaben. Sie wollte es alleine schaffen. Ohne fremde Hilfe. Immer wieder jagten ihr Gedanken aus der Vergangenheit durch den Kopf. Was wäre gewesen, wenn sie damals nicht geschlafen hätte, als alles passierte ... ?
Sie wurde plötzlich aus ihren Gedanken gerissen, als ihr Kind sie drängte "Mama, können wir jetzt endlich zum Kindergarten fahren ... ? Tonlos erwiderte sie: "Ja, natürlich, bin gleich soweit." Sie verfrachtete die Kleine in den Wagen, schnallte sie an. Alles ganz ordnungsgemäß. Das Radio spielte die übliche "Gute-Laune-Musik", die aber an ihr abprallte und keine Wirkung zeigte. Sie brachte ihren Schatz noch in die Gruppe, verabschiedete sich liebevoll, wandte sich zum Gehen. "Ich bringe Dich noch zur Tür, rief ihre Tochter ihr noch hinterher und beeilte sich, die Mutter noch einzuholen. Wieder eine herzliche Umarmung und noch ein Küsschen. Es tat gut, jemanden zu haben, der einen mal in den Arm nimmt und der einen bedingungslos liebt. Noch. Aber wie schnell würde ihre Kleine eine Große werden, eigene Freunde und Bekannte haben. Dann wäre sie ganz allein. Der Gedanke schauerte ihr. Sie lief zum Auto, es regnete nun noch stärker. Aber irgendwie passte das Wetter zu ihrer Stimmung. Sie setzte sich ins Auto, drehte das Radio ganz laut und fuhr zur Arbeit. Viel lieber wäre sie jedoch zu Hause mit ihrer Tochter, doch sie war nun mal Alleinverdiener wider Willen, denn die Witwenrente reichte nun wirklich nicht. Ihr Mann war ja noch so jung gewesen. Ihr ganzes Leben kam ihr sinnlos vor. Alles was sie liebte und ihr wichtig war, hat sie verloren oder musste es aufgeben, so wie das Studium, dass sie schon fast beendet hatte... bis zu jedem Schicksalstag. Alles war nun anders, alles musste nun nach bestimmten Regeln erledigt werden und unterlag einem strikten Zeitplan, ohne den das tägliche Pensum sonst nicht zu schaffen gewesen wäre. Sie hatte sich ihr Leben wirklich anders vorgestellt, schöner, lustiger und unbeschwerter. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, musste sie sich eingestehen, dass sie nicht ganz unschuldig an ihrer Situation war. Seit mehr als 3 Jahren ging sie nicht mehr aus, denn sie wollte das Kind abends nicht alleine lassen, ihre noch verbleibende Energie steckte sie in die Gartenarbeit, denn sie wollte es "immer schön haben", sie spielte und bastelte mit ihrer Tochter. Sie versuchte immer alles so perfekt wie möglich zu machen und doch war sie nie mit sich zufrieden. Wann aber tat sie mal was für sich ? Es blieb zu wenig Zeit dafür. Sie begriff auf einmal, dass die Wende, auf die sie immer so gewartet hatte, niemals kommen würde, wenn sie sie nicht selbst herbeiführte. Es würde nie irgendwen oder irgendwas geben, wer bzw. was ihr Entscheidungen abnehmen könnte. Sie begriff endlich, dass sie schnellstmöglich ihr Leben in neue Bahnen lenken musste um neue Perspektiven für sich und ihr Kind zu schaffen, um zu vergessen, um wieder zu träumen und um endlich aus dem Schatten herauszukommen, der sie nun seit damals begleitete. Veränderung, dass wusste sie jetzt, bedeutet auch immer die Chance für einen neuen Anfang, eine neue Liebe.
von Ursula Sieberichs
Es wurde Herbst. Sie merkte es ganz deutlich. Es war kalt und nass, wenn sie morgens zu Ihrem Auto ging. Die Nässe kroch durch jede Faser ihrer Kleidung. Sie hasste dieses Wetter. Es war nun mehr als 3 Jahre her, dass sie ihren Mann im September früh morgens tot auffand. Seit dieser Zeit kämpfte sie für sich und ihre kleine Tochter, um allen Dingen des Lebens gewachsen zu sein, auch solchen, die eigentlich "Männersache" waren und um die sie sich früher nie kümmern musste. Sie merkte, z.B. bei der Gartenarbeit, dass sie immer und immer wieder an ihre natürlichen Grenzen stieß. Sie wollte sie aber nicht wahrhaben. Sie wollte es alleine schaffen. Ohne fremde Hilfe. Immer wieder jagten ihr Gedanken aus der Vergangenheit durch den Kopf. Was wäre gewesen, wenn sie damals nicht geschlafen hätte, als alles passierte ... ?
Sie wurde plötzlich aus ihren Gedanken gerissen, als ihr Kind sie drängte "Mama, können wir jetzt endlich zum Kindergarten fahren ... ? Tonlos erwiderte sie: "Ja, natürlich, bin gleich soweit." Sie verfrachtete die Kleine in den Wagen, schnallte sie an. Alles ganz ordnungsgemäß. Das Radio spielte die übliche "Gute-Laune-Musik", die aber an ihr abprallte und keine Wirkung zeigte. Sie brachte ihren Schatz noch in die Gruppe, verabschiedete sich liebevoll, wandte sich zum Gehen. "Ich bringe Dich noch zur Tür, rief ihre Tochter ihr noch hinterher und beeilte sich, die Mutter noch einzuholen. Wieder eine herzliche Umarmung und noch ein Küsschen. Es tat gut, jemanden zu haben, der einen mal in den Arm nimmt und der einen bedingungslos liebt. Noch. Aber wie schnell würde ihre Kleine eine Große werden, eigene Freunde und Bekannte haben. Dann wäre sie ganz allein. Der Gedanke schauerte ihr. Sie lief zum Auto, es regnete nun noch stärker. Aber irgendwie passte das Wetter zu ihrer Stimmung. Sie setzte sich ins Auto, drehte das Radio ganz laut und fuhr zur Arbeit. Viel lieber wäre sie jedoch zu Hause mit ihrer Tochter, doch sie war nun mal Alleinverdiener wider Willen, denn die Witwenrente reichte nun wirklich nicht. Ihr Mann war ja noch so jung gewesen. Ihr ganzes Leben kam ihr sinnlos vor. Alles was sie liebte und ihr wichtig war, hat sie verloren oder musste es aufgeben, so wie das Studium, dass sie schon fast beendet hatte... bis zu jedem Schicksalstag. Alles war nun anders, alles musste nun nach bestimmten Regeln erledigt werden und unterlag einem strikten Zeitplan, ohne den das tägliche Pensum sonst nicht zu schaffen gewesen wäre. Sie hatte sich ihr Leben wirklich anders vorgestellt, schöner, lustiger und unbeschwerter. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, musste sie sich eingestehen, dass sie nicht ganz unschuldig an ihrer Situation war. Seit mehr als 3 Jahren ging sie nicht mehr aus, denn sie wollte das Kind abends nicht alleine lassen, ihre noch verbleibende Energie steckte sie in die Gartenarbeit, denn sie wollte es "immer schön haben", sie spielte und bastelte mit ihrer Tochter. Sie versuchte immer alles so perfekt wie möglich zu machen und doch war sie nie mit sich zufrieden. Wann aber tat sie mal was für sich ? Es blieb zu wenig Zeit dafür. Sie begriff auf einmal, dass die Wende, auf die sie immer so gewartet hatte, niemals kommen würde, wenn sie sie nicht selbst herbeiführte. Es würde nie irgendwen oder irgendwas geben, wer bzw. was ihr Entscheidungen abnehmen könnte. Sie begriff endlich, dass sie schnellstmöglich ihr Leben in neue Bahnen lenken musste um neue Perspektiven für sich und ihr Kind zu schaffen, um zu vergessen, um wieder zu träumen und um endlich aus dem Schatten herauszukommen, der sie nun seit damals begleitete. Veränderung, dass wusste sie jetzt, bedeutet auch immer die Chance für einen neuen Anfang, eine neue Liebe.